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Die Lösung des gordischen Knotens

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Dem fünften Band der Erinnerungen des großen Staatsmannes hat die „Furche“ bereits in ihrer Ausgabe vom 17. Jänner 1953 einen Aufsatz gewidmet. Ein so vielfältiges Wirken, wie es Winston Churchill im zweiten Weltkrieg entfaltet und in seinen Erinnerungen niedergelegt hat, kann in einer einzigen Ueberschau jedoch nicht völlig ausgeschöpft werden. Dies gilt besonders für jene Memoirenabschnitte, die von Begebenheiten handeln, welche für die Entwicklung der Nachkriegswelt bestimmend waren. Eine solche Fernwirkung kommt der Konferenz von Teheran (Band V/2) zu — einem Kapitel, das Churchill „Die Lösung des gordischen Knotens“ benennt. Der Nachkriegsleser möchte dieser Ueberschrift allerdings ein Fragezeichen beifügen... In Teheran gelangten, über die aktuelle Kriegführung hinaus, vor allem zwei Probleme zur Sprache: Die Grenzen Polens und die künftige Neugestaltung des besiegten Deutschlands. „Ich für meinen Teil glaube“, sagte Churchill damals in Teheran (Seite 49), „Polen könne sich nach Westen verlagern wie Soldaten, die seitlich wegtreten. Falls es dabei auf einige deutsche Zehen trete, könne man das nicht ändern ...“ und: „Wollen wir nicht eine Grenzziehung versuchen, fragte ich?“ Nun, diese Grenzziehung wurde, wie wir wissen, leider nicht nur versucht, sondern später auf Grund der zwischen den großen „Drei“ getroffenen Vereinbarung in die Tat umgesetzt... Gewiß ist es Churchill hoch anzurechnen, daß er sich auch zu den aus der damaligen Kriegsstimmung erwachsenen Fehlern bekennt. In zwei Fällen hat der britische Premier größere konstruktive Fähigkeiten bewiesen als seine Partner: er widersetzte sich der Aufsplitterung Deutschlands, die zur Balkanisierung Mitteleuropas geführt hätte. Und er schlug, freilich vergebens, vor, die Alliierten sollten von Oberitalien über Laibach nach Wien vorstoßen. Man weiß, daß Roosevelt diesen Plan aus der Besorgnis ablehnte, man würde damit die politischen Geschäfte Englands besorgen, ein Bedenken, aus dem er bereits dem britischen Antrag widersprochen hatte, die Landung der Alliierten in Südeuropa auf dem Balkan statt in Italien vorzunehmen. Dem Präsidenten lag daran, die Russen, als den wichtigsten Partner bei der Neugestaltung der Welt, seinen weiteren konstruktiven Plänen geneigt zu machen.. Schon zu Kriegsende wurde der Mißerfolg dieser Politik deutlich. Es ist bekannt, daß die letzten Lebenstage des Präsidenten von der Sorge um Erfolg oder Mißerfolg dieser Politik verdüstert waren.

' So steigen in jedem Bande mehr die Ursachen unserer Gegenwartsproblematik auf. Unglückliche Verflechtungen, entstanden aus Kriegsnotwendigkeiten, Zeitnot und Zeitnähe spielen hinein. Auch hier wird deutlich, daß Churchill den Präsidenten an Voraussicht und Wirklichkeitssinn übertraf. Was in diesen Bänden den Krieg betrifft, gehört den Erforschern der Kriegsgeschichte zu, die politischen Erkenntnisse und Darlegungen dieses in unvergleichlicher sprachlicher Klarheit und Dichtigkeit geschriebenen Werkes sind selbst Weltgeschichte geworden.

Nicolai Stenonis Epistolae et epistolae ad eum datae quas cum prooemiis ac notis germanice scriptis edidit Gustav Scherz adjuvante Joanne B a e d e r. Nyt Nordiske Verlag, Hafniae; Herder, Freiburg. 132 Seiten Einleitung (mit vielen Dokumenten zur Gelehrtengeschichte des 17. Jahrhunderts), 800 Seiten Briefe und 100 Seiten Dokumente zum Leben Stensens und zur Literaturgeschichte; 28 Seiten Namens- und Ortsregister. Bd. I/II, zus. 105 DM.

Wer Nicolaus Stenonis (fälschlich: Steno, recte: Niels Stensen) war, ist wohl jedem Mediziner bekannt: Er war zunächst „Kgl. Anatom“ .in Kopenhagen, machte als solcher einige bedeutsame Entdeckungen; war Naturforscher (Geolog) und wurde nach seiner Konversion (1667) Priester, später Bischof. Seine ganze Größe und Bedeutung erschließt erst die — im Zusammenhang mit einem Beatifikationsprözeß — unternommene Herausgabe seiner sämtlichen Werke. Wenn man die Fülle seiner Werke übersieht, kann man es kaum fassen, daß diese von einem Mann stammen, der nur 48 Jahre gelebt hat und seine Werke mit Hand und Federkiel geschrieben hat. Es ist ein unschätzbares Verdienst der Herausgeber, Stensens sämtliche Werke gesammelt und der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Bisher sind sechs gewaltige Folianten erschienen. Die beiden ersten (Nicolai Stenonis Opera philosophica), herausgegeben von V. Maar, Professor der Medizingeschichte in Kopenhagen, umfassen die naturwissenschaftlichen und anatomischen Werke des großen Gelehrten; die beiden folgenden (Nicolai Stenonis Opera theoiogica) umfassen die theologischen Werke; sie sind herausgegeben von Knud Larsen und P. Gustav Scherz C.Ss.R. — Die nunmehr erschienenen zwei Bände Briefe und kleinere Abhandlungen sind von Gustav Scherz und Johannes B a e d e r herausgegeben. Die Herausgeber haben damit eine hervorragende wissenschaftliche Leistung vollbracht.

Im Briefwechsel Stenonis' finden wir die berühmtesten Namen seiner Zeit: Leibniz, Spinoza, Cosimo III. de Medici und zahlreiche berühmte Naturforscher und Aerzte. Dieser Briefwechsel ist ein Dokument von hoher kulturhistorischer Bedeutung. Er zeigt, auf welcher Höhe der Kultur die Menschen standen, die neben einem unerhört reichen und erfüllten Wirken derart inhaltsreiche Briefe zu schreiben wußten. Es ist der ganze Reichtum und Glanz der Barockzeit, der sich in diesem Briefwechsel spiegelt; den Gelehrten der heutigen Zeit könnte es fast mit Neid erfüllen, daraus zu sehen, welch generöses Mäzenatentum in jener Zeit die Wissenschaften förderte, Gelehrte an die Höfe zog und ihrem Wirken die richtige Resonanz zu schaffen wußte. Was dabei besonders bewunderswert bleibt, ist die Reinheit und Integrität, die sich Stensen inmitten dieses äußeren Glanzes zu wahren wußte, die innere Unabhängigkeit von den Gütern dieser Welt.

Univ.-Prof. DDDr. A. Niedermeyer

Dunkelsteiner Heimatbuch — Geschichte der Pfarrgemeinde Hafnerbach und ihrer Burgen. Von Hubert Schützer. Selbstverlag. 260 Seiten.

Das Buch ist mit großer Heimatliebe geschrieben und ragt über die üblichen heimatlichen Lokalabhandlungen wohltuend hinaus. Besonders das dritte und eigentliche Hauptkapitel zeichnet sich durch bemerkenswertes Quellenstudium, u. a. des Wallseer Urbars (1445), der Grundbücher und Katastralmappen aus und läßt nicht nur den Leser in der Heimat, sondern auch den Fachmann wertvolle Einblicke in das Verhältnis der Untertanen zu ihren Grundherrschaften (Zwettl, Altenburg, Göttweig und Hohenegg) gewinnen. Das schöne Land zwischen Pielach und Dunkelsteiner Wald hat hier eine lang vermißte, gute und eingehende Darstellung gefunden und damit der niederösterreichischen Heimatkunde ein wertvolles Glied erschlossen. Die Kapitel über Kirche, Schule und Gemeinde, über Handwerk und besonders über die vielen Burgen (Hohenegg, Mitterau, Osterburg, Haindorf, Pielachhaag und Wolfstein) werden bei

Einheimischen und Wanderern verdientes Interesse finden. Man wird sich bei der Lektüre eines solchen mit Liebe und Sorgfalt geschriebenen Buches immer von neuem darüber klar, wie reich unser Oesterreich an stillen und immer noch viel zuwenig bekannten Gegenden ist, und daß man auf viele Auslandreisen verzichten könnte, wenn man dafür das eigene Vaterland um so inständiger erwandern und damit erleben würde.

Univ.-Prof. Dr. Viktor v. Gciamb

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