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Die Landeshauptstadt Innsbruck

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Eine Krankheit unserer modernen Zeit ist die Hast, die Eile. Auch im Urlaub läßt sie viele Menschen nicht los: sie eilen durch die Städte und Länder, nur selten eine Rast einlegend, um möglichst rasch weite Entfernungen zurücklegen zu können.

Aber nur wenige Reisende versäumen es, wenn sie vom Brenner durch das enge Tal der Sill nach Norden fahren und plötzlich zum Berg Isel kommen, zu verweilen, um den einmaligen Blick auf das weite Tal und die zu ihren Füßen liegende Stadt Innsbruck zu genießen. Mitten im Inntal liegt diese Stadt, am Fuße der steil aufragenden Kalkfelsen der Nordkette. Dieser wunderbare Anblick lädt viele ein, Halt zu machen, um der Stadt selbst einen Besuch abzustatten.

Der Fremde, der heute zum erstenmal nach Innsbruck kommt, kann kaum glauben, daß diese Stadt im letzten Krieg so schwer gelitten hat, denn nur wenig Spuren erinnern noch an die Schäden des Krieges. 22 Luftangriffe mit mehr als 17.000 Bomben aller Art hatte die Stadt zu erdulden, grauenhafte Zerstörungen waren die Bilanz des Krieges. Von den 25.793 Wohnungen der Stadt fielen nicht weniger als 15.386 dem Kriege zum Opfer. Die Altstadt mit ihren Lauben aus dem 17. Jahrhundert, die Maria-Theresien-Straße, die von Innsbruck nicht wegzudenken ist, und das Bahnhofgelände erlitten schwere Schäden. Zahlreiche historische Bauten, die der Stadt ihr Gesicht gaben, lagen zerstört da. Viele Schulen, öffentliche Gebäude, Krankenhäuser und andere Objekte waren schwer mitgenommen. Neben dem katastrophalen Verlust an Wohnraum, der besonders hart war, weil der Wohnungsbau mit dem Bevölkerungszuwachs um 40 Prozent seit 1937 ohnehin nicht Schritt halten konnte, traf die Stadt besonders hart der Verlust an Betriebsstätten, die für das Erwerbsleben der Bevölkerung von Bedeutung waren. Einer der wichtigsten Erwerbszweige der Bevölkerung war seit Jahrzehnten der Fremdenverkehr, der vollkommen am Boden lag, vor allem wegen des Mangels an den notwendigsten Gütern, den Beschränkungen des Verkehrswesens und der Zerstörung der Fremdenverkehrsbetriebe.

Trotz dieser schweren Schicksalsschläge ungebrochen und voll Glaube an die Zukunft, ging die Bevölkerung Innsbrucks bereits in den Mai-tagen 1945 daran^ die schwersten Schäden zu beheben, die Stadt von Schutt und Trümmern zu beseitigen, vor allem aber, den Familien wieder ein Dach über dem Kopf zu geben. In enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung setzte die Stadtverwaltung alle Mittel ein, um die Wunden des Krieges zu heilen, aber auch Neues zu schaffen.

Zahlreiche neue Wohnhäuser wurden errichtet, ja ganz neue Stadtteile wuchsen aus dem Boden. Man denke nur an die Wohnsiedlung am Mentlberg, den neuen Stadtteil in der Reichenau und im Gelände des Landeshauptschießstandes sowie an die Siedlungen am Westrand der Stadt. Trotz der zahlreichen Neubauten und der Wiederherstellung der bombenbeschädigten Objekte ist dennoch die Lage auf dem Wohnungsmarkt die größte Sorge der Gemeindeverwaltung. Die Wohnbautätigkeit wurde erschwert durch den Mangel an aufgeschlossenen Baugründen. Die Stadtverwaltung mußte daher darangehen, vorerst die Voraussetzungen für eine weitere Bautätigkeit zu schaffen. So wurde das wohl in Europa einmalige Wasserwerk in Mühlau gebaut, das gleichzeitig als Kraftwerk dient. Durch seine riesigen Versorgungsleitungen um das ganze Stadtgebiet ist die Sorge für hygienisch einwandfreies Trinkwasser, mit Ausnahme des im Mittelgebirge liegenden Stadtteiles Igls, für Jahrzehnte gebannt. Weiter wurde ein umfassendes Kanalisierungsprogramm in Angriff genommen, war doch ein Großteil des als Bauland ausgewiesenen Gebietes, insbesondere in den zur Kriegszeit mit Innsbruck vereinigten Nachbargemeinden, ohne Kanalisation. Hand in Hand damit ging die Instandsetzung des Straßennetzes, das im Krieg schwer gelitten hat, sowie dessen Erweiterung, um die neuen Wohngebiete zu erschließen.

Das vorbildliche Schulwesen der Stadt war nach dem Kriege schwer mitgenommen. Llnver-züglich wurde darangegangen, hier wieder den früheren Standard zu erreichen. Ging es vorerst darum, die mitgenommenen Schulgebäude instand zu setzen, wurden bald zu klein gewordene Schulgebäude erweitert, aber auch neue Bauten in Angriff genommen. Nicht weniger als fünf neue Volksschulen wurden errichtet, insbesondere am Stadtrand, dazu eine Berufsschule, die wohl einmalig in Österreich ist. In diesen Tagen wird ein neues, großes Schulgebäude mit 34 Klassen seiner Bestimmung übergeben werden.

Die Universität Innsbruck, im Jahre 1670 gegründet, erfreut sich einer ständigen Beliebtheit auch bei ausländischen Hörern, was daraus ersichtlich ist, daß die Zahl der ausländischen Hörer die der inländischen bereits übertroffen Hat. Auch sie konnte ihre Schäden beheben. Eine neue medizinische Klinik wurde errichtet, demnächst werden der Bau eines großen chemischen Instituts sowie der dringend notwendigen chirurgischen Klinik in Angriff genommen werden. Um den Hörern dieser Universität eine Heimstätte zu geben, wurde mit Unterstützung verschiedener Körperschaften der erste Abschnitt eines modernen Studentenhauses geplant.

Für unsere jüngsten Mitbürger wurden neue Kindergärten und Heime errichtet und weitere stehen im Bau. Aber auch die Alten unserer Stadt wurden nicht vergessen und ein nach modernen Gesichtspunkten geplantes Wohnheim für sie in Angriff genommen.

Die verschiedensten Zweige des Sportes hatten in Innsbruck eine Heimstätte, aber 1945 lagen fast alle Sportstätten verwüstet da. Die für die körperliche Ertüchtigung unserer Jugend so dringenden Sportstätten wurden daher wieder instand gesetzt, ein neues, großes Sportstadion erstellt, ein allen Anforderungen entsprechendes Freischwimmbad geht der Vollendung entgegen. Da das Campingwesen immer mehr zunimmt, hat die Stadt einen eigenen vorbildlichen Campingplatz eingerichtet. Private folgten diesem Beispiel.

Auch das Kulturleben der Stadt erlebte eine neue Blüte. Das Innsbrucker Theater, die älteste ständige Buhne im deutschen Sprachraum, hat nach dem Krieg wieder ihre Pforten geöffnet. Es werden das Schauspiel, die Oper und die Operette, aber auch das Volksstück gepflegt. Neben dem altehrwürdigen Bau des Theaters wurden vergangenes Jahr die Innsbrucker Kammerspiele, ein kleines modernes Theater, das sich inzwischen bereits besonderer Beliebtheit bei der Bevölkerung erfreut, eröffnet. Das Musikleben hat' neue Impulse gefunden. Innsbruck verfügt über ein ständiges Berufsorchester; das Konzertprogramm hat ein großstädtisches Niveau erreicht, namhafte Künstler aus dem In- und Ausland sind in Innsbruck zu Gast. Die städtische Musikschule, die Pflegestätte der Musik, wurde erweitert und in den Rang eines Konservatoriums erhoben. Das Tiroler Landesmuseum wurde nach schwerer Kriegsbeschädigung restauriert; seine Sonderausstellungen erfreuen sich eines zahlreichen Besuches.

Mit der Überwindung der Folgen des Krieges hat Innsbruck seinen alten Rang als Fremdenverkehrszentrum des Alpenraumes wieder erreicht. Die beschädigten Fremdenverkehrsbetriebe wurden instand gesetzt und für diesen wichtigen Erwerbszweig neue Einrichtungen geschaffen. Neue Seilbahnen und Skilifte wurden gebaut, die bestehenden Bergbahnen und das innerstädtische Verkehrsnetz werden modernisiert und erweitert, um den gesteigerten Anforderungen zu genügen. Der Innsbrucker Hauptbahnhof, der frequentierteste Bahnhof Österreichs, ist nach totaler Zerstörung neu hergestellt und erweitert. Schnelle Verbindungen nach allen Teilen Europas stehen zur Verfügung. Ja sogar die vor mehr als fünfzig Jahren geplante Verbindung zwischen Haupt- und Westbahnhof, durch die nicht weniger als drei schienengleiche Straßenübergänge innerhalb der Stadt beseitigt werden, konnte verwirklicht werden. Der zunehmenden Bedeutung des Flugverkehrs wurde durch Erweiterung des Innsbrucker „Alpenflughafens“ Rechnung getragen: ein großzügiger Umbau dieser Anlage wurde begonnen.

Nunmehr gilt es, alle Vorbereitungen zu treffen, um für die Olympischen Winterspiele 1964 einen dem Rufe der Stadt Innsbruck würdigen Rahmen zu schaffen. Vergleicht man das Bild Innsbrucks vom Mai 1945 mit dem von heute, wird man ermessen können, welche Aufbauarbeit geleistet wurde. In unserer kurzlebigen Zeit haben wohl viele schon vergessen, wie es damals ausgesehen hat. Das Bestreben der Stadtverwaltung wird stets dahingehen, Innsbruck noch schöner zu machen. Seien wir aber auch der Vergangenheit gegenüber gerecht, anerkennen wir, was geleistet wurde, vor allem auch unter welchen schwierigen Umständen dieses Aufbauwerk vollbracht wurde l

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