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Die dritte Flut

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Die ,Konzentrationsklöster“ sind nichts Neues, -wenigstens nicht in Böhmens Geschichte; sie wurden schon von den Hus-siten erfunden: während im übrigen Böhmen und Mähren Klöster und Stifte dem Erdboden gleichgemacht wurden, die Benediktinerklöst,er in Kladrau und Pöstel-berg, die Zisterzienserklöster von Gol-denkron wie von Ossegg, von Königssaal wie von Pomuk, das Prämonstra tenser-stift Seelau, wie das Dominikanerkloster in Klattau, die'Niederlassung der Mag-dalenitinnen in Brüx nicht anders als die der Augustinerchorherren auf dem Karlshof oder der Kreuzbrüder auf dem Zderas in Prag, während diese Klöster besetzt und niedergebrannt wurden, blieben die Frauenklöster in Prag — mit einer einzigen Ausnahme — zwar erhalten, die Nonnen selbst aber wurden im St.-Annen-Kloster konzentriert.

Und dreieinhalb Jahrhunderte später erlebte Prag ein ähnliches Schauspiel: den Reformen Kaiser Josephs fiel das älteste Kloster Böhmens, das der Benediktinerinnen bei St. Georg auf dem Prager Hradschin, zum Opfer, das gleiche Schicksal ereilte die Niederlassungen der Kar-meliterinnen, Dominikanerinnen und Coelestinerinnen, die nun in Altersheimen oder von der Auflösung verschonten Ordenshäusern ihren Lebensabend verbringen mußten; aufgehoben wurden die Klöster der Serviten und Trinitarier, der Cajetaner, der Paulaner, der Dominikaner und der Augustinereremiten — über'70 Kloster waren es allein in Böhmen, die der Aufhebung zum Opfer fielen, 60 Kirchen wurden allein in Prag profaniert und in Kasernen oder Magazine umgewandelt, oft überhaupt zum Abbruch freigegeben.

Beide Maßnahmen aber blieben nur stümperhafte Versuche, verglichen mit dem Schlag, den Kirchenminister Fier-linger jetzt gegen die Orden geführt hat: der Schauprozeß gegen zehn prominente Ordensgeistliche bildete hiezu die Einleitung und sollte die psychologische Voraussetzung für weitere Maßnahmen schaffen, die Evakuierung der Ordens-geistlichen aus ihren bisherigen Klöstern und ihre Konzentration in einigen wenigen Ordenshäusem war der Höhepunkt dieser Aktion. Nunmehr hat man den Schlußstrich gezogen.

Die Regierungskommission mit Ministerpräsident Zapotock an der Spitze, die von der Regierung mit der planmäßigen Unterbringung der Behörden, Anstalten und Unternehmungen“ beauftragt worden war, hat sich in ihren letzten Sitzungen mit der Frage der „künftigen zweckmäßigen Ausnützung einiger Klostergebäude“ befaßt und die ältesten und bedeutendsten Prager Klöster und Stifte profanen Zwecken zugeführt.

Das Prämonstratenserstift S t r a h o v, dessen beherrschende Lage über Prag seine Bedeutung in Jahrhunderten böhmischer Geschichte symbolisiert und das über eine der größten Bibliotheken des Landes verfügte, wurde nunmehr der „tschechischen katholischen Caritas“ — von der schon vor Jahresfrist Erzbischof Beran erklärt hat, daß sie ebensowenig katholisch ist wie die „Katholische Aktion“ — übergeben. Gleichfalls an diese sogenannte Caritas fiel das weiträumige Jesuiten-kloster in der Prager Neustadt. Die Nähe der Universitätsklinik war Anlaß, das Benediktinerkloster von Emaus, eine Gründuno Karls IV., der staatlichen Gesundheitsverwaltung zur Verfügung zu stellen.

Das einzige Kloster Prags, das den Hussitensturm heil überstanden hat, das von der seligen Agnes, der Premysliden-Tochter, gegründete Kloster der Kreuz.herren mit dem Roten Stern, fand diesmal keine Gnade mehr. Für .soziale Zwecke“ wurde das Re-demptoristenkloster auf der Kleinseite, das Dominikanerkloster bei St. Agidien, das Kloster der Augustinereremiten bei St. Thomas und andere“ — wie es vielsagend im amtlichen Bericht heißt — „freigegeben“; das Benediktinerkloster Brev-nov auf dem Weißen Berg ist dazu ausersehen, die Archive aller böhmischen Klöster aufzunehmen, sein zehn Hektar großer Garten wurde dem Kommunalbetrieb der Stadt Prag einverleibt.

Der tschechische Klerus hat es wahrhaftig nicht an weithin fühlbaren Versuchen nationaler Selbstbehauptung fehlen lassen. Abt Versich von Emaus hat, an die alte Tradition des „Slawenklosters“ Emaus anknüpfend, die Errichtung einer slawischen Kongregation des Benediktinerordens erreicht, an deren Spitze er selbst gestellt wurde. Abt Jarolimek von Strahov hat sich in den Umsturztagen des Jahres 1945 als Führer einer Kampfgruppe am Aufstand gegen die nationalsozialistischen Machthaber beteiligt, der Großmeister des Ritterlichen Kreuzherrnordens hat 1945 dem deutschen Ordensnachwuchs die Aufnahme gesperrt. Alles das ist heute vergessen. Alles das rettete sie nicht vor Verfolgung und Verhaftung, ihre Mitbrüder nicht vor der Vertreibung, ihre Klöster nicht vor der Beschlagnahme und Enteignung.

So hart aber auch der Schlag der kommunistischen Machthaber gegen die Klöster und Stifte war, gerade Böhmens Geschichte bietet tröstenden Ausblick: Wohl blieben nach Hussitensturm und Dreißigjährigem Krieg, nach der Jose-phinischen Ära und der Protektoratszeit Narben und Ruinen zurück: gemarterte Menschen, zerstörte Kulturschätze, vernichtete historische Denkmäler ... Am mystischen Leib der Kirche blieb keine Spur zurück.

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