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Die Gefährlichkeit der Sprache

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Zwei aktuelle Buch Neuerscheinungen beschäftigen sich einmal mehr mit Jörg Haider und der „Neuen Rechten“.

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Zwei aktuelle Buch Neuerscheinungen beschäftigen sich einmal mehr mit Jörg Haider und der „Neuen Rechten“.

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Wolfgang Purtschellers Zweitwerk über „Die Ordnung, die sie meinen. ,Neue Rechte1 in Österreich“ (Picus Verlag, Wienl994; 216 Seiten; öS 198.-) erzeugt Betroffenheit und Irritation zugleich. Denn zum einen gelingt es Purtscheller samt Co-Autoren, die internationale Vernetzung des „neurechten“ Spektrums mit seinen Auswirkungen auf Österreich klar aufzuzeigen.

Neben beeindruckenden Beschreibungen wie über die sogenannte „Initiative Neue Linke“, die österreichische Tochterorganisation „IPM“ des schweizerischen „VPM“ sowie über die „ökologisch-spirituelle Erneuerung des Faschismus“ findet sich auch die auffallend häufige Nennung von Namen wie Günther Nenning, Andreas Mölzer, Friedrich Romig, Jörg Haider und Kurt Krenn. Zugleich offenbart sich in diesem Nachschlagewerk aber auch ein grundsätzliches Dilemma der politisierenden Autoren selbst: Denn das soziologisierende Kauderwelsch ähnelt weniger der rationalen Sprache der Aufklärung als der Diktion der von Purtscheller und Co aufs Korn genommenen Neu-Rechten. Problematisch wird diese oberflächliche Begriffsverwirrung besonders im Kapitel über „SS und Rosenkranz.

Völkischer Katholizismus“. Scheinbar willkürlich und affektiv werden Attribute wie „rechts“, „katholisch-fundamentalistisch“, „katholisch-reaktionär“, „katholischvölkisch“, „katholisch-konservativ“, „völkisch-katholisch“, „stock-konservativ“, „katholisch-national“ und „ultrakonservativ“ an Personen, Vereinigungen und Publikationen verteilt. Auch glauben die Autoren nachweisen zu können, daß die Geburtsstunde des „Schulterschlusses zwischen rechtsklerikalen und nationalen Kreisen“ im Jahr 1986 gelegen sein muß.

Denn während „Jörg Haider am Innsbrucker FPÖ-Parteitag zum neuen Parteiobmann gewählt wurde“, wurde im gleichen Jahr „in einer Nacht-und-Nebelaktion der Benediktinerpater Hans Hermann Groer zum Nachfolger des als liberal geltenden Kardinals Franz König als Erzbischof von Wien bestellt“. Und danach „ging es Schlag auf Schlag“, wollen die Autoren wissen. Während 1987 nur Kurt Krenn episkopale Würden erlangte, wurden 1989 die „ultrakonservativen“ Bischöfe Klaus Küng und- Georg Eder installiert. Wer allerdings so leichtfertig von „rechten“, „ultrakonservativen“ und „liberalen“ Bischöfen spricht, müßte zunächst erklären, worin der Unterschied zwischen „rechts“, „ultrakonservativ“ und „liberal“ eigentlich liegt’ .

Bedingt durch das erkenntnisleitende Interesse dürfte nicht nur hier den Autoren die Lust zur voreingenommenen Fremdetikettierung durchgegangen sein. Daß es daher auch „Klerikalfaschisten“ geben kann, darf nicht weiter verwundern. Purtschellers Zweitwerk - nach dem „Aufbruch der Völkischen. Das braune Netzwerk“ (FURCHE 31/1993) - leidet darunter, daß es die kritisierenswerten „neuen Rechten“ im Stile des Sprach-Radikalismen Jörg Haiders imitiert:

So wird allen Ernstes behauptet, daß die „Lufthoheit über die Stammtische“ von der SPÖ mit - wörtlich — „rassistischen Ausnahmegesetzen gegen ,Fremdstämmige1 verteidigt“ werde.

SCHLAGWORT HAIDER

Ausschließlich mit dem wohl bekanntesten „Neu-Rechten“ beschäftigt sich „Schlagwort Haider — Ein politisches Lexikon seiner Aussprüche von 1986 bis heute“ (Herausgegeben von Gudmund Tributsch; Falter Verlag; Wien 1994; 335 Seiten; öS 298,-). Der Großteil der Publikation, rund 270 Seiten, umfaßt die lexikale Auflistung der von Haider verwendeten „Reizworte“, der entsprechenden Zitate samt genauer Quellenangabe.

Darüber hinaus analysiert der Oldenburger Sprachwissenschaftler Franz Januschek die Rhetorik Jörg Haiders sowie die rhetorischen Fehler seiner politischen Gegner in der Debatte mit dem FPÖ-Obmann. Der Grundtenor seiner Analyse: Haiders Gegner lassen sich nur allzu oft die Inhalte und Stil der Auseinandersetzung von Haider aufzwingen. Janu- scheks Resümee: „Die sich über Haider empören, sollten auch über sich selbst nachdenken. Es könnte sonst sein, daß sie eines Morgens als seine Anhänger aufwachen.“

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