6543570-1947_02_04.jpg
Digital In Arbeit

Die Auffassung des Ausland-Slowakentums

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Stärke des slowakischen Partners in diesem Streite ist sein Rückhalt an dem wohlorganisierten slowakischen Volkstum in den Vereinigten Staaten, das in der großen Mehrheit der „Slowakischen Liga von Amerika“ und der „Katholischen Slowakischen Föderation“ zusammengefaßt ist und über eine tüchtige Presse verfügt, unter anderem die „Slovenska Obrana“ und die schon seit 56 Jahren bestehende „Jednota“. Diese Presse hat sich jetzt mit leidenschaftlicher Entschiedenheit auf die Seite des angeklagten gewesenen Staatspräsidenten gestellt. In ihrer Nummer vom 18. Dezember sdirieb „Jednota“: j

„Wir Amerikaner slowakischer Herkunft können nicht gleichgültig bleiben, weil wir fühlen, daß mit Tiso die slowakische Nation vor Gericht gezogen ist. Die Slowaken hier und anderwärts haben immer von einer freien Slowakei geträumt. Sie dachten und glaubten

ehrlich, daß ihre Träume 1918 erfüllt würden, als sie Masaryk und Benesdi halfen die Republik der Tschechoslowakei aufzurichten. Sie wurden schwer getäuscht. Dr. Benesch sagte, es gebe keine slowakische Nation und die slowakische Sprache sei nur ein Dialekt der tschechischen. Diese antislowakische Politik madien wir dafür verantwortlich, daß heute die Slowaken weiter von den Tschechen weggetrieben sind, als je zuvor in ihrer Geschichte. Am 14. März 1939 proklamierte das Slowakische Parlament die Slowakei als unabhängigen Staat. Die Staatsmänner der Welt versuchten damals noch Frieden um jeden Preis zu halten. Die Slowaken würden vorgezogen haben, ihre Unabhängigkeit, ihre Autonomie von den Alliierten und nicht von den Nazis zu erhalten. Aber sie hatten keine Wahl. Die Nazis mit Hitler waren in jenen schicksalschweren Tagen hoch zu Roß; ganz Europa lag damals auf Gnade und Ungnade vor ihnen. So stimmte das slowakische Parlament bei der dritten Abstimmung für eine unabhängige Slowakei, weil es nicht danach verlangte, gänzlich unterzugehen oder zwischen Deutsdien, Magyaren und Polen parzelliert zu werden. Joseph Tiso, der Führer der größten politischen Partei, ein katholischer Geistlicher vor untadeligem Charakter, wurde durch das Parlament zum ersten Präsidenten der Slowakischen Republik gewählt. Der Staat wurde durch England, Rußland, Deutschland, Frankreich, dem Vatikan und ungefähr zwanzig anderen Staaten anerkannt. Der Krieg war noch sechs Monate weit weg. Dr. Benesch hatte als Präsident der Tschechoslowakei resigniert und war geflohen; die tschechoslowakische Armee war aufgelöst und die Tschechoslowakei hatte tat-sädilich aufgehört zu existieren.“

Diese Sätze gipfeln in der Erklärung, die

überwältigende Mehrheit des Slowakentums „here and abroad'' glaube fest an die vollständige Unschuld Tisos und protestiere gegen seine Verfolgung; er sei es gewesen, der die slowakische Nation vor ihrer Vernichtung gerettet- unter ihm habe sich da slowakische Volk eines volleren nationalen Lebens wie je unter einer Regierung erfreut, er habe alles getan, eine Nazifizierung der Slowakei zu verhindern- er sei geredit und tolerant auch gegen seine Widersacher- zumal die Kommunisten gewesen; unter ihm sei nicht eine einzige Person hin-geriditet worden. Man könne Tiso in der Travestie eines Geridites verurteilen, aber das slowakische Volk werde ihn immer als den Retter der Slowakei, als den tapferen Verteidiger der heiligen Völkerrechte und den Führer der slowakischen Freiheit feiern.

Diese Äußerungen seien hier wiedergegeben, weil sie den Standpunkt einer gewiß sehr starken Zahl, wahrscheinlich der großen Mehrheit des slowakischen Volkes bezeichnen. Wenn es aber so ist, dann hat die Slowakei und der slowakische Nationalismus Aussicht, bei einer Verurteilung Tisos einen Märtyrer und Nationalheiligen zu bekommen. Nichts aber würde einer Hoffnung, den schweren Konflikt zwischen den beiden Nationen doch noch beizulegen, abträglicher sein, als eine solche Wendung. Der Konflikt droht für Jahre die neue Republik der Tschechoslowakei mit Unfrieden heimzusuchen. Ein Mittel dagegen könnte nur in einem raschen- großzügigen, chevaleresken Zugreifen gefunden werden Mit der Erledigung des Tiso-Prozesses entscheidet sich viel.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung