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Die bewährte alte Garnitu

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Der dritte „Neue“ scheint im Wahlkreis Graz und Umgebung auf: Hermann Fritz, 5 9 j ähriger Schlosser-meister und mgiles Mitglieds, des Grazer Gemeinderates. Mit . diesersKan-didätüi“ häT' sich der Wirtschaftsbund erfolgreich der Bestrebungen erwehrt, den 45jährigen Primär Dr. Gerd Ste-pantschitz als Wirtschaftsbündler in den Nationalrat zu bringen. Ste-pantschitz, der als Grazer Stadtparteiobmann und Landtagsabgeordneter politisch sehr regsam ist, hätte aller Voraussicht nach im Parlament keine schlechte Figur gemacht.

Im Wahlkreis Mittel- und Untersteiermark bleibt dem Nationalrat die bewährte, alte Garnitur erhalten: Doktor Alfons Gorbach, Bauernbund-direktor Dr. Karl Schwer, Barthold S t ü r g k h und Dr. Theodor P i f f 1. Im Wahlkreis Oststeier änderte sich ebenfalls nichts: Dr. G o r b a c h, Josef Wallner, Othmar Tödling, Anton Weidinger und Adolf H a r w a 1 i k sind dort die Kandidaten.

Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Reformgedanken Krainers in der Wiener ÖVP-Zentrale wenig Begeisterung ausgelöst haben. Auch der Stei-rer Gorbach kann als Bundeskanzler nicht so handeln, wie er als „Reformer“, ohne die Last seiner Kanzlerwürde, gesprochen hat. Anderseits wird der steirische Landeshauptmann nichts unternehmen, was die Position seines Landsmannes in Wien gefährden könnte. Es wird daher vielfach als letzter geschickter Schachzug Raabs bezeichnet, daß er den recht konzilianten Gorbach als seinen Nachfolger vorschlug, um den „wilden Steirern“ den Hahn abzudrehen.

Bedauerlich ist nur, daß-von wenigen Ansätzen abgesehen — die Reform in einer „Öffnung nach rechts“ steckengeblieben ist. Die unbestreitbaren Gefahren dieser Öffnung wurden von der gegenwärtigen Führung der Volkspartei vielleicht unterschätzt, von den Gegnern aber dämonisiert — und damit kamen auch sämtliche anderen Anliegen der Reformbewegung in Mißkredit. Schuld daran ist sicher auch die „steirische Art“, die gute Ideen zu einer eigenständigen steirischen Ideologie aufplustert und mit einem Pathos propagiert, das. sektiererhaft anmutet. Zur Eröffnung des 15. Arbeitsjahres der Grazer Urania erklärte Krainer in einem Vortrag: „Staatspolitisch ist die Methode der Vorsicht und des Nichtstellungbeziehens der Tod jeder SelbstbestilTrmtttog uttd |e-nau- jrenes Element, in welchem Difyja-turen gedeihen!. Irgend jemand rluß schließlich bestimmen, was im Staat, was in der Gemeinschaft zu geschehen hat. Tut es der einzelne Staatsbürger nicht in Ausübung seines demokratischen Selbst- und Mitbestimmungsrechtes, hält er sich vorsichtig zurück, dann bestimmen eben einige wenige alles.“

Diese vernünftigen Worte büßen aber manches von ihrer Wirkung ein, wenn es dann weiter heißt: „Die Zukunft gehört der steirischen Methode, der Methode des eigenständigen Handelns, selbst auf die Gefahr hin, einmal einen Fehler zu machen.“

Warum „steirische Methode“? Ist eigenständiges Handeln denn so typisch steirisch? Oder wenn erklärt wird, daß „außersteirische Kräfte“ am Werk seien, die hart errungene österreichische Prosperität zu gefährden 1 Es wäre ja geradezu peinlich, wenn zum Beispiel der Vizekanzler ein Stei-rer wäre.

Der Landeshauptmann kann mit Recht darauf hinweisen, daß die steier-märkische Landesregierung auch ohne Koalitionsausschuß handlungsfähig ist, daß in dieser Landesregierung Mehrheitsentscheidungen möglich sind, und daß es in ihr eine fruchtbare Zusammenarbeit gibt. Aber das ist auch in Demokratien außerhalb der Steiermark eine gern geübte Praxis. Das ist überhaupt eine selbstverständliche Praxis der Demokratie. Darauf kann gar nicht oft genug hingewiesen werden. Wenn aber dann „denen in Wien“ gesagt wird: „Macht es mehr nach steirischer Art“, dann stellen sie die Haare auf, „die in Wien“. Und man kann es ihnen nicht einmal verargen. Es dürfte die ungeeignetste Methode sein, der Hypertrophie mancher politischen Kreise in Wien mit einem sendungsbewußten, fast missionärischen Eifer entgegenzutreten;'.'auch wenn man' Erzherzog Johann als . Zeugen anführen kann* >;der 9sich, bangeekelt-. von der „konformistischen Haltung des flexiblen Rückgrats am Wiener Hof“, in die Steiermark zurückzog und in seinem Tagebuch folgendes vermerkte: „Aus dem Gebirge entspringen die Wasser, die die Ebene beherrschen, dort ist noch der Menschheit Kern, von dort muß die Rettung kommen.“

Trotz der Divergenzen mit den Wienern ist aber die steirische ÖVP bemüht, im Wahlkampf die Einheit der Partei zu demonstrieren. Und es ist der Gesamtpartei sicher nützlich, wenn die Persönlichkeit Krainers in der Steiermark auch bei den Nationalratswahlen in den Vordergrund geschoben wird.

Auch die Sozialisten der Steiermark bleiben trotz fürsorglicher zentraler Aufsicht nicht ganz vom Signum der steirischen Eigenart verschont: So mußten Funktionäre zum Beispiel feststellen, daß Dr. Pittermann als Wahlredner zwar „ankommt“, daß vielen kleinen Genossen aber sein Wiener Dialekt nicht paßt.

Die sozialistische Führergarnitur hat die Schlappe bei den vorjährigen Landtagswahlen zum Anlaß genommen, ihren Funktionärskader auf Vordermann zu bringen. Das „Jahr der jungen Generation“ bot dann auch die Möglichkeit, sowohl im Landtag als auch in den Gemeinden alte, verdiente Kämpfer durch junge Leute zu ersetzen. Beim jüngst abgehaltenen Landesparteitag ließ sich Landesrat S e-b a s t i a n von seiner Funktion als Landesparteisekretär beurlauben und machte dem Landtagsabgeordneten Hans B a m m e r Platz. Dieser Wechsel war allerdings nur formell, da Bammer seit der Berufung Sebastians in die Landesregierung die Geschäfte des Parteisekretariats geführt hatte. Auch in den Nationalrat rücken die steirischen Sozialisten mit einer neuen Garnitur ein: Fünf Abgeordnete scheiden aus, die meisten von ihnen aus Altersgründen.

Überraschend wirkte die Aufstellung eines etwas farblosen Spitzenkandidaten in dem für die Sozialisten wichtigen Kohlengebiet der Weststeiermark: Bezirkssekretär Michael P a y ist ein biederer Mann des Apparats, der sich gut in das Mittelmaß unseres Nationalrates einfügen wird. Den Sozialisten fehlt es in der Weststeiermark einfach an Persönlichkeiten — und der wirkliche König dieses Gebiets, Bergarbeiterchef Z w a n z g e r, ist zu alt für eine Kandidatur und außerdem gesundheitlich schwer angeschlagen.

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