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Die gefallenen Engel

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Das seit sechs Jahren bestehende „Alpe Adria Cinema Festival” hat sich den Filmen aus Mittel- und Osteuropa verschrieben. Dies wird großzügig interpretiert, Werke aus Deutschland und Österreich kommen ins Programm.

Heuer lag der Schwerpunkt aber auf einer zweifachen Retrospektive. Unter dem Titel „Der verlorene Engel” wurde rund ein Dutzend DEFA-Filme der Zeit von 1957 bis 1991 gezeigt, sowie etwa ebensoviele Filme aus Albanien.

„Der verlorene Engel”, ein Film von Ralf Kirsten (1966), kann als Symbol gelten für das, was man in der DDR damals unter kultureller Freiheit verstand. Der deutlich antifaschistische Film schildert die schweren Demütigungen, denen der Bildhauer und Dichter Ernst Barlach im letzten Jahr seines Lebens (1937/38) ausgesetzt war. Sein berühmter Engel aus dem Dom von Güstrow wurde von den Nazis bei Nacht und Nebel gestohlen und nie mehr gefunden, auch nicht nach dem Krieg. Jedoch scheint der stille Protest Barlachs gegen den Nazi-Terror die DDR-Bonzen verschreckt zu haben (man hätte ja Parallelen entdecken können!) - der Film war fünf Jahre verboten und wurde nur 1971 in einigen Filmklubs gezeigt.

Noch schlimmer erging es Kurt Maetzig mit „Das Kaninchen bin ich”, der 1965 fertiggestellt wurde, aber sofort verschwand, um erst 1990 in den Verleih zu kommen. Es geht um die Studentin Maria Mor-zeck, die, weil ihr Bruder sich „subversiver Machenschaften gegenüber dem Staat” schuldig gemacht hat, als unzuverlässig abgestempelt wird. Nur die „Laufbahn” einer Kellnerin steht ihr noch offen. Maetzig wurde verdächtigt, „konterrevolutionäre Absichten” verfolgt zu haben. Dabei war er von der ersten Stunde an ein Pfeiler der DEFA, für die er 1947 „Ehe im Schatten” drehte, einen klassischen Film über den Antisemitismus in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg;

Roland Graf (geboren 1934) ist ein Repräsentant der „3. Generation” der Filmregisseure der DEFA. Drei Filme von ihm wurden in Triest aufgeführt: „Märkische Forschungen” (1982), „Fallada - Letztes Kauitel” (1988) und „Der Tangospieler” (1990). Hier kann man verfolgen, wie er sich mit jedem Film freier ausdrückt und immer offener gegen das Regime auftritt.

Kaum diskutabel ist „Die Legende von Paul und Paula” von Heiner Carow (1972). Wer vor 20 oder 30 Jahren die depressive Stimmung in der DDR gekannt hat, wird diese bitter-süße Love-Story als verlogenen Eskapismus empfinden. Die DDR, die uns da präsentiert wird, hat es genausowenig gegeben wie das idyllisch-fröhliche Deutschland so mancher UFA-Filme. Einige Berliner haben mir aber versichert, daß „Paul und Paula” einer der erfolgreichsten DEFA-Filme gewesen ist -fast ein Kultfilm, für den man damals, „in einer ziemlich liberalen Phase der DDR”, Schlange stand.

Aus den albanischen Filmen, die im AAC gezeigt wurden, kann man nur fragmentarische Schlüsse auf den Werdegang dieses nationalen Kinos ziehen. Wie der Regisseur Fat-mir Koci aus Tirana vor ein paar Monaten auf dem Festival von Cottbus erklärte, ist der albanische Film der jüngste Europas. Seine offizielle Geburt wird mit der Fertigstellung des abendfüllenden Films „Tana” (1958) angegeben. „Aber”, so Koci, „es gab am Anfang weder Tradition noch Freiheit.” Filme hatten ausschließlich eine „politisch-erzieherische Mission”, und die Themen waren sehr eingeschränkt: der nationale Befreiungskrieg, der sozialistische Aufbau, die Landwirtschaft, historische Geschehnisse, Familienprobleme.

„Geschichten aus der Vergangenheit” (Perralle nga kaluara) wurde 1987 von Dhimiter Anagnosti gedreht. Ohne etwas zu verschönern, schildert er das traurige Los eines jungen Mädchens, das gegen seinen Willen mit einem zwölfjährigen Buben verheiratet wird, damit die angeblich kranke Bäuerin eine billige Arbeitskraft bekommt. Anagnosti eroberte sich einen gewissen Freiraum und wurde nach der Absetzung von Ramiz Alias Kulturminister.

In den Studios von Tirana gelang es sogar, eine bescheidene Animati-onsfilmproduktion auf die Beine zu stellen. Einige davon wurden im Triester Festival als Beiprogramm aufgeführt.

Österreich war mit Andreas Grubers „Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen” vertreten sowie mit „Michelle” von Kurt Haspel und „Eine zerbrochene Zeit” von Franz L. Schmelzer (alle 1994).

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