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Die Judikatur des OGH

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Die Theorie vom „unwiderstehlichen Zwang“, die von der Formulierung des § 2 lit. g’StG nicht gedeckt ist, wurde in der Hauptverhandlung mit der Feststellung des Vorsitzenden zurückgewiesen: „Die Lebensrechte einer Volksgruppe sind kein notstandsfähiges Gut“ (zit. nach „Salzburger Nachrichten“ vom 12. Oktober 1965). Die Theorie von der Vorbereitungshandlung zum Hochverrat an Italien wurde ebenfalls zurückgewiesen und widerspricht auch eindeutig der Judikatur des Obersten Gerichtshofes. In seiner Entscheidung vom 2. Juli 1963 (ÖJZ, Nr. 96/1964) hatte der OGH festgestellt: „Verbrechen nach dem Sprengstoffgesetz... werden vom Verbrechen des Hochverrates nicht konsumiert. Der Schutz des Sprengstoffgesetzes erstreckt sich auch auf Angriffe gegen das Eigentum und gegen die der öffentlichen Versor gung dienenden Anlagen eines fremden Staates.“

Soweit der als feststehend zu betrachtende, weil von Burger grundsätzlich nicht bestrittene Sachverhalt, soweit die Rechtsansicht des OGH. Burger wurde in Graz, nachdem der Spruch der Geschwomen vom Schwurgerichtshof gern. § 334 StPO einstimmig wegen offensichtlichen Irrtums „in der Hauptsache“ ausgesetzt worden war, auf Grund eines Gerichtsbeschlusses gegen Gelöbnis enthaftet. Das Strafverfahren gegen ihn läuft weiter.

Burgers öffentliche Ankündigungen

Am 25. August 1966 gab Burger dem AP-Korrespondenten Hans Benedict ein Interview. „In diesem Interview kündigt Burger, der darin als ein prominentes Mitglied de® BAS bezeichnet wird, eine weitere Verschärfung der Untergrundtätigkeit durch BAS-Kommandos an, die erfolgen soll nach der GueriHa- taktik des zypriotischen Generals Georgios Grivas, des kubanischen Rebellenführers Ernesto Guevara und des chinesischen KP-Führers Mao Tse-tung“ (zit. nach der APA- Aussendung vom 25. August 1966). Burger kündigte also in aller Öffentlichkeit eine Verstärkung der Tätigkeit an, deretwegen gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden war, und die nach der Judikatur des OGH in Österreich als Verbrechen nach dem Sprengstoffgesetz strafbar ist. Daß Burgers Ankündigung nicht die Glaubwürdigkeit fehlt, ergibt sich wohl schon aus seinen früheren, von ihm selbst in Graz nicht bestrittenen Handlungen sowie aus der Tatsache, daß er — laut APA-Auesendung vom 25. August 1966 — als „befugt, namens des BAS Erklärungen abzugeben“, auftrat. Neben diesem AP- Interview existieren andere Erklärungen Burgers, die dieselben Aussagen beinhalten; so seine Erklärung im Deutschen Fernsehen.

Der Haftgrund der Wiederholungsund Ausführungsgefahr

Die Gründe für eine vorläufige Verwahrung und für eine Verhängung einer ordentlichen Untersuchungshaft sind in § 175, Abs. 1 StPO aufgezählt Hier heißt es:

§ 175 (1) Der Untersuchungsrichter kann... die Vorführung und vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen anordnen:...

4. Wenn besondere Umstände die Befürchtung rechtfertigen, daß der Beschuldigte die vollendete Tat wie- derholen oder eine versuchte oder angedrohte Tat ausführen werde.

Nach § 175, Abs. 1, Ziff. 4 StPO ist also eine vorläufige Verwahrung und (in Verbindung mit § 180 StPO) eine Verhängung der ordentlichen Untersuchungshaft sehr wohl auch dann möglich, wenn die Befürchtung besteht, daß der Beschuldigte „eine vollendete Tat wiederholen oder eine... angedrohte Tat ausführen werde". Die Strafprozeßordnung verlangt also keineswegs, daß eine angedrohte Tat bereits ausgeführt sein muß, um die Verhängung der Untersuchungshaft zu rechtfertigen; im Gegenteil, der Haftgrund nach § 175 (1) Ziff. 4 ist seinem Wesen nach vorbeugender Natur.

Diese Bestimmung der Strafprozeßordnung steht selbstverständlich in vollem Einklang mit Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskon- tion, wo es heißt:

Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden: ... c) wenn er rechtsmäßig festgenommen worden ist..., sofern... begründeter Anlaß zu der Annahme besteht, daß es notwendig ist, den Betreffenden an der Begehung einer strafbaren Handlung ...zu hindern.

Wir sind wegen einer Stellungnahme zu dieser Frage schon einmal beschlagnahmt worden und beschränken uns daher auf die kommentarlose Gegenüberstellung des Sachverhaltes und der Rechtslage.

Die Entpolitisierung

Der Aufsatz „Der Rechtsstaat als Fassade“ sollte keineswegs als Kritik an der „Entpolitisierung der Justiz“ verstanden werden. Die Justiz darf nicht politisiert werden, sollen nicht Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit in Gefahr kommen. Aber man kann sich oft des Eindrucks nicht erwehren, daß der Begriff der Entpolitisierung mißverstanden wird, daß er von der Justiz weg in die Politik hinein übertragen wird. In der Politik darf man sich jedoch niemals auf den Standpunkt zurückziehen, dort, wo man nicht rechtlich zum Handeln gezwungen sei, sei man an einem Handeln nicht interessiert. Im Bereich der Politik bleibt auch noch Nicht-Handeln Politik. Politik ist nicht nur Rechtsvollziehung, sondern vor allem die Aufstellung von Prioritäten, das Vornehmen von Wertungen — selbstverständlich im Rahmen des Rechts. „Der Regent bewegt sich frei innerhalb der Grenzen des Rechtsfeldes“ (Renė Marcic).

Es handelt sich um ein bedauerliches Mißverständnis, wenn der Aufsatz „Der Rechtsstaat als Fassade“ als eine Aufforderung an den Justizminister interpretiert wird, „daß er zu einer Verhaftung anweisen solle, die in den Gesetzen keinen Grund findet...“ Die Aussage war keinesfalls eine solche Aufforderung, contra legem zu handeln, sondern vielmehr die rechtlich gegebenen Möglichkeiten besser zu nützen. Oft gewinnt man den Eindruck, daß man in der Justiz sich ein wenig krampfhaft von allem femhält, was mit Politik zu tun hat. Diese Haltung hat aber — und das sollte am Fall Burger demonstriert werden — den Effekt, daß damit bona fide erst recht Politik in die Justiz gebracht wird.

Bundesminister Univ.-Prof. Kle- eatsky hat versichert, jede von Burgers Handlungen werde genau überprüft werden. Vielleicht wird sich doch noch die in diesem Beitrag vertretende Auffassung durchsetzen, auf Grund der verschiedensten Erklärungen Burgers, die im Zusammenhang mit seiner bisherigen Tätigkeit gesehen werden müssen, sei ein entschiedeneres Vorgehen der Behörden sehr wohl rechtlich möglich und im Interesse Österreichs auch geboten.

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