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Der Widerstand der Katholiken Deutschlands

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Allzuoft geht die Beurteilung Deutschlands von der Annahme aus, daß dem Nationalsozialismus aus dem Lande heraus kein Widerstand entgegengesetzt wurde. Man gibt zwar zu, daß es auch dort Gegner des Regimes gegeben hat, meint aber, daß diese, zum Unterschied zu den anderen europäischen Ländern, nicht den Mut und die Initiative aufgebracht hätten, sich gegen das, was sie als Unglück für ihr Land und ihr Volk .empfanden, offen aufzulehnen. In diesem Zusammenhang erscheint uns ein Bericht des Schweizer Korrespondenten der französischen katholischen Zeitung „La C r o i x“, L. van Vassenhove, über die katholischen Widerstandskräfte in Deutschland von größtem Interesse.

Die Geschichte des Widerstandes der deutschen Katholiken, erklärt L. van Vassenhove in diesem Bericht, wird eines Tages geschrieben werden und die Welt, zu sehr gewöhnt, Schweigen für Handlungsunfähigkeit zu nehmen und das Vorhandensein von Märtyrern zu verneinen, weil perfide Hände die Spuren ihres Opfers bis zum Grund auszulöschen versuchen, wird sich darüber wundern. Das aber ist wohl in den meisten deutschen Bistümern der Fall gewesen, wo die Gestapo sich die Aufgabe stellte, im Laufe häufiger Verfolgungen die Archive -verschwinden zu lassen, welche die Verbrechen Hitler-Deutschlands gegen die kämpferischen Katholiken und vor allem gegen den Klerus enthüllen und aufzeigen hätten können. Und was'den „eiskalten“ Agenten Hitlers entgangen war, wurde durch die wahllosen Bombardements zerstört. Daher waren die deutschen Bischöfe gezwungen, die Arbeit der Registrierung der Verfolgungen, denen die Priester in ihren Diözesen ausgesetzt waren, von Grund auf neu zu beginnen, da sie keine Beweise mehr für die Gewalttätigkeiten und Leiden, die jene erlitten, in der Hand hatten, oder doch höchstens nur unvollständig und in Einzelfällen.

Aber die Wahrheit findet den Weg an die Öffentlichkeit. Wie vor kurzer Zeit ein deutscher Prälat zu einem Schweizer Priester sagte und worüber auch das Luzerner „Vaterland“ berichtete, müßte man einmal der Weltmeinung bekanntgeben, wie viele katholische Priester von 1933 bis zum Ende des Hitler-Regimes in den Gefängnishöfen des Reiches hingerichtet wurden, wie etwa jene) drei Vikare aus Lübeck, die vor zwei Jahres gemeinsam die Todesstrafe erlitten und deren Opfergang jetzt erst zur Not entschleiert werden konnte.

Am 23. Juli 1943 versammelte sich in Lübeck ein Volksgerichtshof, um die drei katholischen Vikare, Eduard Müller, Johannes Prassek und Hermann Lange, angeklagt des Widerstandes und Einverständnisses mit dem Feind, abzuurteilen. Der Widerstand bestand, wie aus den Prozeßakten hervorgeht, in der Verteilung von Hirtenbriefen des Bischofs von Münster, von Galen, und in dem Einverständnis mit dem Feind durch Abhören des ausländischen Rundfunks. Alle drei wurden! zum Tod verurteilt und hingerichtet.

Eine wichtige Quelle von ungeheurer Be* deutung ist indessen von der Zerstörung ver* schont geblieben: die geheimen Archive de! Fuldaer Bischofskonferenzen, die, wie durdj“ ein Wunder, sowohl den Bombardements und] den Verfolgungen entgangen sind. In diese* unschätzbaren Sammlung findet man die] wichtigste Korrespondenz zusammengefaßt die Kardinal Erzbischo'f Bertram mit den Par teidienststellen führte und deren Veröffent lichung die ungezählten und mutigen Demar dien des deutschen Episkopats bei der natio nalsozialistischen Regierung aufzeigen werden

Besonders häufig wird man wiederholte Proteste gegen die Errichtung der Konzentrationslager, gegen die Judenverfolgungen, ja sogar gegen die Handlungen von, Hitlen Behörden in den von der deutschen Armee besetzten Gebieten finden. „Ei gibt keine einzige Ungerechtigkeit“, betont der Nachrichtengeber des „Vaterlands“, „die den deutschen Bischöfen zur Kenntnis kam, wo auch Immer sie begangen wurde und wer Immer auch ihr Opfer war, die nicht in einem Protest des Kardinals Bertram an die Reichsregierung festgehalten wurde.“ P. Friedrich Muckermann S. J., von der ersten Stunde an einer der Verfechter des Widerstandes der deutschen Katholiken, Hlftet den Schleier in einem in Zürich erschienenen Buch „DerDeutscheWeg“,über den Widerstand in dett Jahren 1933 bis 1943. Der Verfasser erzählt uns, wie er am Morgen des 30. Juni 1934 seine antinationalsozialistische Tätigkeit nach Oldenzaal in Holland verlegen mußte, von wo er die Wahrheit in unterirdischen Bulletins nach Deutschland eindringen ließ, wo sie durch seine Münster Freunde verteilt wurden, von denen übrigens viele, so unter anderen Albert Maring, die Durchführung ihrer gefährlichen Auftrage in den Konzentrationslagern mit ihrem Leben bezahlten. Bald wurde aus den Bulletins „Die deutsche Stimme“, deren Abnehmer Priester aller Bekenntnisse waren.

Die öffentliche Meinung mißt nach Muckermann dem Widerstand auf dem Gebiete des Glaubens im Sinne einer passiven Resistenz viel zu wenig Bedeutung bei. Sie fragt gerne, warum die deutschen Kathollken nicht zur offenen Revolte übergegangen sind. Nur langsam legt sie sich darüber Rechenschaft ab, wie wichtig es war, in Deutschland die Organisation der Kirche zu retten, die einzige Institution, die imstande war, dem Hitlerstiefel zu widerstehen und der es gelungen ist, zu gleicher Zeit von einem großen Teil der Bevölkerung das Gift des Rassenhasses abzuhalten. Nur diesen Kreisen ist es zu verdanken, daß das deutsche Volk noch imstande sein wird, eines Tages wieder seine historische Mission zu erfüllen.

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