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Die letzte Parteien-Einigkeit

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Am 17. März 1992, also ziemlich genau vor drei Jahren, demonstrierten in Klagenfurt einige hundert Jugendliche am Neuen Platz wider den drohenden Sozialabbau in Buseks Studienförderungsnovelle. Damals waren sich die Anwesenden noch darüber einig, daß Bildung nichts kosten darf und daß der Zugang zu ihr allen offen stehen muß.

Nicht einmal vier Monate später, Anfang Juli 1992, wurden Gerüchte über die drohende Schließung einiger Klagenfurter Universitätsinstitute laut. Wissenschaftsminister Busek hatte ersten Informationen zufolge eine Evaluation in Auftrag gegeben, die ein verheerendes Urteil über die> Kärntner Alma mater hervorgebracht hätte. Von Uni-Seite war nichts zu erfahren, vom Bektor abwärts schwiegen ihre Repräsentantinnen in ungewohnter Einigkeit. Erst im September 1992 mehrte sich Widerstand, zuerst von öffentlich-politischer, dann auch,von Uni-interner Seite. Das gemeinsame Ziel: Kampf den Busekschen Redimensionalisie-rungsplänen.

Erstmals in der Geschichte der Universität setzten sich Politikerinnen aller Parteien gemeinsam mit Uni-Vertreterinnen an einen Tisch, entwickelten Konzepte und vertraten diese - mehr oder minder einhellig -in der Öffentlichkeit und vor allem auch gemeinsam gegenüber Wien. Das Ergebnis: das von der Uni entwickelte Konzept wurde angenommen, die Institute blieben großteils erhalten.

Die Geschichte rund um die Klagenfurter Universität ist insofern von Belang, als sie in zweifacher Hinsicht KristaTlisationspunkt in der Kärntner Politgeschichte ist: einmal, weil die Klagenfurter Universität bis dahin eigentlich immer kontroversielle Diskussionen ausgelöst hatte: als Peter Gstettner und Dietmar Larcher ihre Forschungen über das triste Verhältnis zwischen Kärntner Deutschen und Kärntner Slowenen sowie über die nach wie vor aufrechte Propaganda des Kärntner Heimatdienstes

publizierten; als Kärntens erstes Freies Badio vom Ausland nach Kärnten sendete und die Kontaktadresse ins Büro eines Uni-Assistenten führte; und auch, als der Psychologe Klaus Ottomayer ein Buch über Haiders verhängnisvolle Sprach- und Wortwahl präsentierte.

Von Bedeutung ist die Uni-Geschichte aber auch deshalb, weil sie die letzte Drei-Parteien-Einigkeit des Landes markiert und weil sich seither das politische Klima im Land nicht verbessert hat. So einheitlich die SPÖ hinter der Uni stand, so wenig einheitlich stand sie zu ihrem damaligen Parteivorsitzenden Peter Ambrozy. Er mußte sich einer parteiinternen Abstimmung über seine Person als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 1994 stellen. Die 70-Prozent- Marke, die er sich selbst auferlegt hatte, hielten viele seiner parteiinternen Kritiker, allen voran der damalige SPÖ-Wirtschaftslandesrat Max Rauscher, für zu niedrig. Als Gegenkandidat stand allerdings keiner von ihnen zur Verfügung. Viele sehnten schon damals unverhohlen den vom Klagenfurter Bürgermeisterkandidaten zum Gesundheitsminister avancierten Michael Ausser-winkler nach Kärnten zurück - in der Hoffnung, damit Haider bei den Wahlen Einhalt gebieten zu können. Gekommen ist Ausserwinkler allerdings erst viel später, nämlich nach den Landtagswahlen, und erst, als Peter Ambrozy das Feld für ihn geräumt hatte.

Kein Stein auf dem anderen

Am 13. März 1994, also ziemlich genau zwei Jahre nach der Studentendemo und ein Jahr nach den einhelligen Universitätssolidaritätsbekun-dungen, blieb dann kein Stein auf dem anderen: Die SPÖ konnte zwar mit 37,41 Prozent der Stimmen ihre Mehrheit halten, hatte aber 8,5 Prozent (im Vergleich zur Landtagswahl 1988) verloren, Haider hatte ein Plus von 4,29 Prozent und insgesamt 33,28 Prozent der Stimmen eingefahren und die ÖVP konnte, als drittstärkste Partei samt Landeshauptmannbonus, 23,75 Prozent der Stimmen und einen Zuwachs um 2,79

Prozent aufs Konto verbuchen.

Die SPÖ hatte aber nicht nur Stimmen verloren, sondern auch ihre Begierungsmehrheit. Und damit hatte Haider ein wesentliches Wahlziel erreicht. Am Tag nach der Wahl waren Ambrozy und Ausserwinkler zurückgetreten: der eine als Landes-

Earteichef, der andere als Minister, letzterer freilich nur, um Ambrozy nachzufolgen. Und obgleich ihm eine Welle der Sympathie entgegenschlug, verlor er als erstes den monatelangen Poker um den Landeshauptmannsessel und als zweites das Vertrauen vieler Parteimitglieder -hatte er sich doch auch SPÖ-intern nur wenig durchsetzen können, als es um die Verteilung der eigenen Landtagsmandate ging.

Daß Grüne, Liberale und andere Kleinparteien den Einzug in den Landtag nicht geschafft haben, dürfte weniger mit mangelnder Attraktivität dieser Parteien zu begründen sein, als mit dem Wahlrecht Kärntens, das (ähnlich wie in Salzburg), mit einer enorm hohen Prozentklausel (zwischen acht und neun Prozent) die „Kleinen” von vornherein als

chancenlos erscheinen läßt.

Inzwischen haben die Politikerinnen und Politiker ihre Arbeit aufgenommen, mit Alt-Landeshauptmann Christof Zernatto (ÖVP) an der Spitze und einer rot-schwarzen Koalition im Land. Für die Freiheitlichen haben zwei Polit-Neulinge die Begierungsgeschäfte übernommen: Elisabeth Sickl ist parteiunabhähgige Umweltlandesrätin und der frischgebackene Klagenfurter Universitätsabsolvent Karl-Heinz Grasser mit nur 25 Jahren jüngstes Begierungsmitglied (Verkehr-, Strassen- und Tourismusreferent) der Landesgeschichte. In seinen Händen die Geschäfte eines Landes zu wissen, verleiht wohl so manchen ein unbehagliches Gefühl.

Alternatives Gedenken

Im März 1995, ein Jahr nach der Wahl, ist es relativ ruhig im Land. Eine trügerische Stille allerdings. Denn auch in Kärnten mehren sich heuer Gedenk- und Jahrestage. Während jenen um die Schreckensereignisse des Nationalsozialismus al-

lerdings vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt wird, rüstet das Land zum Aufmarsch der Superlative:

Zum 75. Mal jährt sich die Kärntner Volksabstimmung, bei der über den Verbleib einiger Teile Südkärn-tens bei Österreich abgestimmt wurde. Untrennbar mit ihr verbunden soll dem Kärntner Abwehrkampf, der blutigen Auseinandersetzung rund um die Landesgrenzziehung gedacht werden. Und mit ihm all jene geehrt werden, die noch immer als Sieger des Deutschen über das Slowenische gefeiert werden ...

Eine kleine, wenngleich repräsentative Gruppe, hat sich nun zu Gegenstimmen formiert: Sie fordern eine neue Form des Gedenkens, bei dem Vertreterinnen beider Volksgruppen die Teilnahme ermöglicht werden soll. Ganz im Zeichen der Toleranz. Ihnen gehören auch Vertreterinnen jener Universität an, für die Politikerinnen aller Partei gekämpft hatten. Ob sie es heute, so wie damals vor drei Jahren, wieder tun würden, ist allerdings äußerst fraglich.

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