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Die katholische Jugendbewegung in den Niederlanden

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Der Krieg hat auch in den Niederlanden den katholischen Jugendorganisationen vorübergehend ein Ende bereitet. Bis zum Jahre 1940 natten die katholischen Jugendbünde sich in einem bemerkenswerten Aufschwung befunden. Es waren alle Voraussetzungen für eine große Blüte vorhanden.

Bis zu dieser Zeit bestanden in den Niederlanden drei große katholische Organisationen, die die männliche Jugend umfaßten: die Pfadfinder (Verkenner), die der internationalen Pfadfinderorganisation als selbständiges Mitglied angehörten und die die sportliche Ausbildung mit der geistigen Schulung verbanden. Weiter bestind die „Jongenswacht“, ein nichtuniformierter Verband, der der Betreuung und der Beschäftigung der Knaben in Sport, Spiel und Handwerk diente, und schließlich die „Kruis-vaart“ (Kreuzfahrt), die den Nachdruck auf die geistige Ausbildung legte. Drei getrennte Organisationen, die miteinander im Wetteifer standen im Kampf um die Erhaltung und die Gewinnung der Jugend für die christliche Weltansdiauung. Die Entwicklung dieser Organisationen war vielversprechend. Sie stellten mustergültige Einrichtungen für die männliche Jugend von 12 bis 17 Jahren dar und standen, was Aufbau und Leistungen betrifft, würdig neben den protestantischen, liberalen und sozialistischen Jugendverbänden.

Die deutsche Besatzungsmacht hat diese Organisationen zu zerschlagen versucht. Mit der Begründung, daß die Pfadfinderorganisation ein internationaler Verein sei, der seinen Sitz in England habe und dem Secret Service diene, wurden alle Pfadfinderverbände verboten, wurden Uniformen untersagt und Vermögen beschlagnahmt. Gleichzeitig wurden aber auch alle übrigen niederländischen Jugendorganisationen konfessioneller, ideologischer und sportlicher Art verboten, und an ihre Stelle wurde durch das Reichskommissariat als einzige Jugendorganisation der „Jeugdstorm“ zugelassen, der der holländisdien nationalsozialistischen Partei angehörte und der den Kern für eine neue Staatsjugend bilden sollte. Der „Jeugdstorm“ ist trotz aller Propaganda und trotz der vielen gebotenen Vorteile zahlenmäßig ein unbedeutender Verein geblieben. Die holländische Jugend hielt sidi abseits, anscheinend untätig, in Wirklichkeit setzte sie ihre Aktivität unter der Oberfläche fort. In den Jahren der Besetzung der Niederlande, als die Widerstandsbewegung immer stärker um sich griff und illegale Arbeit geleistet wurde, hat diese tapfere Jugend, und vor allem die katholische, einen namhaften Anteil daran gehabt. Die einzelnen Gruppen waren miteinander in Fühlung, es wurden geheime Zusammenkünfte abgehalten und die Wiedererrichtung der Organisationen nach dem Krieg vorbereitet. Die katholischen Pfadfinder spielten in diesen Jahren eine bedeutende Rolle als Überbringer geheimer Nachrichten, bei der Verbreitung illegaler Blätter, bei der Beherbergung von Verfolgten und bei der Unterstützung von Flüchtlingen. Als im Herbst 1944 die südlichen Provinzen der Niederlande durch die alliierten Truppen besetzt wurden, erstanden mit einem Schlage in diesen vorwiegend katholischen Gebieten die früheren Jugendverbände. Die Organisationen setzten sofort mit ihrer Tätigkeit ein, ohne erst die Bildung von Führungsverbänden abzuwarten. Diese lokalen Jugendgruppen haben während des letzten halben Jahres vor Kriegsende den alliierten Truppen als Wegweiser und Helfer große Dienste erwiesen, aber auch mitgeholfen, Not und Elend in den befreiten Gebieten zu lindern und Hilfe zu gewähren. Es war ein junger katholischer Pfadfinder, Jan van Hoof, der im September 1944 die große Brücke über die Waal vor der Vernichtung rettete. Während nodi der Kampf um Nymwegen tobte — die deutschen Truppen hatten sich auf das nördliche Ufer zurückgezogen —, krodi der kleine Pfadfinder durch den Hagel der Bomben und Geschosse auf die Brücke und zerschnitt den Leitungsdraht, der zur Dynamitladung unter einem der Hauptpfeiler führte. Die Sprengung der Brücke wurde dadurch verhindert.

Noch während der Großteil des niederländischen Bodens durch deutsche Truppen besetzt war, vollzog sich schon in den befreiten Gebieten die Neuorganisation der katholischen Jugend verbände. So war ein Jahr lang in Nimwegen eine provisorische Leitung tätig, bis die Befreiung des ganzen Landes kam.

Nach den Jahren der Unterdrückung und Zerschlagung hieß es, die Jugendbewegung in neue Bahnen zu leiten und ihr jene geistige und materielle Gestaltung zu geben, die die Gegenwart verlangte. Eine Hauptforderung war die Zusammenfassung aller katholischen Verbände in eine einheitliche Organisation. Hatten vor dem Kriege drei Verbände bestanden, die nebeneinander dem gleichen Ziele entgegenstrebten, so ist man nun dazu übergegangen, für die gesamte katholische männliche Jugend eine einzige Basis zu schaffen. Es entsprach dem Willen des niederländischen Episkopats, daß von nun an eine einzige Bewegung unter einer einheitlichen Führung die bisherige Zersplitterung verhindere. Rücksichtnahme auf individuelle Veranlagungen unter der Jugend hat es allerdings notwendig gemacht, den Knaben verschiedene Betätigungsfelder je nach ihrer Eigenart zu bieten.

So entstand die „Katholische J u-gendbewegun g“, die unter zentraler Führung steht und von ihrem Sitz in den Haag aus das ganze Land umfaßt. Grundsätzlich hält sie enge Verbindung mit der katholischen Nation, ohne ihr anders als durch ihre Führer anzugehören. Die oberste Leitung wurde dem Baron J. V o o r s t tot Voorst anvertraut, dem ein durch den Erzbischof zugewiesener Priester zur Seite steht. Das Arbeitsfeld ist nach Diözesen eingeteilt, in denen je ein Leiter, dem ein Geistlicher der Diözese beigegeben ist, die Führung innehat. Die Diözesanorgm'sa-tion ist unterteilt nach Dekanaten und Pfarren.

Diese einheitliche katholische Jugendbewegung tritt nach außen in zwei Formen in Erscheinung: wir finden hier die Pfadfinder wieder, deren Organisation in enger Zusammenarbeit mit den in Holland bestehenden neutralen Pfadfindern steht. Sie ist selbständiges Mitglied des internationalen Büros der Boy Scouts Association in London. Der Krieg hat es mit sich gebracht, daß bei der Ausbildung der katholischen Pfadfinder ein besonderer Nachdruck auf die soziale Schulung gelegt wird. Die Pfadfinderbewegung wird hier als beste Form der freien Jugenderziehung betrachtet: durch langjährige Erfahrung hat sie ihren hohen Wert bewiesen.

Im Rahmen der einheitlichen katholischen Jugendbewegung bestehen für die jungen Menschen, die nfcht zu den Pfadfindern streben und zu anderer Gemeinschaftstätigkeit veranlagt sind, die „J u n g e n s-K1 u b s“, in denen Sport gepflegt, Ausbildung in Handfertigkeit, in der Naturkunde, im Gesang usw. geboten wird. Diese Klubs sind auch pfarrlich aufgebaut. Zum Unterschied von den Pfadfindern tragen diese Buben keine Uniform. Die Wahl ihrer Liebheberei steht ihnen frei; auch Pfadfinder dürfen an ihren Lehrgängen und Ausflügen teilnehmen.

Die Neuaufrichtung der katholischen Jugendorganisation vollzog sich nicht ohne Schwierigkeiten. Bei den Buben mußte vielfach erst das Verständnis 'für Disziplin und Verantwortlichkeit und für die geistigen und sozialen Verpflichtungen wieder erweckt werden. Auch fehlte es an geschulten Jugendführern. Fünf Jahre waren ausgefallen. Nach eineinhalb Jahren sind jetzt diese anfänglichen Schwierigkeiten überwunden und die katholische Jugend befindet sich heute äußerlich und innerlich in mustergültiger Form.

Der Opferwilligkeit der Katholiken Hollands waren in diesem Neuaufbau nicht geringe Aufgaben gestellt. Alles, was die katholischen Jugendvereinsheime besessen hatten, war zerstört oder von den deutschen Besatzungsbehörden fortgeführt worden. Man mußte wieder von vorne anfangen. Es ist gelungen. An ihrer Zentrale in den Haag verfügt die katholische Jugendbewegung bereits über zwei große Gebäude, in denen die Leitung ihren Sitz hat. Von hier aus lenkt der Generalsekretär Van der M e y die weitverzweigten Organisationen des ganzen Landes. Hier hat auch der Redaktionsstab unter Führung des Chefredakteurs E n k e 1 a a r seinen Sitz. Eine Reihe von ausgezeichneten Wochen- und Monatsschriften werden hier herausgegeben. Eine blitzsaubere, wohleingerichtete Jugendherberge, in deren schönem Lesesaal auch die

Zeitungen der österreichischen katholischen Jugendbewegung aufliegen, ist in vollem Betrieb.

Es ist deutlich, daß die junge Generation, die sich hier zusammentut, aus dem heroischen. Erlebnis schöpft, das sie in fünf schweren Jahren in schöner Haltung durch-sritten hat.

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