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Die Entscheidung

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„Dem Aufsichtsrat obliegt die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers (Generalintendanten).“ Rund um diesen knappen Satz des Rundfunkgesetzes drehte sich in den letzten Tagen ein verwirrendes Spiel von Spekulationen und Kombinationen, von Intrigen und Gegenintrigen, von Gerüchten, Verleumdlungen und Lobeshymnen, die fast das bei Regierungsumbildungen oder Operndirektorenstürzen übliche Ausmaß erreichten.

Daß der Auifsichtsrat frei von Einflüssen der Parteien und Interessengruppen, nach rein fachlichen Kriterien entscheiden kann, schloß schon sieine personelle Zusammensetzung — neun Vertreter der Bundesländer, fünf Vertreter der Kirchen, der Wissenschaft, der Kunst, der Volksbildung und des Sports, sechs Vertreter der Parteien und zwei Betriebsräte — aus; es grenzt auch an politische Utopie, vor allem, wenn man die langgeübten österreichischen Bräuche in Rechnung stellt. In diese langgehegten und liebgewordenen Bräuche eine Bresche zu schlagen war jedoch gerade der Zweck des Volksbegehrens, der über dem politischen Schachspiel der letzten Woche vergessen wird: die österreichischen Massenmedien, die in der ausgehenden Koalitions-ära zu einem Instrument willkürlicher Parteiintervention zu werden drohten, sollten aus der reinen Parteipolitik herausgenommen und ihrem ursprünglichen Zweck wieder zugeführt werden. Garantie der freien und objektiven Information und allgemeine Hebung dies Pro-grammniveauis waren die Hauptforderungen des Volksbegehrens.

Die unabhängigen Zeitungen, die mit ihrer Initiative vermutlich in die Geschichte der österreichischen Demokratie eingehen werden, hatten sich allerdings auch verpflichtet — in einer Erklärung des Exekutivkomitees vom 25. November 1966 —, bei der Realisierung dies Rundfunkgesetzes „keine Personalpolitik zu machen und nicht bei Entscheidungen mitzuwirken, die rechtlich allein dem Auifsichtsrat vorbehalten sind“. Einige der Unterzeichner scheinen den Wortlaut dieser Erklärung nicht mehr vor Augen zu haben. Daß Zeitungen ihre Leser über Kandidaten, besser über einen Kadidaten informieren, ist zwar ihr gutes Recht. Daß sie diesen Kandidaten aber unter dem Motte „Der oder keiner“ als den einzigen Kandidaten der parteiunabhängigen Presse präsentieren, dürfte ihre Kompetenz überschritten haben. In dem Verdacht, hinter der auffallend gleichlautenden Argumentation mancher Zeitungen könnte sich mehr verbergen als die zufällige Präferenz einzelner Chefredakteure — man hätte aus der langen Kandidatenliste, deren Veröffentlichung nicht ohne Heiterkeitseffekte ablief, schließlich noch vier oder fünf andere Namen als ernsthafte Anwärter nennen können —, schickten die Vertreter der fünf größten Bundesländerzeitungen ein Telegramm an den Bundeskanzler, worin sie demonstrativ den Beschluß des Exekutivkomitees wiederholten.

Innerhalb der Regierungspartei haben zwar die kleinen Funktionäre noch nicht den Schlag verdaut, daß es als Belohnung für den Wahlsieg diesmal keinen „schwarzen“ Direktor geben soll, die oberste Führung aber hat rechtzeitig erkannt, daß sie sich eine solche Haltung nach dem 6. März nicht mehr leisten kann, ohne ihre Mehrheit bei den nächsten Wahlen aufs Spiel zu setzen. Die SPÖ zeigt in dieser Frage Zurückhaltung — teils infolge der groben taktischen Fehler, die ihr in der Frage Volksbegehren unterliefen, teils aus Mangel an personellen Alternativen.

Der Schlachtruf „Bin Manager muß her“ hat zwar angesichts der augenblicklichen Situation bei Rundfunk und Femsehen einiges für sich. Die Reorganisation des Systems, die eine Entwirrung des derzeitigen personellen und programmatischen Chaos, eine Neuverteilung der Kompetenzen, eine umsichtigere Kontrolle und Koordinierung der einzelnen Programme, eine stärkere niveaumäßige Differenzierung und schließlich eine langfristige Planung puncto Technik, Finanzen, Personal umfassen müßte, erfordert zugegebenermaßen den „durchschlagskräftigen, enitscheidungsfreuidigen Mann“. Die Massenmedien sind jedoch nicht nur Kommerzbetriebe, Unternehmen, die nach den Grundsätzen moderner Betriebsführung zu verwalten sind, Sie stellen außerdem eines der wichtigsten Bildungsinsitrumente dar, das die Demokratie kennt. Dem Ausland gegenüber repräsentieren sie die Stimme Österreichs, seinies Geistes und seiner Kultur.

Das Rundfunkgesetz hat diesen wichtigen Funktionen Rechnung getragen, als im Paragraph 1 die Aufgaben von Rundfunk und Fernsehen erwähnt wurden:

• Verbreitung von Volks- und Jugendbildung

• Vermittlung und Förderung von Kunst und Wissenschaft

• Darbietung von einwandfreier Unterhaltung

• objektive Information, Stellungnahme und .sachliche Kritik am öffentlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben

• objektive Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Körperschaften

• Förderung des Interesses am Sport.

Diese Aufgaben erfordern über den organisatorischen Umbau hinaus ein geistiges Konzept, von dem bis jetzt noch nicht die Rede war. Es stehlt zu hoffen, daß der neue Generalintendant 'seine Vorstellungen zu diesem Punkt bald dler Öffentlichkeit bekommt gibt. Erst wann sowohl die Reorganisation als auch die neuen Laitlinlilen für das neue Programm reaflislterit sindi 'ist der Sinn des Volksbegehrens erfüilltt und das erste Experiment der direkten Demokraltie gellungen.

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