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Digital In Arbeit

Die „eingeplante“ Verteuerung

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Es gibt offene und verdeckte Preiserhöhungen. Die versteckte, dem Käufer nicht offenkundige Steigerung von Preisen vollzieht sich derzeit vor allem auf dem Markt der Güter des periodischen Bedarfes; durch Verschlechterung der Qualität (Lebensdauer) von Waren bei gleichen Preisen und in der Weise, daß man die äußere Aufmachung einer Ware ändert, den Preis anhebt, jedoch die Qualität selbst unverändert läßt.

„Geplante- Obsoleszenz“

Die' VeHchlechterunff^der Qualität von Waren, insbesondere ihrer L e-bensdauer, ist nicht das Ergebnis eines schlampigen Arbeitseinsatzes, sondern wird weithin „eingeplant“*, ist also das Resultat überlegter technisch-unternehmerischer Dispositionen. Sinnigerweise verwendet man für die Methode einer bewußten Qualitätsverschlechterung den Fachausdruck „geplante Obsoleszenz“. In die Sprache des Kaufmannes übersetzt heißt das: Die Waren werden vorweg so hergestellt, daß sie bei normalem Gebrauch nicht allzulange halten. Tatsächlich zeigt sich, daß manche Waren von Serie zu Serie eine kürzere Gebrauchsdauer haben. Bei Verkauf eines Artikels kann sich der Verkäufer ausrechnen, wann sein Kunde wieder nachfragend auftritt. Und das geschieht in- immer kürzer werdenden Intervallen.

Die Nutzungsdauer eines Artikels kann im Interesse der „Absatzförderung“ auf verschiedene Art verringert werden, sei es durch Verwendung minderwertigen Materials, sei es in der Weise, daß man in die Kombination der Bestandteile einen Bestandteil einbaut, der eine relativ kurze Nutzungsdauer hat. Man denke an das Beispiel der Glühlampen, die gegen früher eine erheblich geringere Lebensdauer haben, und dies, obwohl sie hinsichtlich ihrer Qualität, in der doch auch die Brenndauer eingeschlossen sein muß, amtlich überprüft sein sollen.

Eine zweite Form der verdeckten Verteuerung wird in der Art vollzogen, daß eine Ware — bei gleicher Qualität — in eine andere Verpak-k u n g gesteckt und mit einem wirkungsvollen Werbeslogan versehen in die Welt gesetzt wird. Die Qualität wird gegenüber der alten Ware nicht geändert, wohl aber der Preis, . der höher angesetzt wird. Der höhere Preis soll eine bessere Qualität vortäuschen. Methodisch ähnlich geht man vor, wenn die bisherige Zusammensetzung der Ware eine unwesentliche Ergän-rung erfährt, sei es in Form einer belanglosen Zutat oder einer neuen Fnrhe. Die Zutat kann völlig sinnlos und trotzdem Anlnß sein, unter gleichzeitigen Werbeheteuerungen, eine Preiserhöhung zu motivieren.

Dagegen ist es durchaus legal, wenn ein Verkäufer versucht, „Unzufriedenheit“ zu verkaufen, in der Art, daß er den Wert einer Ware, die sich bei seinem Kunden noch in Gebrauch befindet, herabsetzt, um gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf eine neue Ware zu lenken. Ein erheblicher Teil der Werbung für Autos realisiert sich in dieser Richtung.

Warum erfolgt nun die weltweite und allmählich sozial wie ökonomisch bedenkliche Reduktion der Qualität von Waren, deren Anschaffungskosten das Haushaltsbudget oft beachtlich belasten? Dazu kommt noch, daß die amtlichen Stellen so gut wie nichts tun, um der Bewucherung, die in raffinierter Weise vollzogen wird, Einhalt zu gebieten. Selbstverständlich hängt die Bemühung von Unternehmungen, die Qualität und vor allem die Lebensdauer der von ihnen hergestellten Waren zu verringern, mit der Absicht zusammen, den Unternehmungserfolg bestens zu gestalten. Die Ursache liegt aber tiefer. Im Bereich der Erzeugung jener Geräte, deren Qualitätsverschlechterung ganz augenfällig ist, vollzieht sich nachdrücklich der Einbruch der Automation. Nun kann man aber die Ausstoßgrößen bei Automation nicht so einfach manipulieren, wie dies etwa der Handwerker hinsichtlich seiner Erzeugnisse vermag. Die kostspieligen Aggregate werfen nur dann eine angemessene Rendite ab, wenn sie voll ausgenutzt werden und so gut wie nie stillstehen. Wird die Nutzungsdauer eines US-amerikanischen Fernsehgerätes mit fünf und nicht mit drei Jahren „eingeplant“, kann dies dazu führen, daß die Aggregate zeitweilig (etwa einen halben Tag) nicht beschäftigt werden können. Der Stillstand führt nun zu Leer-

kosten, da die teuren Maschinenkombinationen auch dann Kosten verursachen, wenn sie nicht in Betrieb sind. Die Kosten der Amortisation, die sich oft in gigantischen Zahlen niederschlagen, fordern den alten Preis und mehr Absatz. Auf diese Weise bringt die Einführung neuer Fertigungstechniken wohl vielfach Arbeitszeitverkürzungen für die beteiligten Arbeitskräfte, aber auf der anderen Seite einen relativen Kostenanstieg, der vom Käufer getragen werden muß. Da man dem Käufer die offene Kostentragung nicht zumuten will, hat man den Umweg der verdeckten Qualitätsverschlechterung gewählt.

Die volkswirtschaftliche „Verschwendung“ durch systematische Qualitätsreduktion hat den Charakter eines fortgesetzten und von oben geduldeten Betruges an sachunkundigen Konsumenten. Anderseits müßte man sich fragen, was dann wäre, wenn die Gebrauchsgüter bis zur vollen mechanischen Abnutzung gebraucht würden, bei bestmöglicher Herstellung und Verwendung eines so gut wie „ewigen“ Materials? Denken wir an die Region der Bekleidung, an Autos, die nur nach völliger Unbrauchbarkeit weggegeben werden, oder daran, daß Möbel erst bei gänzlicher Unverwend-barkeit ersetzt werden! Käme es nicht zu einer völligen Verkümmerung des technischen Fortschrittes? Zu allem kommt, daß der Mensch nicht allein durch eine gezielte Werbung fasziniert, sondern aus seiner Natur heraus nicht durchweg eine allzulange Gebrauchsdauer eines Gegenstandes will, sondern den periodischen Wechsel begehrt. Nicht bei Glühlampen, deren stets gleichen Anblick man wohl durch Jahrzehnte „ertragen“

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