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Die Attacke verschlafen

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Dem Bundesparteivorstand der Volkspartei überbrachte Parteiobmann Withalm die Nachricht, daß Dr. Kreisky an die ÖVP mit dem Ersuchen herangetreten sei, Gespräche über die Bundesheerreform mit dem Ziel aufzunehmen, die Sicherung der Einsatzfähigkeit des Bundesheeres zu gewährleisten. Das ÖVP-Gremium erklärte, daß die Volkspartei in dieser Frage gesprächsbereit sei, sobald die entsprechenden Vorschläge von der Regierung Kreisky vorgelegt würden.

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Dem Bundesparteivorstand der Volkspartei überbrachte Parteiobmann Withalm die Nachricht, daß Dr. Kreisky an die ÖVP mit dem Ersuchen herangetreten sei, Gespräche über die Bundesheerreform mit dem Ziel aufzunehmen, die Sicherung der Einsatzfähigkeit des Bundesheeres zu gewährleisten. Das ÖVP-Gremium erklärte, daß die Volkspartei in dieser Frage gesprächsbereit sei, sobald die entsprechenden Vorschläge von der Regierung Kreisky vorgelegt würden.

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Für eine Partei, die sich allerorten als „staatstragend“ bezeichnet, ist diese Antwort auf Dr. Kreiskys Einladung dürftig. Zu dürftig, müßte man eigentlich sagen. Aber sie spiegelt das wider, was die Haltung der Volkspartei in dieser Frage ausmacht: Resignation. Man ist sich in der Kärtnerstraße wohl bewußt, daß die Bundesheerpolitik des sozialistischen Regierungschefs der einzige Punkt ist, in dem er bereits verwundbar zu sein scheint. Man konnte sich aber bislang nicht zur erwarteten Attacke entschließen, weil es innerparteilich noch zu keiner Meinungsflndung und -bildung gekommen ist. Man hat eben verschlafen Und nicht attackiert.

Das merkte auch das ÖVP-Fußvolk und urgiert eine „klare Haltung“ der Partei in der Bundesheerfrage. Der Arbeitskreis „Jugend“ des im Oktober über die Bühne gegangenen Mitarbeiterkongresses wünschte, daß die Partei endlich einmal ihren Bundes-heerstandpunkt fixieren möge. Bei der Plenarabstimmung unterstützten 89,8 Prozent der Mitarbeiter diesen Antrag und hofften — wenn Wit-halims und Schleinzers Beteuerungen, alle Anträge würden berücksichtigt werden, stimmen —, daß lieber heute als morgen eine Entscheidung fällt. Doch auch das Gezeter des Fußvolks scheint einstweilen vergeblich zu sein. Außer den Vorschlägen der „jungen ÖVP“ gibt es nämlich nichts, woran sich die Parteispitze orientieren könnte. Auf der einen Seite wissen Withalm und die Seinen, daß die Verkürzung der Wehrdienstzeit, wie sie Dr. Kreisky propagiert, publikumswirksam und stimmenforingend ist — und mehr Wählerstimmen könnte man bei den nächsten Wahlen ja wieder brauchen —, auf der anderen Seite trägt man die Hypothek der Verantwortung der Verteidigungspolitik unter ÖVP-Ministern, wo es auch nicht so gelaufen ist, wie es sollte.

Da steht auch der ÖVP-Arbeitsaus-schuß für Landesverteidigung mehr oder minder ratlos da: Der Vorsitzende des Arbeitsausschusses, der steirische Abgeordnete Tödling, hat in letzter Zeit öfters darüber ein Klagelied gesungen. Er, der in der Bundesheerreformkommission ÖVP-Sprecher war, ist selbst über die „Entschlußfreudigkeit“ der ÖVP-Spitze am meisten enttäuscht. Gesprächsweise ließ er sogar fallen, daß er, sollte es nicht eine klare Linie geben oder sich eine solche herauskristallisieren, sein Amt zur Verfügung stellen wird. Wie aber dann die Bundesheerpolitik in der Öffentlichkeit dastehen würde, ist allen klar: ihm ebenso wie der Parteiführung. Deshalb wurde Tödling mit Zusagen vom einen auf das andere Mal vertröstet.

Bundeskanzler Kreisky nützt die Meinungslosigkeit der Volkspartei aus, wo er nur kann: „Ich bin sehr gespannt, ob unser Vorschlag im Parlament (die Wehrgesetznovelle zur Dienstzeitverkürzung) eine Mehrheit finden wird. Sie können glauben daß ich eine Ablehnung ein bißchen einkalkuliert habe. Vor allem werden wir sehr genau darauf achten, wie sich die bäuerlichen Abgeordneten verhalten — und dann vor ihren Wählern verantworten werden.“ Der Regierungschef ließ aber auch verlauten, daß die Wehrdienstzeitverkürzung für ihn die Frage von „Sein oder Nichtsein“ ist. Vielleicht sollte die ÖVP sich doch ernstlich auf ihren Mitarbeiterkongreß besinnen, auf dem auch der Wunsch nach „Beendigung der permanenten Reform“ gefallen ist. Noch in diesem Jahr hat die nunmehr rotmonochrome Regierung ihre Entscheidung zu treffen und noch in diesem Jahr hat die Volkspartei die Karten auf den Tisch zu legen, von denen man bis heute nicht weiß, wie sie aussehen werden. Mehr als ein halbes Jahr hatte die Volkspartei Zeit, ihre Meinung zu formulieren, und in diesem halben Jahr ist ihr dies nicht gelungen. Man kann gespannt sein, ob es nun in größter Eile und unter größtem Druck gelingt. Das As, das Wählerstimmen bringt, muß aber nicht die Karte sein, die der österreichischen Sicherheit auf weite Sicht dient.

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