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„Die Macht schmeckt bitter“

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Vergangene Woche hat der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde des Wiener Landtagsab-geordneten Franz Olah verworfen, womit das im Vorjahr gefällte Urteil von einem Jahr Kerker wegen Betrugs rechtskräftig wurde. Der Fall Olah ist kein Justizirrtum, wohl aber eine menschliche Tragödie. Und politisch wird keiner, der sich mit dem Fall beschäftigt, ein gewisses Unbehagen los.

Jeder im Lande, auch der Richter, weiß, wie finanzielle Transaktionen auf dem Gebiet der Politik hierzulande, aber auch anderswo durchgeführt werden. Wenn der Vertreter des Obersten Gerichtshofes von „einem geheimen schwarzen Fonds“ spricht — besser hieße es hier roter Fonds —, dann enthüllt er damit kein Geheimnis, sondern nur eine Praxis. Ob diese Praxis richtig ist, bleibe dahingestellt, doch sie ableugnen heißt die Augen vor den Tatsachen verschließen. Wenn keiner von den gewerkschaftlichen Kontrollinstanzen und von den obersten Herren der Sparkasse etwas daran fand, daß der Gewerkschaftsobmann Olah und später der Minister Olah mit einem Sparbuch von 1,2 Millionen Schilling Gelder der Gewerkschaft manipulierte, dann zeigt dies doch daß sie mit dieser Praxis vertraut waren und daß Olah nicht als einziger Politiker im Lande derartige Finanztransaktionen durchführte. Dem Gewerkschaftsobmann und Minister wäre auch nichts geschehen, schließlich hat er das Geld nicht in seine Tasche gesteckt, sondern parteipolitische Interessen damit verfolgt. Wäre sein politisches Spiel nicht mißglückt, dann hätte niemand daran etwas auszusetzen gehabt, die Sache wäre geheim geblieben und kein Richter in Österreich hätte sich damit befassen müssen. Olah würde heute mit Herr Bundeskanzler angesprochen. Hier aber liegen das politische Unbehagen ebenso wie die menschliche Tragödie des Falles Olah. Es wird sich kaum noch jemand an die Sendung von Fischer-Karwin „Bitte, legen Sie ab“ erinnern, in der Olah als Gast geladen war. Uber ihn sprachen damals der heutige Bundeskanzler Dr. Kreisky und der Vizebürgermeister Felix Slavik. Beide nannten Olah einen starken Charakter, den besten Kameraden, einen aufrechten Demokraten und einen Mann, der zwar energisch seine Ansichten vertritt, sich aber auch von besseren Argumenten überzeugen läßt. Selten noch sind lobendere Worte von zwei sozialistischen Spitzenpolitikern über einen Genossen gesprochen worden. Damals war Olah allerdings Zweiter Präsident des Nationalrates, Gewerkschaftsobmann und auf der Höhe seiner Laufbahn. In der Baugewerkschaft, deren Obmann er gleichfalls war, besaß er fanatische Anhänger. Alle Österreicher schätzten ihn seines Mutes wegen, den er insbesondere 1950 als Organisator der Arbeiterschaft bei der Bekämpfung des kommunistischen Aufstandes in Wien und Niederösterreich bewiesen hat. An seiner sozialistischen Gesinnung zweifelte keiner, wurde er doch bereits als Jungarbeiter zwischen 1934 und 1938 wegen illegaler Betätigung als Revolutionärer Sozialist eingesperrt. Die Nationalsozialisten aber hielten ihn sieben Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern fest.

Selbst bei seinen politischen Gegnern fand er Anerkennung, nicht nur wegen seiner vorbildlichen Haltung im Konzentrationslager, sondern auch, weil er trotz seines Kämpferherzens auch vernünftigen Vorschlägen zugänglich war, wofür das Raab-Olah-Abkommen ein Beispiel bietet. Als erster Politiker in Österreich nach 1945 legte er auch sein Mandat nieder, als die Partei eine ihm nicht genehme Politik verfolgte. Sein Wahlkreis aber stellte ihn gerade deshalb wieder mit überwältigender Mehrheit auf.

Damals begann die Tragödie Olah. Er hatte sich zum erstenmal gegen die Parteiorganisation gestellt. Als er aber Innenminister wurde, spürten die anderen führenden Sozialisten, das dieser Mann nach der höchsten Funktion im Staate strebte und dieses sein Streben offen eingestand und nicht mit demokratischen Reden verdeckte. Dazu kam Olahs nicht sehr glückliche Art der Menschenbehandlung, sein cholerisches Temperament und seine oftmals verletzende Offenheit. Er wollte manchmal mit dem Kopf durch die Wand. Und dann geschah es.

Der Untätigkeit der großen Koalition müde, suchte er nach einem Auswfg und glaubte diesen in Form einer

kleinen Koalition mit der FPÖ gefunden zu haben. Der Parteivorstand billigte zunächst sein Vorgehen. Als sich jedoch herausstellte, daß er selbst Kanzler dieser neuen Regierung werden wollte, begannen die Widerstände innerhalb der Parteiführung, die sich noch verstärkten, als Olah zum Gegenschlag ausholte und mit den sogenannten Spitzelakten vor die Öffentlichkeit trat. Dazu kamen seine persönlichen Differenzen mit Minister Broda, vor allem aber wandten sich der Gewerkschafts- und der linke Flügel der Partei gegen das politische Konzept des Ministers. Dieser aber ließ es auf den Machtkampf ankommen und unterlag. Als Kämpfer, der. nicht aufgibt, gründete er nach seinem Ausschluß aus der SPÖ eine neue Partei und stürzte die Sozialisten in die schwerste Krise seit 1945. Den Denkzettel, den sie bei der Nationalratswahl 1966 erhielten, vergaßen sie Olah nie.

Da der Politiker Olah verbissen weiterkämpfte und nicht aus dem Feld zu schlagen war, mußte der Staatsbürger daran glauben. Die Gewerkschaft erhob Anzeige gegen ihn wegen Betrugs und die österreichischen Richter, die zwar die politische Praxis kennen, aber nicht akzeptieren können, verurteilten nun den Bürger Olah, wie sie jeden anderen verurteilt hätten, da vor dem Gesetz jeder gleich ist. Olahs politische Karriere ist damit beendet. Er strebte wahrscheinlich nach zu viel Macht und hat nun erfahren, daß diese Macht bitter schmeckt.

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