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Die abgesplitterten Diozesen

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Was aber in den Augen der getrennten Ostkirchen diese Maßnahme noch weniger gewinnend machen muß, noch weniger geeignet, sie für eine Annäherung an Rom einzunehmen, ist gerade der Umstand, daß diese Rangerhebung unierten Kirchenfürsten zuteil wird. Denn die Überlegung, daß sie die den katholischen Orientalen erwiesene Ehrung mittelbar auch als eine Ehrung der getrennten Ostkirchen empfinden müßten und sich sagen sollten: Solche Ehre würde auch unseren Patriarchen erwiesen werden, wenn sie zur Gemeinschaft mit Rom zurückkehren wollten — diese Überlegung ist eine etwas simplifizierende und voreilige; sie übersieht nämlich einen.wesentlichan-Umstand; Die Patriarchen, denea diese Würde vec* liehen worden ist, sind nicht Oberhäupter von Patriarchaten, die als Ganzes zur Einheit mit Rom zurückgekehrt wären und geschlossen die Union mit Rom vollzogen hätten. Ihre Patriarchate sind vielmehr entweder dadurch entstanden, daß bei einer zwiespältigen Patriarchenwahl der eine der Kandidaten die Union mit Rom angenommen hat und von Rom in seiner Patriarchenwürde bestätigt wurde, der andere im Zustande der Trennung von Rom verblieben ist (und es besteht wohl kein Zweifel darüber, welchen von beiden die Getrennten als den legitimen Amtsnachfolger und Patriar-ebatsinhaber betrachten), oder es wurden (in einem bestimmten Falle wird dies behauptet) die Anhänger des einen der rivalisierenden Kandidaten erst dadurch in die Trennung von Rom abgedrängt, daß Rom den anderen in seiner Patriarchenwürde bestätigte. In einem anderen Falle hat Rom durch eine „aus der Fülle der apostolischen Gewalt des Nachfolgers des heiligen Petrus“ heraus vollzogene Neueinrichtung neben das bestehende getrennte Patriarchat ein neues uniertes Patriarchat gesetzt, diesen Akt aber doch zugleich als Wiedererrichtung des einst mit der römischen Kirche geeinten Patriarchats bezeichnet. In jedem dieser Fälle (die Maroniten ausgenommen) steht also dem. nach Ansicht der Getrennten, einzig berechtigten Amtsträger ein unierter Patriarch gegenüber, der von ihnen als Rivale des getrennten Patriarchen empfunden werden muß. Daß dieser Rivale mit einer hohen Würde der katholischen Kirohe ausgezeichnet wird, ist wohl wenig geeignet dazu, sie für die Wiederannäherung an Rom geneigter zu machen.

Noch komplizierter liegt die Sache dort, wo es sich, selbst von der ka-tholisch-unierten Seite betrachtet, nicht um ganze Patriarchate handelt, sondern um einzelne Bistümer oder um Gruppen von Bistümern, die mit Rom die Union geschlossen haben, wobei sie sich — so stellt sich für die Getrennten notwendigerweise der Sachverhalt dar — aus dem Verbände des Patriarchats lossagten, dem sie ihrer hierarchischen Tradition und ihrem Ritus nach angehörten. Solange die Patriarchate im Zustande der Trennung von Rom verharren, unterstehen diese unierten Diözesen unmittelbar dem Papst, und zwar nicht, weil sie einen Teil seines Patriarchats, des römischen, darstellen, sondern weil er, eben als Patriarch von Rom, und als Nachfolger des heiligen Petrus, eine über die Gesamtkirche sich erstreckende Amtsbefugnis hat und daher nach katholischer Auffassung diese Befugnis überall dort ausüben muß, wo der für das betreffende Gebiet ursprünglich zuständige Patriarchenstuhl sich von der Gemeinschaft mit Rom gelöst hat. Sollten aber einmal — in so femer Zukunft diese Wen-dwng auch 'liegen mag -~-.'<die Patriarchen . des Ostens die Geme,irvr schaff mit Rom wieder herstellen, so müßten diese Diözesen wieder unter die Jurisdiktion und in den Verband der Patriarchate zurückkehren, denen sie in der Vergangenheit vor der Trennung angehört haben.

Im konkreten Fall der unierten Ukrainer hieße das, daß sie wieder der „Metropolie von Moskau, Kiew und ganz Rußland“ beziehungsweise dem 1589 (also noch vor ihrer 1595 vollzogenen Union mit Rom) aus dieser Metropolie schon hervorgegangenen Patriarchat Moskau unterstellt würden. Daß unter den mit dem Kardinalsrang Ausgezeichneten auch der oberste ukrainische Kirchenfürst sich befindet, der kurz vorher mit der Verleihung des Titels eines „Großmetropoliten“ geehrt wurde, können die getrennten Ostchristen (sosehr auch sie ihn wegen seines an ein Martyrium heranreichenden Bekennertums verehren) doch nur als einen Versuch auffassen, für den Fall der Rückkehr des Patriarchats Moskau zur Gemeinschaft mit Rom ein Präjudiz zu schaffen, das, noch vor der Wiederherstellung der Einheit, die Loslösung der ukrainischen Bistümer vom Patriarchatsbereich von Moskau und die Errichtung eines eigenen ukrainischen Patriarchats ermöglicht. Diese Maßnahme wäre zwar.ganz in der Linie der Errichtung nationalstaatlicher Patriarchate im Balkan im Laufe der letzten Jahrzehnte gelegen — aber man weiß ja, wie zögernd die „alten Patriarchate“ sich in diese Entwicklung gefunden haben.

Man darf sich also nicht wundern, wenn diese Maßnahme, die auf den ersten Blick so viel Entgegenkommen gegen die Ostkirche zu bekunden scheint, aus den oben angeführten Gründen bei den von Rom getrennten Orientalen wenig Sympathie vorfindet, ja vielleicht sogar offene Mißbilligung erregen wird, und selbst bei den Unierten, die sich der traditionellen Bedeutung der Patriarchenwürde voll bewußt sind (wie etwa der melchitische Patriarch Maximos IV. Saigh), nicht ganz als Rangerhöhung empfunden werden sollte.

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