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Die Kulturoffensive in Ungarn

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Der Angriff des ungarischen Kommunismus auf die geistigen Stellungen der katholischen Kirche verstärkt sich mit jedem Tag. Er beschränkt sich nun nicht mehr auf die Person des Kardinal-Fürstprimas Mindszenty, sondern erstredet sich auf seiner außenpolitischen Linie auf den Vatikan, sogar auf die Person des Heiligen Vaters selbst. Auf der innenpolitischen Linie erfaßt er den ganzen Klerus, die katholischen Institutionen, vor allem aber die katholischen Schulen und die Jugendorganisationen. Eis würde sich irren, wer da meint, daß dieser Feldzug nur die Machtanstrengung der ungarischen Kommunistenpartei gegen den Einfluß der Kirche im öffentlidien Leben und auf dem Gebiet der Politik sei, oder gar nur ein Versuch, um das Ungartum auf der außenpolitischen Linie irrezuleiten.

Der Angriff ist Teil eines europäischen Konzepts. Daß die größte Wucht dieser Offensive die katholischen Schulen trifft, ergibt sich aus den für die Angreifer sehr sichtbaren und als hinderlich empfundenen Tatsachen. Die riesige Mehrheit der Erwachsenen Ungarns ist für die kommunistische Ideologie überhaupt nicht zu giwinnen, nicht der Bauer und auch nicht die große Mehrheit der Stadtbevölkerung, nicht einmal die Arbeiterschaft ist für kirchenfeindliche Aktionen zu haben. So bleibt nichts übrig als eine Strategie auf lange Sicht: die Unterminierung der Jugend, die Heranbildung eines neuen Lagers, einer neuen Generation. Den Angreifern kommt zustatten, daß sie die Tagespresse vollständig in der Hand haben, den Katholiken nur eine einzige Wochenzeitung geblieben ist und die Protestanten überhaupt keine eigene Presse haben. Dennoch ist es bisher der Propaganda der Angreifer nicht gelungen, in diesem Schulkampfe die öffentliche Meinung sich zu unterwerfen.

Teils durch Drohungen, teils durch Versprechungen und Begünstigungen waren sie bemüht, auf die Protestanten einzuwirken. Bei den Lutheranern erreichten sie nur so viel, daß sie „zu den Verhandlungen zwischen Staat und Kirche” einen Bevollmächtigten schickten und eine allgemeine Deklaration über die „Notwendigkeit der Versöhnung” abgaben. Diese Deklaration spricht aber vom Freiheitsrecht, das „nachher verwirklicht werden soll”, sie verlangt über die Religionsfreiheit hinaus den konfessionellen Unterricht, mit einem Wort, eben das wird gefordert, was die Regierung verwerfen will. Der kommunistische Führerbesuch im uralten Kollegium der K a 1 v i n e r hatte bis jetzt nur das Ergebnis, daß der kalvini- sche Nachrichtendienst die dort gehörten Versprechungen in Begleitung einiger billiger Komplimente genau wiedergab.

Eine eigene Taktik, wurde gegen die katholische Arbeiterjugend angewendet. Soweit man deren Organisationen nicht aus irgendeinem Vorwand hatte auf- lösen können, suchte man ihnen durch Drohung oder List die Mitglieder abspenstig zu machen. Man verstieg sich unter anderem dazu, ein kommunistisches Lehrlingsheim, das bisher nach dem ungarischen kommunistischen Spanienkämpfer Matč Zalka benannt war, plötzlich in ein „S t. - J o s e f s • Lehrlingshei m” umzubenennen. Nicht übel war es auch, daß man unter scheinbar katholischer Flagge ein Pfadfinderkorps „St. Georg” ins Leben rief, für dessen Leitung man aber nicht einmal genug Scheinkatholiken auftreiben konnte. Ein großer Teil der katholischen Pfadfindertruppen wurde aufgelöst, an die Spitze der noch vorhandenen stellte die Regierung ihre Beauftragten, die allgemeine Pfadfinderorganisation wurde mit der kommunistischen Kinderbewegung verschmolzen, die katholischen Tagesheimstätten für die Kinder der Proletarier wurden der Reihe nach aufgelöst; die ausländischen Kinderaktionen der Actio Cathoüca erhalten für ihre Kinderzüge keine Reisepässe mehr, wenn sie nicht die Bedingung annehmen, daß die Begleitung das Volkswohlfahrtsministerium stellt. Dies wären lauter kommunistische Agitatoren. Darauf kann die Actio Cathoüca nicht eingehen und deshalb können tausende kathoüsche Kinder nicht ins Ausland zur Erholung.

Mit der Bezichtigung, daß die ausländischen Hilfsaktionen Werkzeuge der Spionage seien und nur Tarnungen demokratiefeindlicher katholischer Aktionen, sucht man diesen Hilfswerken des Auslandes ihre Tätigkeit in Ungarn zu verleiden. Einem Leiter der Katholischen Aktion, der kürzlich mit der Verteilung von Liebesgaben für ausgebombte, verarmte und arbeitslose ehemalige Angehörige des Mittelstandes beschäftigt war, wurde bedeutet, er solle seine Tätigkeit einstellen: „Diese Klasse ist sdhädüch, sie soll untergehen.”

Es muß aber festgestellt werden, daß der ungarische Katholizismus die jetzige Feuerprobe mit bewunderungswürdiger Kraft und Beharrlichkeit besteht. Außer einigen irregeführten oder verängstigten Personen steht die große katholische Gesellschaft ungeteilt zur Kirche. Es ist bezeichnend, daß während des bereits im Gange befindlichen heftigen Angriffs auf die konfessionellen Schulen ein wahrer Ansturm von Neuanmeldungen für das nächste, im Herbst beginnende Schuljahr sowohl für die Grund- wie für die Mittelschulen stattfand, so daß die Schulleitungen drei und vier Parallelklassen in Aussicht nehmen mußten. Während man den Protestanten und auch den Juden, um sie von den Katholiken abzuspalten, einige ihrer historischen Schulen läßt, will man den Katholiken keine Ausnahme zugestehen, ein Versuch, die Vertreter der Kirche zum Verhandlungstisch zu führen. Und nach Canossa?

Kürzlich bereiste Kardinal Mindszenty die Umgebung von Tokaj; jede Gemeinde hatte einen Triumphbogen aufgestellt. In Sätoraljaujhely, wo eine Woche früher etwa 2000 Menschen buchstäblich zusammengetrommelt wurden, da Räkosi eine Rede hielt, feierte den Fürstprimas eine zwanzigtausendköpfige Menge. Dasselbe ereignete sich im Alföld, dem schwierigsten Gebiet des Argrarproletariats. Bei solchen Gelegenheiten bleiben die Arbeiter nicht hinter den den übrigen gesellschaftlichen Schichten zurück. In Budapest nahm die Zahl der Kirchenbesucher so zu, daß man die Reihe der Gottesdienste verdichten mußte.

Die Tatsachen sprechen lauter als alle Propaganda.

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