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Der Zwang zur Integration

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ischen Integration begrüßt werden. Daß er überhaupt zustande kommen konnte, ist seit den Tagen der Gründung der OEEC als eines der bedeutendsten gesamteuropäischen Ereignisse aufzufassen. Hierfür wird man um so mehr Bewunderung zollen müssen, als das Statut über den Gemeinsamen Markt tatsächlich Souveräni- tätsverluste für die Mitgliedsstaaten erforderte. Daß es nach den Ereignissen des zweiten Weltkrieges und unter Berücksichtigung der daraus resultierenden und noch immer zu beachtenden Ressentiments möglich war, die sechs westeuropäischen Staaten zu dieser wahrhaften Gemeinschaft zusammenzuführen, darf uns den Glauben an die Lebensfähigkeit eines freien Europa geben.

Das alles muß man in Rechnung stellen, wenn man nun an die Lösung der größten Schwierigkeit, die der Vertrag von Rom gebracht hat, herangeht: die vorläufige wirtschaftliche Zweiteilung des freien Europa. Da der Vertrag von Rom aus verschiedenen Gründen im wesentlichen auf seine sechs Gründungsstaaten beschränkt bleiben muß — die beabsichtigte Mitgliedschaft ein oder des anderen europäischen Randstaates ändert nichts Wesentliches an dieser Tatsache —, muß also auch eine Form gefunden werden, die es ermöglicht, alle jene Nachteile puszuschließen, denem įie übrigen freien euro-j jiäischen Staaten nuM jdįrth den römischen VerJ trag ausgesetzt sind.

Hier darf ein Wort des Vorwurfs nicht unterlassen werden. Daß der gesamteuropäischen Wirtschaft mit einer Diskriminierung der Handelsbeziehungen seitens der EWG nicht gedient ist, bedarf keines weiteren Beweises. Es wäre also die erste und vornehmste Aufgabe der EWG gewesen, von sich aus alles zu unternehmen, was geeignet ist, diese handelspolitische Diskriminierung zu vermeiden. Statt dessen hat der Präsident der Europäischen Wirtschaftskommission, Prof. Dr. Hallstein, einfach den Tatbestand einer Diskriminierung mit dem Hinweis darauf abgeleugnet, daß ja schließlich jeder europäische Staat dem Gemeinsamen Markt beitreten könnte, was aus den bekannten Gründen eben nicht möglich ist. Da Hallstein immer wieder die politischen Aspekte der EWG in den Vordergrund stellte, hat er diese sowieso schon kaum gegebene Beitrittsmöglichkeit anderer Staaten noch weiter erschwert. Dazu kamen die Schwierigkeiten der französischen Regierung in dieser Frage. Es ist also bis zur Stunde kein tatsächlicher Schritt der für den Gemeinsamen Markt Verantwortlichen erfolgt, um das Mit- und Nebeneinander von EWG und den übrigen OEEC-Staaten zu fördern.

So war es nur selbstverständlich, daß die Initiative zu dieser dringend notwendigen, Regelung schließlich nur noch von der anderen Seite kommen konnte. Die in Stockholm vorbereitete Kleine Freihandelszone wird kein Konkurrenzunternehmen zur EWG sein — unter einer solchen Bedingung könnte sich Oesterreich mit seiner mehr als SOprozentigen Ausfuhr in die Länder der EWG nicht beteiligen —, sondern sie wird nach den eindeutigen Erklärungen aller kommenden Vertragspartner hauptsächlich jenes Instrument sein, das auf Grund der bisherigen Entwicklung allein geeignet erscheint, eine Assoziierung mit der EWG zu erreichen. Im übrigen gilt auch für die Kleine Freihandelszone der größere wirtschaftspolitische Aspekt des Gemeinsamen Marktes, ein größerer Wirtschaftsraum zfa werden, .dem und Arbeits teilung ermöglicht jjirird.

Es gibt noch' eine Reihe weiterer Schritte, die die gesamteuropäische Integration fördern könnten. So erscheint die Ernennung offizieller Vertreter seitens der Länder der Kleinen Feihandelszone bei der Europäischen Wirtschaftskommission dringend erforderlich. Man wird ferner schon jetzt zweckmäßigerweise darangehen, gewisse Postulate des Vertrages von Rom- im innerstaatlichen Bereich der einzelnen Länder außerhalb der EWG zu verwirklichen. Hiezu gehört eine Abstimmung der sozialpolitischen Entwicklung, bestimmte Maßnahmen auf dem Gebiete des Geldwesens (allzu divergierende Bankraten sind auf die Dauer in einem integrierten Wirtschaftsraum unmöglich!), langsame Liberalisierung des Arbeitsmarktes und ähnliches mehr.

Alle diese Dinge sind unaufhaltsam, es sei denn, daß man der gesamteuropäischen Wirtschaft den Weg in die Zukunft verrammeln wollte. Freilich wird dieser Weg mühsam sein und noch manches Opfer auf allen Seiten erfordern; aber welche Erfolge konnten jemals ohne Opfer erzielt werden? Die Schwierigkeiten werden allerdings nicht nur auf internationaler Ebene bestehen, sondern besonders für Oesterreich auch auf innerpolitischem Gebiet zu suchen sein. Wenn es auch selbstverständlich ist, daß die Bundesregierung bei ihren Beschlüssen über die jeweilig notwendigen Schritte bei den Verhandlungen auf internationaler Ebene einheitlich vorgeht, so darf man sich dennoch keiner Täuschung darüber hingeben, daß die Auffassungen der beiden Regierungsparteien zum Problem der Integration auch immer übereinstimmen. Es soll hier nicht von dem geradezu unglaublichen Versuch gesprochen werden, die Probleme des Gemeinsamen Marktes parteipolitischer Programmatik unterzuordnen — ein Versuch, der schon an seiner eigenen Lächerlichkeit scheitern mußte —, sondern es muß hier auf die grundlegenden Unterschiede der Auffassungen über die Wirtschaftspolitik verwiesen werden, wie sie die sozialistisch-marxistischen Parteien von den christlichen und liberalen unterscheiden. Der programmatische Hang der Sozialisten zum Dirigismus, der den Sozialismus immer wieder in eine gefährliche Nähe zum Kommunismus bringt, droht der Integrationsentwicklung gefährlich zu werden, weil die dem größeren Wirtschaftsraum gemäße schärfere Konkurrenz auf den Märkten natürlich nur durch die Erfolge eines freien und freizügigen Wettbewerbes durchgestanden werden kann. Nur dann, wenn die Unternehmer so weit wie möglich von allen dirigistischen Einschränkungen befreit sind, Wörden sie äuch in der Lage Sein, die fcpn&tarėnz ihrpr’ ausländischen Kollegen durch- zustehön. So gesellen, enthält der Zwäng zur Integration auch den — erfreulichen — Zwang zu möglichst freizügigem Wirtschaften. Daß es hier gerade auf österreichischer Ebene noch manche harte Auseinandersetzung geben wird, braucht nicht weiter betont zu werden.

Die Integration wird also kommen! Würde es wider Erwarten nicht gelingen, sie nach den Grundsätzen der freien Demokratien durchzuführen, so wäre ein Schrumpfungsprozeß der europäischen Wirtschaft, an dessem Ende der Zusammenbruch stünde, unvermeidlich. Die politischen Folgen einer solchen Entwicklung aber lägen eindeutig auf der Hand. Es kann uns daher die Entscheidung, welchen Weg wir zu gehen haben, nicht schwerfallen!

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