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Die Idee von der Mega-Bank ist tot

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Große Banken teilen das Schicksal ihres Volkes, wie Hilmar Kopper, seit sechs Jahren Vorstandssprecher der Deutschen Bank, in einem bemerkenswerten Buch über die Geschichte dieser größten deutschen Universalbank schreibt. Ihre Entwicklung spiegelt 125 Jahre deutsche Wirtschafts- und Finanzgeschichte; vieles, was da an Grundsätzlichem über das Bankwesen steht, gilt allgemein für die Geldinstitute, auch in Osterreich.

Gegründet wurde die Deutsche Bank 1870, in der aufblühenden Gründerzeit, von einem Bankmann und einem liberalen Finanzpolitiker. Zu jener Zeit war in Teilen Deutschlands ein „Bankenfieber” zu verspüren. Es hatte sich in Osterreich schon früher angekündigt, wie die 1855 erfolgte Gründung der Credit-Anstalt zeigt. Man befand sich überdies in einer Epoche wachsenden Überseehandels und wollte die Außenhandelsfinanzierung nicht weiter über London gehen lassen. Aber nicht eine der Hansestädte wurde als Sitz der neuen Bank gewählt, sondern Berlin - aus politischen Gründen, die sich ein Jahr später, nach der Beichs-gründung, als sinnvoll erwiesen.

Die erste ganz große Finanzierungsaufgabe war die Bagdad-Bahn. Der Sultan wollte diese Eisenbahn (zunächst von Konstantinopel nach Ankara) zur wirschaftlichen Erschließung Anatoliens, mehr noch wohl aus militärischen Erwägungen, bauen lassen. Später plante man den Bau bis Bagdad, sogar nach Basra am persischen Golf; das Osmanische Reich umfaßte damals ganz Mesopotamien. Finanziell sollte das Projekt auf eine möglichst breite Grundlage gestellt werden, man wollte englisches und französisches Kapital einbeziehen, was aber schwierig war. Die Sorgen der Bank um eine rentable Abwicklung des Vorhabens sollten sich als berechtigt erweisen. Der Bau wurde durch den Ersten Weltkrieg stark behindert, die Türkei konnte ihre finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen. Nach Kriegsende wurden die

Strecken im Irak und in der Türkei enteignet und verstaatlicht. Das letzte Teilstück wurde erst 1942 fertig.

Daß nach 1914 die Deutsche Bank, wie alle Geldinstitute des Deutschen Reiches, in die Kriegsfinanzierung einbezogen wurde, versteht sich von selbst. Der Geschäftsbericht für 1919, das 50. Bestandsjahr, spricht schon von einer steigenden Inflation. Reparationen, üble Spekulationen (auch im Bankwesen) und vor allem die immer schneller galoppierende Inflation brachten der Bank schwere Jahre. Ende 1923 waren 4,2 Billionen Mark einen Dollar wert!

In den Jahren nach der Währungsstabilisierung hatte die Bank wieder Probleme vor allem mit Großkunden (Thyssen, Ufa, Daimler Benz): „Manches notleidende Engagement hätte vermieden werden können, wenn die Filialen etwas mehr auf die Ratschläge und Warnungen der Zentrale geachtet hätten.”

Geradezu spannend ist die Darstellung der deutschen und der internationalen Bankenkrise (in die auch der Zusammenbruch der Creditanstalt vom 12. Mai 1931 gehört) mit ihren Auswirkungen auf die öffentlichen Budgetdefizite und die Währungsprobleme - ein Kapitel, das manchem Finanzpolitiker von heute zur Lektüre zu empfehlen wäre.

Nach Hitlers Machtergreifung mußten erfahrene jüdische Direktoren ihre Posten aufgeben, wobei dann und wann vorauseilender Gehorsam der Bank im Spiele war. „Mit ihrer Beteiligung an der ,Arisierung' lud die Bank eine schwere Schuld auf sich”, heißt es über die Jahre von 1933 bis 1945. Ende 1938 erwarb die Deutsche Bank einen 25-Prozent-Anteil an der österreichischen CA, 1942 war sie sogar Mehrheitsaktionär - was freilich in der 100-Jahre-Festschrift der Creditanstalt von 1957 schamhaft übergangen wurde.

Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg brachten den führenden Köpfen der Bank, an ihrer Spitze der Bankier Hermann J. Abs, bis dahin unbekannte Aufgaben. Die Währungsreform von 1948 wäre ohne Marshall-Plan kaum möglich gewesen. Auf Weisung der Besatzungsmächte wurde die Bank 1952 in drei Firmen aufgespalten, doch konnten die Schwesterinstitute 1957 wieder zusammengeführt werden. Es folgte das „Wirtschaftswunder” mit seinen Chancen und Risiken für die Kreditwirtschaft.

Etwa seit den sechziger Jahren ließen Verflechtungen zwischen einzelnen Banken und auch mit Versicherungen, ferner die oft starken Industriebeteiligungen, das Depotstimmrecht, das sogenannte „Insider-Wissen” und andere Streitfragen die Diskussion über die Macht der Banken zeitweise auflodern. Daß Banken in Unternehmen, an denen sie maßgeblich beteiligt sind, sozusagen Stammplätze in Aufsichtsräten haben, dort meistens auch den Vorsitz führen, ist bei der Deutschen Bank besonders häufig anzutreffen, aber auch in

Österreich nicht unbekannt. Vor 20 Jahren saß Hermann Abs in fast zwei Dutzend Aufsichtsräten von NichtBanken, was der Meinung Nahrung gab, daß die damit verbundenen Aufgaben nicht mehr voll erfüllt werden konnten. Deshalb setzte man in Deutschland 1965 in der „Lex Abs” eine Höchstzahl von zehn Aufsichtsratsposten fest.

Dabei klang auch die Kritik mit, daß Aufsichtsratsmandate Macht verleihen. Dem hielt später der Vorstandssprecher Guth entgegen: „Sie sind Macht im Sinne des alten Sprichwortes ,Wissen ist Macht'... Der Aufsichtsrat wird zur Verantwortung gezogen, wenn er diese Macht nicht ausgeübt hat, um für einen Wechsel in der Führung zu sorgen.” Aus der österreichischen Wirtschaftsgeschichte wissen wir leider von Fällen (von der Länderbank bis zum Konsum), in denen dieser Einsicht nicht genügend Rechnung getragen wurde. Und voriges Jahr war die Deutsche Bank über ein Tochterinstitut vom Skandal des inzwischen verhafteten Immobilienspekulanten Schneider peinlich betroffen.

Die Integration der Weltwirtschaft macht es nötig, sich auf neue Herausforderungen im internationalen Geschäft einzustellen. „Jede Bank wird in Zukunft eine internationale Bank sein müssen, um zu überleben...” Was manches Risiko einschließt und Vorkehrungen erfordert, wie vor kurzem der Fall der englischen Barings-Bank zeigte. Die Vision, weltweit umfassend tätig, ein „global player” zu sein, hat man in Frankfurt, am heutigen Sitz der Deutschen Bank, bald fallengelassen. „Die Idee von der globalen Mega-Bank ist tot”, sagt Vorstandssprecher Kopper. Man stelle sich wegen der begrenzten Ressourcen auf drei große Regionen ein: Europa, Nordamerika, pazifischer Raum.

Das Buch ist gut lesbar und gewährt Einblick in die Entwicklung des Bankwesens.

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