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Die burgenländische Handelskammer, ein Faktor der gewerblichen Wirtschaft
Die glückliche Wende, die der Abschluß des Staatsvertrages und der endgültige Abzug der Besatzungstruppen für Oesterreich gebracht haben, bietet erstmalig Möglichkeit und Anlaß, einen Ueberblick darüber zu geben, welche schwere Last die burgenländische Wirtschaft während der zehnjährigen Besetzung zu tragen hatte.
Durch die Kriegshandlungen, die als erstes Österreichisches Gebiet unser Land betrafen, und die AVegnahme vieler Produktionsmittel, Lagervorräte und Verkehrseinrichtungen sowie durch das Wirken östlicher Restitutionskommis-sionen wurde der Wirtschaft ein kaum abschätzbarer Schaden zugefügt. Die Errichtung des Eisernen Vorhanges an der 385 Kilometer langen Ostgrenze brachte den früher ziemlich regen Dienstleistungsverkehr über die Grenze zum Erliegen und beschränkte die Wirkungsmöglichkeiten der grenznahen Verkehrsgewerbe. Durch etwa acht Jahre waren Transporte über die Zonengrenze, wie etwa die aus dem südlichen Landesteil in die Steiermark, wenn überhaupt, nur unter erschwerenden Umständen möglich. Den größten Schaden bedeutete es jedoch, daß 61.000 Hektar burgenländischer Boden (mehr als ein Fünftel der Gesamtnutzfläche) als fürstlich Esterhazysches Eigentum von der Besatzungsmacht beschlagnahmt und ohne Rücksicht auf die heimischen Interessen ausgebeutet wurden. Vor allem die Wälder, die 27.000 Hektar (44 Prozent) des Esterhäzyschen Besitzes umfaßten, wurden rücksichtslos abgeholzt, so daß bei einer flüchtigen Bestandsaufnahme Ueber-schlägerungen von rund 400.000 Festmeter festgestellt wurden. Der Gesamtschaden beziffert sich nur in diesem Falle auf mehr als 300 Millionen Schilling.
Daß unter diesen Umständen beim Aufbau der Wirtschaft die Privatinitiative vielfach nicht nur faktischen, sondern auch psychologischen Hemmungen unterlag, ist verständlich. Um so anerkennenswerter sind die Ansätze, die sich trotz allem gezeigt und der Verwirklichung zugestrebt haben. Hier konnte nun schon seit 1946, als sich einige Gewerbefunktionäre zu einem provisorischen Landesausscliuß zusammen-
nden, und noch mehr seit der Grüdung der Handelskammer im Jahre 1947 die Organisation der gewerblichen Wirtschaft infolge ihres stän-
digen Kontaktes mit den übrigen Ländern, Kammern und Behörden die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Entwicklung besser überblicken als der einzelne und der persönlichen Initiative Ziel geben, sie aufmuntern und leiten.
Gebot der Stunde ist es, die Kreditnot im Handel und Gewerbe, aber auch in den industriellen Betrieben zu beheben. Nur 0,2 Prozent industrielle ERP-Mittel sind bisher ins Land geflossen, nur 2 Prozent sind dem Fremdenverkehr und nur 1,7 Prozent der gesamtösterreichischen Summe an ERP-Klein- und Kleinstkrediten dem Gewerbe zugekommen. Die bisher ausgebliebenen Kreditausschüttungen müssen ehebaldigst nachgeholt und mit der Ansicht gebrochen werden, daß nur dem gegeben werden soll, der bereits etwas hat. Ohne ausgiebige Wirtschaftshilfe und Förderung der Unternehmerinitiative kann die burgenländische Wirtschaft den zeitgemäßen und von ihr geforderten Wiederaufbau nicht durchführen.
Diesbezüglich wird auf die riesigen Schilfbestände des Neusiedler Sees hingewiesen, auf die Wiederbelebung der alten Stoober Töpferkunst, die Erschließung weiterer Braunkohlenvorkommen, die Gewinnung von Talkum und Asbest und den Ausbau des Antimonbergbaues.
Auch der Fremdenverkehr, der heuer schon verheißungsvoll eingesetzt hat, soll und darf nicht vergessen werden. Der Neusiedler See mit dem Kranz seiner Obst- und Weinbaugemeinden stellt ein ideales Ziel für den Wiener Ausflugsverkehr dar, während das mittel- und südburgen-ländische Hügelland die Voraussetzungen dafür bietet, eine billige und rasch erreichbare Sommerfrische für jene Kreise zu werden, welche die Ruhe und den Reiz einer friedvollen Landschaft suchen. Für den Ausbau und die Modernisierung des Straßennetzes sowie für die Linienführung der Hauptverkehrslinien ist bereits viel getan worden; auch die Zahl der verfügbaren Betten konnte schon auf 2000 gesteigert werden. Es ist unser unablässiges Bestreben, diese Entwicklung weiterzuführen und fortzusetzen, doch müssen diese Bestrebungen durch Maßnahmen in steuerlicher, tariflicher und kreditpolitischer Hinsicht gefördert werden, so wie es auch in den wirtschaftlich schwachen Grenzgebieten anderer Länder (z. B. in Bayern und Niedersachsen) zielbewußt geschieht.
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