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Die formale Ausgestaltung ist offen

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Die Sommerpause ist vorbei. Die Mitglieder der Kommissionen finden sich wieder in Wien ein und werden zunächst einmal das Material sichten. Was aber in der Folge zu geschehen hat, ist noch weithin unklar. Denn die konkrete Ausformung der Diözesansynode wurde noch nicht festgelegt: höchstens in negativen Abgrenzungen: Die Synode soll weder bloß „Canones“ in Durchführ umgender Konzilsbeschlüsse festlegen, wie die Synode 1937 dies getan hat, noch soll sie sich in zwar hochgeistigen, aber letzten Endes in den Bücherregalen verstaubenden Arbeitskreisergebnissen erschöpfen. Was aber diann? Hinter der Unsicherheit über den formalen Ablauf der Synode steht der Wunsch, mit der Synode für den Bereich der Diözese jenen geistigen Aufbruch zu erzielen, der dem Konzil für den Bereich der Weltkirche — sowohl unter den befaßten Personen als auch in den publizistischen Mitteln — gelungen ist. Die Frage aber bleibt, wie kann diese geistige Bewegung erzielt werden?

Die Gläubigen mitreden lassen

Zunächst ist es sicher notwendig, daß sich die Mitglieder der Kommissionen, die sich aus Fachleuten und Funktionären zusammensetzen, mit dem Material des Konzils auseinandersetzen, und zwar nicht nur mit dem oft sehr knappen Text der Dekrete, sondern auch mit den Materialien, die diesen Dekreten zugrunde liegen, mit den Motiven dieser oder jener Formulierung. Dann aber wird es auch notwendig sein, eine Bestandsaufnahme der erforderlichen Änderungen in der Diözese beziehungsweise überhaupt eine Analyse der Situation der Kirche in der Diözese diurchzuführen. Soll es aber dann nicht nur bei bloßen, verstaubenden Arbeitskreisergebnissen bleiben, dann muß nach dieser Bestandsaufnahme eine möglichst weitgehende Konfrontation des Diözesanvoflkes mit den Ergebnissen erfolgen. Dies um so mehr, als die grundlegenden theologischen Gedanken des Konzils ja auch in der Bevölkerung noch viel au wenig verankert sind. Ja, noch etwas könnte zusätzlich durch diese Konfrontation des Diözesanvolkea mit dem Anliegen der Synode erreicht werden, man könnte nämlich noch eine Reihe von Anregungen erhalten, die in den Kommissionen nicht besprochen wurden und anderseits im Falle der Durchführung mancher Ergebnisse viel leichter die Zustimmung zu den Maßnahmen erreichen, wenn bei der Erstellung der Vorschläge nicht nur die Kommissionsmitglieder mitgewirkt haben.

Eine geistige Linie schaffen

Das Geheimnis des geistigen Erfolges und der weltweiten Wirkung des Konzils scheint aber nicht nur in der Güte der Vorschläge der

Konzilsteilnehimer und) der daraus geschaffenen Texte gelegen au sein, sondern) vor allem darin, daß es gelang, in der Aula von St. Peter im Gespräch der Bischöfe, manchmal auch iim Streitgespräch, die Meinung der Kirche sichtbar werden zu lassen. Ähnliches müßte auch auf diözesaner Ebene gelingen: das heißt ein Zusammentritt aller, die zur Synode einberufen wurden, soll nicht erst zu einer feierlichen Schlußsitzung erfolgen, sondern wie das Konzil die Texte irr einer Diskussion aller Bischöfe abgeklärt hat, sollen auch die Ergebnisse der Diözesansynode in mehreren Sitzungen aller Synodenmitglieder (damit

Durch den Abbruch der Floriani- kirche ist ein unersetzlicher städtebaulicher Wert verlorengegangen; einer jener Werte, die eine fähige Stadtplanung erhalten und zu neuen Wirkungen verwandeln müßte. Es ist aber kleinmütig und falsch, zu glauben, an dßr Stelle der Kirche müßte jetzt etwas anderes errichtet werden. Diese Ansicht („die Wiedner Hauptstraße verlangt etwas“) mag auch durch die seinerzeitige Argumentation mit Photomontagen (die Straße „mit“ und ,fihne“ Kirche) entstanden sein, welche aber nicht die Unerträglichkeit der leeren Straße, sondern bloß die Größe des Verlustes beweisen sollten.

Jetzt ist die Straße (unser Bild) eine von vielen, die sich an einer Steigung in einer leichten Kurve erweitern; ähnliche topographische Verhältnisse finden sich in Abschnitten der Landstraßer Hauptstraße, der Burggasse, der Ottaläringer- straße, ohne daß dort jemand nach einem „Wahrzeichen“ rufen würde.

Freilich: Für das „Wahrzeichen“ ist ein Wettbewerb ausgeschrieben und entschieden worden; die Pfarre wartet auf einen Glockenturm, den sind alle derzeitigen Mitglieder der Kommissionen gemeint, auch wenn das eine Abweichung vom CIC bedeutet) .festgelegt werden. Alle, die zur Mitarbeit an der Synode aufgerufen wurden, sollen in allen Fragen, die die Synode behandelt, mitreden können, nicht nur in . ihrer Kommission. Für solche „Generalkongregationen“, wie sie auch auf dem Konzil genannt wurden, wäre natürlich eine eigene Geschäftsordnung zu schaffen.

Was aber würde durch solche Generalkongragationen , erreicht? Nicht nur, daß die Synode eine geistige Linie gewänne, daß diese Generalversammlungen wirMich eine Repräsentation der Kirche in unserer Diözese wären, sondern damit erhielte die Synode auch die erforderliche Publizität: Wenn nicht die Weltpresse an den Sitzungen der Kongregationen in Rom so großen Anteil genommen hätte, wäre es niemals zu einer solchen Anteilnahme der Gläubigen am Geschehen des Konzils gekommen. Sicher war oft bloße Sensationslust das Motiv der Berichterstattung, aber dadurch konnten schließlich auch die Gedanken des Konzils propagiert werden. — Und das sollte nicht auch bei einer Diözesansynode möglich sein? Man darf sich nur nicht scheuen, auch Auseinandersetzungen an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Erst in der Auseinandersetzung ist auch jeder Gläubige als Leser einer Berichterstattung gezwungen, seinen eigenen Standpunkt zu festigen und zu reflektieren.

'Soll die Diözesansynode wirklich eine Übersetzung der Konzils- beschiüsse darstellen, muß sie auch die theologischen und geistigen Grundlagen des Konzils diskutieren, nicht um sie in Frage au stellen, sondern uim sie sich erst ganz zu eigen zu machen. In diesen Kongregationen aber muß es auch möglich sein, am aller Offenheit zu diskutieren. Auch auf dem Konzil wurde manche Meinung vertreten, die nicht genügend theologisch fun ihr die Gemeinde Wien solcherart gratis liefern würde; die Glocken dafür sind vorhanden — die ganze Angelegenheit brauchte nur den Amtsweg zu nehmen und keiner der Beteiligten brauchte noch ein schlechtes Gewissen zu haben. Wer jetzt den Standpunkt vertritt, das „Wahrzeichen“ solle nicht gebaut werden, hat es schwer, realistische Vorschläge zu machen.

Und doch ist dieser Standpunkt der einzig mögliche für jeden, dem die Ereignisse in dieser Affäre nicht den Blick getrübt haben. Die Gemeinde Wien hat den Abbruch der Kirche gewollt — sie hat keine Möglichkeit mehr, den Standpunkt zu wechseln. Die Pfavre und das Bauamt der Erzdiözese haben auf das Bauwerk verzichtet, weil die seelsorgliche Notwendigkeit nicht mehr gegeben war — nun, die seelsorgliche Notwendigkeit eines Geläutes in der Großstadt ist noch weniger zu begründen. Die Matzleinsdorfer Pfarre könnte eine der ersten sein, die ohne Glocken auskommen und einen Fortschritt dokumentieren könnte, der ohnehin nicht aufzuhalten ist — immer mehr junge Gläu diert war, aber das Endergebnis kam unter dem Beistand des Heiligen Geistes zustande. Aus der Pluralität der Meinungen entstand die Meinung der Kirche, die dann auch von allen akzeptiert wurde. Wäre nur von oben dekretiert worden, hätten sich wohl auch alle gebeugt, aber sie hätten innerlich abgeschaltet.

Ein Zeitplan

Fassen wir also die formalen Vorschläge zur Diözesansynode zusammen:

• Am Beginn der Arbeit stehen die Kommissionen: Sie erarbeiten ein Arbeitsprogramm, das die zu behandelnden Probleme zunächst umreißt. Dieses Programm soll publiziert werden, um die zusätzlichen Vorschläge aller Bevölkerungskreise eirizüholen. Das könnte etwa noch im Jahre 1966 geschehen.

• Auf Grund des Arbeitsprogrammes und der emgelangten Vorschläge erstellen die Kommissionen einen Text, der in einer ersten Generalkongregation besprochen wird.

• Es folgen dann abwechselnd Generalkongregationen und Kom- missionssitzungen, bis ein allgemein akzeptierter Text in einer Schlußsitzung 'dem Bischof vorgelegt werden kann, der ihn zum Gesetz erhebt.

• Dazwischen wird es notwendig sein, in einer großen Zahl von Vorträgen .— vornehmlich durch die Mitglieder der Synode — das Diöze- sanvoiik mit den jeweiligen Ergebnissen zu konfrontieren: Vorträge in allen Pfarren und Dekanaten, in den Biidungshäusern, in Schulen und auf den Universitäten, in den Interessenvertretungen und auch in den Parteien, soweit die einzelnen Fragen für sie relevant sind. Die gleiche Aufgabe der Publizierung der Ergebnisse hat die Presse, katholische und nichtkatholische, zu erfüllen.

Die Synode hat eben erst begonnen, alle formalen Fragen sind noch so offen, wie sie einst für das Konzil offen gewesen sind. Will man für den Bereich der Diözese den Erfolg erreichen, den das Konzil für die Weitkdrche hatte, dann wird es nicht zuletzt von der formalen Gestaltung der Synode abhängen.

bige finden Glocken in der Großstadt anachronistisch und würden bei Neubauten gerne auf sie verzichten. Das vorhandene Geläute könnte eine Pfarre an der Peripherie Wiens übernehmen. Die ersparten Kosten für das „Wahrzeichen“ könnte die Gemeinde der Kirche für andere Verhandlungen gutschreiben.

Das Wort „Schildbürgerstreich“ trifft in Fällen wie diesem nicht das Wesentliche, denn die Bürger von Schilda waren bloß naiv. Es lag aber nicht Naivität, sondern eine Unwahrhaftigkeit des politischen Stils darin, wie der Abbruch der Kirche mit unzureichenden Begründungen verteidigt, die Verantwortung dafür aber abgeschoben wurde — nun soll vollends dieser Akt des Vandalismus durch ein Denkmal sanktioniert, sollen einer schlecht informierten Bevölkerung mit drittklas- siger Architektur die Augen ausgewischt werden? Zum Zwecke einer Reinigung der Atmosphäre soll wenigstens jetzt Geschehenes geschehen — aber noch Ungeschehenes ungeschehen bleiben.

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