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Die neue Stadt an der Wolga

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Die Artikelreihe „Bis Stalingrad .. wäre unvollständig, ließen wir nicht auch diese „andere Seite“ zu Wort kommen. Der Kommandeur der russischen Angriffsarmee, Marschall J e r-j o m e n k o, berichtete in zusammenfassender Darstellung, daß in der Kämpfen um Stalingrad, die zur größten Niederlage der Deutschen Wehrmacht und zur entscheidenden Wend&#171; des zweiten Weltkrieges führten, Bomben im Gesamtgewicht von mehr ali 100.000 Tonnen abgeworfen worder seien. Die Länge der Front, das heißl der Umfang des Kessels, schwankt! zwischen 400 und 500 Kilometer Nach seinen Angaben verschossen di< deutsche und die russische Armee pre Kilometer etwa 100.000 Granaten Minen und Bomben. An der Schlach um Stalingrad, die Tag und Nacht ge tobt hatte, waren gleichzeitig bis zi eineinhalb Millionen Mann und meh: als 2000 Flugzeuge beteiligt, die Rus sen haben also mit fünffacher Über macht angegriffen. Das Gelände voi Stalingrad wies mehr als 40.000 Born ben- und Granattrichter auf; au jeden Hektar Boden entfielen etwi 400 Trichter ...

Als der USA-Botschafter in de UdSSR, Davis, bald nach dem End< der Schlacht das Trümmerfeld voi Stalingrad besuchte, fragte ihn eil russischer Begleiter: „Was würden di Amerikaner mit einer so zerstörte] Stadt tun?“ Nach einigem Zögern er widerte Davis: „Wir würden die Stad nicht an dieser Stelle wiederaufbauer sondern alles so belassen, einzäune: und ein Riesenmuseum daraus macher Das wäre ein Mittelpunkt des Welt tourismus3.“ Stalingrad wurde wieder aufgebaut auch Tausende deutscher Kriegsgefangene haben dabei viel Schweiß vergossen, vor allem bei den ersten Aufräumungsarbeiten. Vor dem zweiten Weltkrieg hatte Stalingrad 445 000 Einwohner, am Ende der Winter-

Schlacht hausten nur noch 1500 Menschen in den Trümmern — 41.68 5 Wohnhäuser waren zerstört worden! Nun aber, nach dem Wiederaufbau, wird Stalingrad, das die Russen jetzt Wolgograd nennen, bald so viele Einwohner haben wie Wien. Es gibt jetzt sechs Hochschulen mit rund 20.000 Studenten, drei Theater, eine Philharmonie, ein Planetarium und 320 Bibliotheken in der Stadt an dei Wolga. Breite, asphaltierte Straßen mit modernen Häusern sieht man dort, wo vor 20 Jahren ein einziges Ruinenfeld gewesen war. Auf dem Mamajew-Hügel, der fast das gesamte Gelände der Stadt beherrscht und der deshalb Schauplatz blutigster und erbittertster Gefechte war, steht nun der Fernsehsender von Wolgograd; ein Stück unterhalb ist ein Stadion mit 40.00C Plätzen. An den Krieg erinnert nichl mehr allzuviel: ein Monument aul dem Mamajew-Hügel und nicht weil davon ein riesiges Gebäude, in dem mit 120 Meter Umfang ein 16 Metel hohes Rundgemälde die Schlußszener aus der Schlacht um die Stadt zeigt Auf einem Platz davor das Standbilc einer Mutter, die sich leidvoll übei einen sterbenden Soldaten beugt, und an einem Kaufhaus am Roten Plat: eine Gedenktafel, die daran erinnert, daß Feldmarschall Paulus am 31. Jänner 1943 dort die Kapitulation dei 6. Armee unterfertigt hat.

Bei Stalingrad entstanden gewaltig&#171; technische Bauwerke: das gegenwärtig größte Wasserkraftwerk bei der neuer Stadt Wolshki an der Wolga; 139 Millionen Kubikmeter Erdreich wurdet

&#187;ewegt, über sechs Millionen Kubik-neter Beton wurden verwendet, etwa '0.000 Tonnen Maschinen und Stahl-construktionen montiert. Seit 1952 rerbindet der Don-Wolga-Kanal diese jeiden Schicksalsströme der 6. Armee; ämtliche Meere des europäischen leils der UdSSR sind dadurch mitein-inder verbunden, und das kleine <osakennest Kaiatsch, wo sich am !3. November 1942 die Truppen der loten Armee zur Einkesselung der 270.000 deutschen Soldaten vereinten, vurde inzwischen zu einem großen -lafen von fünf Meeren3.

Auch die Aufbauarbeit in unserer leimat und im übrigen Europa zeigt leutlich, was die richtig eingesetzte \rbeitskraft des Menschen leisten kann, wenn sein Geist Werke de&#187; Friedens plant und durchführt.

Welches Unheil aber der gleiche Menschengeist über Millionen bringen kann, wenn er raffinierte Methoden zur Vernichtung der Mitmenschen ausklügelt, mögen uns einige Zahlen über die Kriegsverluste klarmachen: Während des zweiten Weltkrieges fielen 32 Millionen Soldaten an den Fronten, 25 Millionen Zivilisten, darunter Greise, Frauen und Kinder, starben im Bombenhagel in ihrer Heimat; außerdem hinterließ der letzte Krieg 30 Millionen dauernd Kriegsinvalide; 45 Millionen Menschen wurden evakuiert, deportiert, interniert oder aus ihrer Heimat unter grausamsten Umständen vertrieben.

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