7086468-1994_16_04.jpg
Digital In Arbeit

Die Abrechnung erfolgt im Juni

19451960198020002020

Zwischen den Kommunalwahlen vom November/ Dezember und den Parlamentswahlen vom 28./29. März wurde das Schicksal der Democrazia Cristiana (DC) endgültig besiegelt.

19451960198020002020

Zwischen den Kommunalwahlen vom November/ Dezember und den Parlamentswahlen vom 28./29. März wurde das Schicksal der Democrazia Cristiana (DC) endgültig besiegelt.

Werbung
Werbung
Werbung

Mino Martinazzoli, letzter DC-Generalsekretär, der nach der Wahlniederlage vor vier Wochen unverzüglich zurücktrat, hatte freilich schon im Sommer des letzten Jahres nach Einberufung einer Generalversammlung der Partei die Neugründung und Umbenennung der DC in „Partita Popolare Italia-no" (PPI), das heißt Italienische Volkspartei, beschlossen - dadurch hoffend, den Verfall der alten DC aufhalten oder sie regenerieren zu können.

So wurde die PPI am 19. Jänner offiziell aus der Taufe gehoben - genau am 75. Jahrestag der Entstehung der ersten katholischen Volks-)artei, die der sizilianische Priester 3on Luigi Sturzo 1919 ins Leben gerufen hatte. Aus ihr erwuchs gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Democrazia Cristiana, wobei offenbar der Vatikan darauf einwirkte.

Martinazzolis Anknüpfung an Geschichte und Tradition des politischen Katholizismus in Italien erwies sich als pure Illusion. Noch am Tag der Konstituierung der neuen PPI spaltete sich eine zwanzigköpfige namhafte Dissidentengruppe unter lautstarken Polemiken ab und formierte sich zum „Centro Cristiana Democratic^" (CCD), zu einem Christdemokratischen Zentrum also, dem zumindest dem Namen nach noch ein Hauch der vorherigen einheitlichen Partei aufgetragen wurde. Im Wahlkampf gesellte es sich zum konservativen Lager. Andere Abweichler wanderten entweder zu den Martinazzoli: hinterließ nach Erfolglosigkeit eine zerrissene Parle! FOTO RHITER Progressisten oder zu Berlusconi ab.

Schon im Frühjahr 1993 aber war Mario Segni mitsamt einem Trupp Unzufriedener mit Eklat aus der DC ausgetreten. Und im April gewann Segni zusammen mit vielen Gleichgesinnten haushoch das von ihm duchgesetzte Referendum zur Einführung des Mehrheitswahlrechts: Über 80 Prozent der italienischen Wähler befürworteten es.

Dieser Volksentscheid trug zum Zusammenbruch der Democrazia Cristiana, die ein halbes Jahrhundert lang das Land mit wechselnden Koalitionen ununterbrochen beherrscht hatte, wesentlich bei. Insgesamt 14 politische Leiter - von De Gasperi über Fanfani, Moro bis Martinazzoli - hat die DC nach den oft stürmischen und bösartigen, auch ideologischen internen Richtungskämpfen in diesen 50 Jahren verschlissen. Eine etliche Weile vor dem Segni-Referendum waren es zwei „revolutionäre" Geschehnisse, ein historisch-internationales und ein inländisch-umwälzendes, die den Anfang vom Ende des DC-Regimes markierten: Der Fall der Berliner Mauer, dem der Untergang des Kommunismus folgte und demnach die DC der Dauerkonfrontation mit dem Kommunismus berkubte; und dank dem Eifer der Staatsanwaltschaften die Aufdeckung des Riesenkorruptionsnetzes, das vor allem die Christdemokraten und die mit ihnen liierten Sozialisten in der ganzen Stiefelhalbinsel installiert hatten.

Was danach kam, war das Absacken der politischen Mitte Italiens und in ihrem Zentrum das Trümmerfeld einer zersprungenen DC. Martinazzoli, dem die Aufgabe zugefallen war, den Heilprozeß in Gang zu setzen, geriet zudem in den Verdacht der Linkslastigkeit. Das alles zog die weitere verheerende Folge nach sich, daß bei den Märzwahlen die PPI es lediglich auf 33 Mandate in der Kammer und auf 31 im Senat brachte. Noch schlimmer erging es dem inzwischen von Segni erstellten Pakt für Italien mit 13 beziehungsweise vier Sitzen.

In der Kammer kam außerdem eine teilweise aus ehemaligen DClern gebildete, sich Zentrumsunion nennende Splitterfraktion auf klägliche vier Stimmen. Zum Vergleich: bei den vorletzten Parlamentswahlen von 1992 erreichte die damals noch geschlossene Democrazia Cristiana in der Kammer 234 von insgesamt 630 und im Senat 125 von insgesamt 315 Sitzen.

Seit der Demission Martinazzolis wird die PPI von ihrer Ehrenpräsidentin Rosa Russo Jervolino ge eitet. Sie ist vor einigen Tagen mit dem Kardinal-Vikar Camillo Ruini in Konflikt geraten. Denn der Stellvertreter des Papstes für die Diözese Rom erteilte, nachdem er im Wahlkampf vergebens die Notwendigkeit der politischen Einheit der italienischen Katholiken gepredigt hatte, in seinem Diözesanb att Berlusconi ein indirektes, aber klares Lob, was die Jervolino zutiefst verärgerte.

Währenddessen zanken sich um den zukünftigen Kurs der Volkspartei der Vertreter des rechten Flügels Roberto Formigoni und die Exponentin des linken Lagers Rosi Bindi. Die eigentliche Abrechnung innerhalb der PPI erwartet man auf dem für Ende Juni anberaumten ersten Parteitag der neuen katholischen Gruppierung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung