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Die Bibel am Fahrrad
Achtzehn Jahre mußte ich warten, bis sich mein Traum verwirklicht hat“, meinte unlängst Professor Bela Tarjanyi, Leiter des ungarischen Bibelwerkes. Als dann endlich die Möglichkeiten vorhanden waren, gab es kein Zögern mehr. Bereits im April 1990 wurde ein Bibelwerk in Budapest gegründet. Nach anfänglicher Skepsis ließ der Erfolg die Kritiker allmählich stiller werden. Beim Fühfjahresjubiläum zeigte sich die gesamtkirchliche Akzeptanz nicht nur im überfüllten Festsaal, sondern auch in der Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Bischofskonferenz. Regelmäßig finden verschiedene Seminarreihen statt, es gibt eine Buchhandlung und einen eigenen Verlag.
Den Traum, ein Bibelwerk zu gründen, hatte Tarjanyi schon seit 1972, als er zum ersten Mal zu einem Treffen der Bibelwerke Mitteleuropas eingeladen wurde. Damals waren die deutsch- und niederländischen Leiter daran interessiert, mit Exege-ten auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs in Kontakt zu kommen. Ausreisegenehmigungen waren zu bekommen: Die kommunistischen Machthaber hatten Interesse, Religionsfreiheit zu demonstrieren, und die Bibel war hinlänglich unverfänglich.
Dem ungarischen Bibelwerk folgten bald andere: Tschechien, Slowenien, Slowakei, Rumänien... Heute gibt es Bibelwerke in allen Beform-ländern, die mehrheitlich katholisch sind oder wo es eine große katholische Minderheit gibt. Bei den Gesprächen mit der Kirchenleitung ist im allgemeinen große Offenheit zu verspüren - trotz der Angst mancher vor negativen Einflüssen aus dem Westen. „Aber“, so meinte unlängst ein bekannter Repräsentant einer Minderheitskirche, „die Bibelwerke stehen in guter Tradition. Das erste wurde ja schon in Emmaus gegründet.“
Schwieriger ist die Arbeit in den ehemaligen sowjetischen Staaten. Die reguläre Ausbildung der Priester war lange Zeit fast überhaupt nicht möglich. Als die schlimmste Zeit vorbei war, gab es für viele Kandidaten nur einen zweijährigen Kurs. Der Mangel an gebildeten Theologen ist in allen ehemaligen Sowjetstaaten spürbar, auch wenn es meist einige Rückkehrer aus dem westeuropäischen oder amerikanischen Exil gibt, die verantwortungsvolle Positionen in der Kirche übernommen haben.
Oft werden sie von der Bevölkerung mit einer gewissen Skepsis betrachtet (Wo waren sie in der Verfolgungszeit?), zugleich ist allen bewußt, daß ihre Arbeit gegenwärtig unersetzbar ist. Die Leute, die im Untergrund wirkten, haben oft keinerlei organisatorische Erfahrung, bringen aber meist tiefe Spiritualität ein. Für die ehemalige Sowjetunion scheint es unvermeidbar, daß auch in Zukunft noch viel Hilfe zur Bibelarbeit geleistet wird. In den Beformländern geschieht dies schon zum Großteil aus eigenen Kräften.Ein erster Schwerpunkt nach 1989 war, den Bedarf nach Textausgaben der Heiligen Schrift zu decken. Gemeinsam mit mehreren größeren Einrichtungen, die dasselbe Ziel verfolgten, konnte die Versorgung mit Bibeln inzwischen weitgehend sichergestellt werden. Das Engagement dafür war oft beeindruckend: „Notfalls holen wir die Bibel im Bucksack und mit dem Fahrrad über die Grenze“, meinte vor drei Jahren ein Bischof in einem Land, in dem zu der Zeit Importe schwierig waren. Heute ist das auch dort leichter. In vielen Ländern scheint es aber nach wie vor notwendig, den Preis für Bibeln zu subventionieren, da die Bibel oft unerschwinglich ist. Zuletzt war dies für lettland, die Ukraine, Ungarn, Rumänien und Bosnien möglich.
Ebenso wichtig waren aber Multiplikatorenveranstaltungen, das heißt Kurse für Bibelgruppenleiter und Religionslehrer. 1992/93 wurden zwei gehalten, inzwischen fast nur noch in den Landessprachen, die Referenten kommen fast alle aus dem eigenen Land. Daneben gibt es auch Referentenaustausch zwischen den Ländern. Zu den über zweihundert Projekten, die zur Förderung der Bibeiarbeit in den Reformländern von Osterreich aus durchgeführt werden, zählt auch die Mithilfe zur Gründung von vier Zeitschriften, darunter eine Kirchenzei-I tung für die makedonisch-katholische Kirche. Dazu kamen mehrere Projekte zur Bibelübersetzung: Die ungarische Kaldibibel, die polnische Paulinerbibel und eine Ubersetzung für die Kalmücken, ein buddhistischer Stamm in Südrußland.
Die Mittel dafür kommen fast zur Gänze von Spenden. Die Administrationskosten werden von den Bibel-werken getragen. Damit ist eine adäquate Verwendung der Spenden sichergestellt. Hilfe konnte auch aus den Erträgen der Kardinal-König-Medaille geleistet werden. Als Kardinal Franz König seine Zustimmung gab, die Medaille mit seinem Portrait prägen zu lassen, meinte er nach anfänglichen Bedenken, daß die Bibelarbeit für die Reformländer eine wichtige Aufgabe sei: „Diese Sache ist so wichtig, daß es sich lohnt, sich ganz dafür einzusetzen.“
Der Autor ist im Österreichischen Katholischen Bi-helwerk für die Mittel- und Osteuropaarbeit zuständig.
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