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Die gegenwärtige Situation

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Wodurch ist nun die gegenwärtige religiöse und kirchliche Situation in der Tschechoslowakei gekennzeichnet?

1. Acht von zwölf Diözesen sind verwaist. Die Bischöfe sind gestorben, verhaftet, konfluiert oder sonstwie an der Ausübung ihres Amtes verhindert. Diese Diözesen werden durch Kapitelvikare geleitet, die auf Druck der Regierung und ausdrücklich gegen die Bestimmungen des Kirchenrechtes, also ungültig, gewählt wurden (siehe Can. 103, 166, 169).

2. Die griechisch-katholische Diözese in Presow wurde von der Regierung gegen jedes staatlich und kirchliche Recht zwangsweise aufgelöst.

3. Dort, wo es noch Bischöfe und bischöfliche Ämter gibt, genießen säe keine wirkliche Freizügigkeit. Die Schlüsselposition in den Ordinariaten nimmt ein vom Staat eingesetzter Beauftragter ein, oft ein Atheist und Kirchenfeind, der die oberste Kontrolle über die Diözese ausübt. Er kontrolliert die eingehende und auslaufende Post und damit auch die Kontakte zwischen Gläubigen, Priestern und Bischöfen.

4. Dieser in jeder Diözese amtierende Beauftragte des Kirchenamtes ist auch die oberste Instanz in allen PersonaMragen. Er allein entscheidet

über eine Versetzung des Priesters in eine andere Pfarre. Nicht die geringste öffentliche religiöse Funktion eines Bischofs oder eines Priesters darf ohne Bewilligung des staatlichen Kommissars vollzogen werden.

5. Die Priesterseminare sind der Leitung der Bischöfe entzogen. Als nach der Auflösung der Priesterseminare im Jahre 1950 zwei allgemeine Seminare errichtet wurden, eines in Leitmeritz, das andere in Preßburg, hatten die Bischöfe keine Möglichkeit, auf die Ernennung der Professoren und der Seminarleiter Einfluß zu nehmen. Die Priesterkandidaten werden nicht durch den Bischof, sondern durch eine staatliche Behörde aufgenommen. Es ist bewiesen, daß dabei insofern eine negative Auslese geübt wird, als man die frömmsten und leistungsfähigsten Kandidaten ohne Angabe von Gründen ausschließt. Die Zahl der Kandidaten wird von Seiten des Staates jedes Jahr neu festgesetzt, sie beträgt aber keinesfalls mehr als 25 pro Seminar. Da die Anzahl der Todesfälle unter dem Klerus die Zahl der jährlich Neugeweihten weit übersteigt, soll auf diese Weise ein langsames aber sicheres Aussterben der Kirche in der Tschechoslowakei erreicht werden.

6. Der Religionsunterricht in der Schule ist theoretisch erlaubt, aber nur theoretisch. Wer sein Kind zum Religionsunterricht anmelden will, muß nicht nur bürokratische „Schwierigkeiten“ aller Art überwinden, er muß sich auch im klarer sein, daß er damit sein berufliches Fortkommen, vor allem aber auch die Zukunft seines Kindes unter Umständen in Gefahr bringt. Wenn ein Bischof von der Kanzel aus die Eltern auffordern will, ihre Kinder unter Hinweis auf die entsprechenden staatlichen Gesetze zum Religionsunterricht anzumelden, so ward ihm eine solche Kanzelverkündigung vom staatlichen Kirchenamt untersagt. Auf der anderen Seite ist es den Priestern strenge verboten, außerhalb der Schule, also vor allem in den Kirchen, die Kinder religiös zu unterweisen.

7. Alle männlichen und weiblichen Orden wurden im Jahre 1950, in der Zeit des härtesten stalinistischen Kirchenkampfes, aufgelöst: diese Auflösung wurde bis heute nicht zurückgenommen. Man hat gar nicht versucht, für diese Auflösung eine Begründung zu geben. Die Ordensfrauen sind heute meist in Kollektivfarmen eingesetzt. Nur wenigen ist es erlaubt, bei unheilbaren Kranken als Krankenpflegerinnen Dienst zu tun.

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