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Die Bedeutung der Inlandkohle

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Die gegenwärtige Energie- und Kohlenkrise erinnert sehr nachdrücklich an die besondere Bedeutung des heimischen Koh*-lenbergbaus. Da sein Wert nach dem ersten Weltkriege — zum Schaden der Allgemeinheit — nicht genug gewürdigt wurde, ist es vielleicht jetzt am Platze, über seine Rolle im Wirtschaftsleben und seine wechselnden Schicksale einige Worte zu sagen, um Fehler für die Zukunft zu verhindern.

Die Versorgung Österreichs mit festen mineralischen Brennstoffen hatte durch den Frieden von St.-Germain eine gründliche Wandlung erfahren; es waren alle Gebiete mit reichen Steinkohlenlagern den Nachfolgestaaten zugewiesen worden; die Republik. Österreich, fast ausschließlich auf die Einfuhr von Steinkohle angewiesen, war daher vott verschiedenen Gesichtspunkten aus dazu gedrängt, ihren Bedarf an diesem so wichtigen Brennstoff durch den Ausbau der Wasserkräfte,* den Aufschluß von Erdöllagerstätten und eine stärkere Heranziehung der inländischen Braunkohle herabzusetzen.

Alle drei Wege wurden mit Erfolg beschritten: der großzügige Ausbau der Wasserkräfte ist ebenso bekannt wie der rasche und erfolgreiche Aufschluß des Zistersdorfer Erdölreviers. Nur der teilweise Ersatz der ausländischen Steinkohle durch heimische Braunkohle stieß anfangs auf große Schwierigkeiten, obwohl auch hiefür die Voraussetzungen gegeben waren. Österreich verfügt ja über eine Reihe von zum Teil leistungsfähigen Braunkohlen-bergbauen, aus denen die verschiedensten Arten Braunkohle, vom holzähnlichen Lignit mit kaum 2000 Wärmeeinheiten bis zur hochwertigsten Glanzkohle von mehr als 5000 Wärmeeinheiten gefördert werden. Diese Bergbaue waren nach dem ersten Weltkriege anfangs voll beschäftigt, da auch damals ein großer Kohlenmangel herrschte. Die Nachfrage war so stürmisch, daß selbst alte Lager von Braunkohlenstaub, der im Laufe der Jahre als wert los und unverkäuflich auf die Halde gestürzt worden war, reißenden Absatz fanden. Diese Konjunktur dauerte nur wenige Jahre. Schon im Jahre 1924 traten unter dem Einfluß der immer mehr und immer billiger angebotenen Auslandkohle Absatzschwierigkeiten für Braunkohle auf. Die Verbraucher, die früher an der Beschaffenheit der Inlandkohle nichts auszusetzen hatten, vergaßen rasch die von ihr in Zeiten der Not geleistete Hilfe, fanden de jetzt für verschiedene Zwecke nicht verwendbar und wandten sich der zu Schleuder- (Export-) Preisen angebotenen Aut-landkohle zu. Vergeblich wurde ihnen von der Obersten Bergbehörde vorgehalten, daß die heimischen Kohlenbergbaue nicht nur aus Gründen der Devisenwirtschaft und zur Vermeidung eines Anstieges der Arbeitslosigkeit, sondern. auch als Reserve für Zeiten des Kohlenmangels im Betriebe erhalten werden müssen. Umsonst! Für diese Argumente fand die Oberste Bergbehörde fast nirgends Verständnis. Zu den wenigen EinsicKt-vollen gehörten nur die Monopot betriebe (Salinen und Tabak), in erster Linie aber die Gemeinde Wien, die stets beispielgebend der inländischen Kohle den unbedingten Vorzug gegeben und diese in ihren Betrieben soweit als nur irgend möglich verwendet hat.

Angesichts des sonst allgemein mangelnden Verständnisses für die Bedeutung der Inlandkohle, vermochte die Oberste Berg-1 behörde lange Zeit keine voll wirksam Maßnahme zum Schutze des. inländischen Kohlenbergbaus zu treffen; dies hatte znr Folge, daß seine Lage immer bedrohlicher wurde und endlich, Ende 1931, eine Stillegung der meisten Bergwerk wegen Absatzmangels unmittelbs* bevorstand. Erst da gelang es der Obersten Bergbehörde, die aus Kreisen der Kohlengroßverbraucher stammenden Widerstände zu brechen und die Verabschiedung des Brennstoffgesetzes durchzusetzen, das di Grundlage bot, die Verbraucher im Bedarfsfalle zum Bezug von Inlandkohle zu zwingen. Mittels der auf Grunde dieses Gesetzes erlassenen Brennstoffverordnungen wurde beim Bezug von Hausbrandkohle ein bestimmter Anteil an Inlandkohle vorgeschrieben. Ein ungefähr zu gleicher Zeit erlassenes Kohleneinfuhrverbot bildete die Handhabe, um die Einfuhr jener Kohlen, die durch inländische Brennstoffe ersetzbar waren, überhaupt zu sperren. Die Uberleitung der Verbraucher auf die Inlandkohle wurde .durch den Umbau der Feuerungsanlagen, insbesondere auch der Öfen und Herde, auf die Verwendung dieser Kohle wirksam gefördert. Die hervorragenden Fortschritte der Feuerungstechnik waren damals schon so weit gediehen, daß es überhaupt nicht mehr am Platze war, von „minderwertigen“ Kohlen zu sprechen, da auch sie in einer für ihre Verwendung geeigneten Industrieheizanlage mit dem gleichen Nutzeffekt wie Kohlen mit höherer Heizkraft verwendet werden können.

Das Zusammenwirken der geschilderten Maßnahmen hat nach anfänglichen vereinzelten Kämpfen in kurzer Zeit eine Sicherung des Absatzes der heimischen Kohle bewirkt, und zwar ohne irgendeine Belastung der Allgemeinheit und ohne Schädigung der Verbraucher. Der Absatz der Inlandkohle stieg rasch bis auf das erreichbar Maximum von mehr als drei Millionen Tonnen. So hatte ein behördlicher Eingriff unsere Kohlenbergbaue vor dem Zusammenbruch gerettet, wobei noch hervorgehoben werden muß, daß dies durch ganz originäre, in keinem anderen Staat ergriffene Maßnahmen bewerkstelligt worden ist.

Die Besetzung Österreichs im Jahre 1938 bildete einen neuen Wendepunkt in der Entwicklungsgeschichte unseres Kohlenbergbaues: im Rahmen des Deutschen Reiches'— des kohlenreichsten Staates Europas — hatten sie ihre Bedeutung verloren und sie genossen auch nicht mehr jene Fürsorge, deren sie sich früher erfreuten. Einige größere Bergbaue, die trotz ihrer geringen oder mangelnden Ertragsfähigkeit bisher im Betriebe erhalten worden waren, wurden eingestellt. Die noch in Ausbeutung stehenden Bergbaue werden daher nicht imstande sein, die früher erreichte Höchstleistung zu erbringen, was sich gerade gegenwärtig sehr nachteilig fühlbar macht.

Um so mehr wird es notwendig, unseren Braunkohlenbergbauen wieder wie vor 1938, die volle Unterstützung der Behörden — in erster Linie der wieder neuerstandenen Obersten Bergbehörde — an-gedeihen zu lassen, wirtschaftlich schwache Betriebe zu stützen und womöglich auf die Eröffnung neuer Betriebe hinzuwirken, damit der heimische Kohlenbergbau der Bedeutung gerecht werde, die ihm in unserem zu sparsamer Wirtschaft und möglichster wirtschaftlicher Unabhängigkeit verpflichteten Lande zukommt.

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