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Die Musik ist verklungen...

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Nor, daß er seine Beschwerden nicht substantiiert hätte, bezeichnet sie aber gleichzeitig als „grundlos“. Sein Anwalt konnte in dem angeblich von einer Hörmaschine aufgenommenen Protokoll seiner beiden Einvernahmen 231 Fehler, ja Entstellungen feststellen. Protokolle der Einvernahmen anderer Personen wurden ihm nicht zugänglich gemacht!

Bemerkenswert wie das Zustandekommen war auch die Veröffentlichung dieser Berichte. Der erste vom 21. Dezember wurde zwar der Presse, aber nicht dem Beschuldigten zugänglich gemacht, was dem Sekretär des Komitees unbekannt blieb. Bei dem zweiten Bericht wurde Mr. Berle erklärt, daß er „voraussichtlich“ nicht veröffentlicht werde — 20 Minuten, nachdem ihn die Presse bereits mündlich erhalten hatte, und 15 Minuten vor seiner hektographierten Verteilung! Das erfuhr Mr. Berle erst zu Hause durch Anrufe von Pressevertretern. Als er am nächsten Tag eine Kopie verlangte, erklärte der Sekretär, den Bericht nie gesehen zu haben und daher für angebliche Unrichtigkeiten nicht verantwortlich gemacht werden zu können. Da er am nächsten Tag nach Porto Rico verreisen mußte, erhielt er die Zusicherung, daß in seiner Abwesenheit nichts geschehen werde. Aber schon am Tag nach seiner Abreise erschien ein Bang-Jensen abträgliches Kommunique und der Vorsitzende der Kommission hielt eine lange Pressekonferenz ab, zu der Bang-Jensen nicht eingeladen wurde und daher nichts widerlegen konnte.

Als Mr. Berle nach seiner Rückkehr dem Komitee eine Eingabe ankündigte, in dem Punkt für Punkt dessen Unrichtigkeiten widerlegt würden, wurde ihm erklärt, daß sie nicht angenommen werde, weil die Aufgabe des Komitees bereits beendet sei. Bang-Jensen konnte nur mit Mühe eine Kopie des Berichts erhalten, aber nur unter der strengen Bedingung, dessen Inhalt niemandem mitzuteilen. Seinem Anwalt wurde ein zweites Exemplar verweigert, während die Presse und selbst die dänische Regierung — wie aufmerksam! — bereits Kopien erhalten hatten.

Dieser Bericht wurde nun der Disziplinar-kömmission der UN übermittelt. Deren Mitglieder waren Untergebene der Mitglieder des Komitees. Konnte von ihnen eine unbefangene Prüfung der angeblich unrichtigen Feststellung ihrer Vorgesetzten erwartet werden?

Nun trat ein zweiter Anwalt Bang-Jensens, der frühere Unterstaatssekretär im Außenamt, Anthony P a n u c h, ebenso berühmt wie Mister Berle, auf und prüfte die Frage, ob Bang-Jensen durch eine gerichtliche Klage gegen die Mitglieder des Komitees wegen unrichtiger und verleumderischer Behauptungen die wirklichen Tatsachen ans Licht bringen und seine Ehre reinwaschen könnte. In einem seiner Briefe an einen juristischen Funktionär der UN heißt es: „In diesem Falle gibt es ein Element klassischer griechischer Tragödie. Bang-Jensens Rolle ist die des Helden, der rücksichtslos verfolgt wird, weil er die Herausgabe der Liste anonymer ungarischer Zeugen an Beamte des UN-Sekretariats verweigerte, die nachweisbar keine Sicherheitsmaßregeln für die Unverletzlichkeit der Geheimhaltung trafen. Für mich ist das die hohe moralische Bedeutung des Falles, der eine explosive Drohung für die Zukunft des Sekretariats in sich trägt.“

Die nächste Instanz in der inflationierten Bürokratie der UN war die „Vereinigte Diszi-plinarkommission“, der wieder Untergebene der Personen angehörten, deren Feststellungen und Urteile zu überprüfen waren. Keine von ihnen disqualifizierte sich. Eine von ihnen betonte seine Gehorsamspflicht gegen die UN mit den Worten: „Selbst wenn der Generalsekretär seine Mutter ermordet hätte, würde ich mich nicht berechtigt fühlen, dies ohne Erlaubnis zu berichten.“

Schließlich wurde Bang-Jensen am 3. Juli 1958 entlassen. Im Entlassungsschreiben wurde ihm unter anderem ausdrücklich vorgeworfen, „daß er ohne Berechtigung einzuvernehmenden Zeugen Zusicherungen gemacht und diese nachher unrichtig ausgelegt hätte“. Er beantwortete dies in einem ausführlichen Memorandum an den Generalsekretär, in dem er alle Fehler des Verfahrens aufzählte. Unter anderem stellte er fest, daß in den acht Monaten vom 8. Februar bis 9. Oktober 1957 niemand verlangt hätte: erstens die Liste der Zeugen zu sehen, zweitens über die Art der Verwahrung dieses geheimsten Dokumentes, von dessen Sicherheit Menschenleben abhingen, informiert zu werden.

Er appellierte an die letzte Instanz, das Verwaltungsgericht der UN, das seine Sitzungen wenigstens öffentlich abhält. Dieses wies seine Berufung ab, weil er sich auf Urkunden bezogen hätte, die er nicht vorlegen konnte. Ein Vertreter des Sekretariats bezeugte, daß nicht einmal ein dänisches Gericht ihm Zugang zu solchen Urkunden gestattet hätte. Er dürfe auch nicht seine Anschuldigungen durch Urkunden im Besitz der Gegenseite beweisen. Da Bang-Jensen der Zutritt zu seinen eigenen Urkunden nach seiner Entfernung aus dem Gebäude entzogen war, befanden sich die Urkunden beider Teile im Besitz seiner Gegenseite. Das störte das Verwaltungsgericht nicht. Schlußwort Bang-Jensens: „Wenn ein solches Verfahren zulässig ist, darf kein Angestellter der UN es wagen, auf Unregelmäßigkeiten hinzuweisen.“

Die Presse Dänemarks, der Schweiz, der USA erörterte den Fall mit scharfer Kritik gegen die UN. Epstein hat in seiner Schrift alle diese Tatsachen aufgezählt, belegt und die Schuld verschiedener Funktionäre der UN abgegrenzt. Wenn auch Persönlichkeiten, wie Hammarskjöld,

Ein Blick auf die Landkarte von Amerika zeigt jedem Kinde, wo der neuralgische Punkt für eine kriegerische Auseinandersetzung liegt; die beiden Weltkriege bewiesen es, erst recht ein kommender, bei dem es von Kontinent gegen Kontinent geht. Der Punkt heißt Mittelamerika.

Kuba macht in letzter Zeit von sich reden. Obwohl Fidel Castro kein Kommunist ist, aber ein wilder Fanatiker, genießt er das,Wohlgefallen der kommunistischen Zentrale für Lateinamerika, die in Mexiko ist, und sich unter den Flügeln der Botschaft der UdSSR verbirgt, mit

Bunche, Cordier, über jeden Verdacht erhaben sind, die UN ist es nicht. Sie suchte nach dem Tode Bang-Jensens die Ursache seiner Entlassung abzuleugnen. Das gab Anlaß zu dem Wortwechsel zwischen Hammarskjöld und Epstein in der Pressekonferenz vom 3. März 1960, über die hier am 12. März berichtet wurde.

Die Wiederholung eines solchen Vorfalls, der dem Ansehen der UN nicht nützt, kann nur durch Änderung ihrer Verfahrensregeln vorgebeugt werden. Die Rechte der Angestellten im Untersuchungs- und Disziplinarverfahren müssen besser gesichert werden, nicht durch die Zahl der Vorschriften und Instanzen, sondern durch deren Gehalt. Epstein schlägt in seiner Schrift ein aus Delegationsmitgliedern gebildetes Kontrollkomitee vor, welches das Verfahren überwachen soll. Dabei käme es vor allem auf die richtige Auswahl ihrer Mitglieder an, für die aber nur geringe Garantien gegeben wären.

Vielleicht wird der treue Diener, der für sein Versprechen starb, noch im Tode seinem Herrn einen Dienst erweisen, indem er zur Läuterung gewisser Einrichtungen Anstoß gibt. ihren 600 Mann Personal die stärkste diplomatische Mission der Welt.

Von Kubas Hauptstadt aus, Havanna, überblicken wir leicht das britische Commonwealth „Westindien“ mit der Hauptstadt Port of Spain und das niederländische Kolonialgebiet, den An-tiilenbund, mit Guayana und den Antilleninseln.

Beide Föderationen sind unter dem Druck vor zwei Jahren zustande gekommen, „aus dem verhaßten Kolonialstatus herauszukommen“. Heute ist von der Begeisterung, mit der das Volk die neueste Frucht der Unabhängigkeitsbewegung bejubelte, wenig mehr zu merken. Die Hoffnung, daß sich aus dem Antillenbund ein Dominion entwickeln werde, scheint sich nicht zu erfüllen. Die Nachfahren der ehemaligen Negersklaven haben zusammen mit den Farbigen asiatischen Ursprungs im Parlament eine überwältigende Mehrheit errungen. Die weißen Herren der benachbarten britischen Kronkolonien, wie Bri-tisch-Guayana (im südamerikanischen Nordost), Britisch-Honduras und die großen Bahamas-Inseln, denken nicht daran, ihre alten Vorrechte beschneiden zu lassen, so weit geht ihre Demokratie nicht.

Die Gründe für ihren Widerstand lassen sich leicht erkennen, wenn man weiß, daß Trinidad die größte Zuckerraffinerie und die größte Ölraffinerie des britischen Imperiums hat. Millionen Gallonen von Rum und Melasse werden alljährlich exportiert. Aus dem Asphaltsee von Pitch Lake können alle Straßen der Welt asphaltiert werden, und er wird nicht leer. Aus Jamaika kommen Bauxit, Rum, Zucker, herrliche Früchte. Aber aller Reichtum nützt den Bewohnern nichts, die Landwirtschaft wird vernachlässigt, der Hunger wütet selbst in den fruchtbarsten Gebieten. Vergeblich wurde versucht, die Auswanderung nach Nordamerika zu fördern. Kanada braucht Arbeitshände, aber von Negermischlingen — 50 Prozent sind Abkömmlinge von Negersklaven — oder von Chinesen und Indern, nein, „das Klima ist zu kalt“.

Wie sich die neugebackene Föderation entwickeln wird, hängt von London ab. Als im April 1958 auf Befehl der Königin Elisabeth ihre Schwester Margaret die Gesetzgebende Versammlung eröffnete, schaute ganz Ibero-Amerika nach Port of Spain. „Die Musik ist verklungen, der Hunger geblieben“, schrieb kürzlich eine Zeitung. Es wäre besser gewesen, Prinzessin Margaret hätte ihre Hochzeitsreise nicht dorthin gemacht. Die liberale Presse hatte seitenlange Berichte über die märchenhafte Hochzeitsfeier gebracht, kein Kino, das nicht den Prunk zur Schau gestellt hätte. Aber der Widerhall war nicht der gleiche wie früher, die heute politisch erwachten schwarzen und braunen Antillenbewohner lassen sich nicht mehr so billig abspeisen. Heute gibt es auch christliche

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