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Die neuen Schirmherren

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Die auf rund zehntausend angewachsenen Sowjetischen Militärs in Ägypten werden — wie man erfährt — mit khakifarbenen Sonnenschirmen ausgestattet, um der afrikanischen Sonne besser standzuhalten. Vor wenigen Jahrzehnten noch wurde der britische Tropenhelm von den Arabern als Symbol der Fremdherrschaft angesehen. Die Briten sind die Araber losgeworden, dafür sind nun die Bussen dort. Anders als die Briten—welche den Arabern immerhin auch durch eigenen Einsatz dazu verhalfen, die türkische Oberherrschaft loszuwerden und eigene Staaten zu gründen — begann die sowjetische Durchdringung Arabiens erst nach dem — faktisch durch den Widerstand der palästinensischen Juden gegen die Briten erreichten — Abzug der letzteren aus dem Nahen Osten. Die Russen stützten sich dabei,auf die historische Unreife der jungen arabischen Nationalstaaten, die sich in innerer Labilität und gegenseitiger Eifersucht und Hader ausdrückte, die, wie sich zeigte, nur durch, die Phantasmagorie der Gefährdung durch den winzigen neuen Judenstaat und des Kampfes gegen diesen überbrückt werden konnten. Die Bussen bestärkten die Araber in dieser Obsession, verhießen Unterstützung durch eine in solchem Ausmaße seit dem Weltkrieg ungekannte Versorgung mit Kriegsmaterial im Werte von nicht weniger als 650 Milliarden Schilling (für Ägypten allein etwa 48 Milliarden Schilling) von etwa 1954 bis 1970.

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Die auf rund zehntausend angewachsenen Sowjetischen Militärs in Ägypten werden — wie man erfährt — mit khakifarbenen Sonnenschirmen ausgestattet, um der afrikanischen Sonne besser standzuhalten. Vor wenigen Jahrzehnten noch wurde der britische Tropenhelm von den Arabern als Symbol der Fremdherrschaft angesehen. Die Briten sind die Araber losgeworden, dafür sind nun die Bussen dort. Anders als die Briten—welche den Arabern immerhin auch durch eigenen Einsatz dazu verhalfen, die türkische Oberherrschaft loszuwerden und eigene Staaten zu gründen — begann die sowjetische Durchdringung Arabiens erst nach dem — faktisch durch den Widerstand der palästinensischen Juden gegen die Briten erreichten — Abzug der letzteren aus dem Nahen Osten. Die Russen stützten sich dabei,auf die historische Unreife der jungen arabischen Nationalstaaten, die sich in innerer Labilität und gegenseitiger Eifersucht und Hader ausdrückte, die, wie sich zeigte, nur durch, die Phantasmagorie der Gefährdung durch den winzigen neuen Judenstaat und des Kampfes gegen diesen überbrückt werden konnten. Die Bussen bestärkten die Araber in dieser Obsession, verhießen Unterstützung durch eine in solchem Ausmaße seit dem Weltkrieg ungekannte Versorgung mit Kriegsmaterial im Werte von nicht weniger als 650 Milliarden Schilling (für Ägypten allein etwa 48 Milliarden Schilling) von etwa 1954 bis 1970.

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All dies trug seine bösen Früchte in der Absperrung Israels vom Südmeer durch die Blockade von Scharm-el-Scheik und dem Aufmarsch einer zum Kriegsrausch aufgeputschten vereinigten arabischen Heeresmacht an sämtlichen Grenzen Israels ini Mai/Juni 1967. Der englische General Glubb vertritt die These, daß die Russen die Araber damals bewußt in jene Niederlage hineingehetzt haben. Die weitere Entwicklung gibt ihm dabei recht. Die Araber standen damals vor der Möglichkeit, einen Frieden mit den Israelis zu schließen, der an sich diesem Kleinstaat wichtiger ist als der Besitz der im Juni 1967 eroberten Gebiete. Diese Möglichkeit wurde indes sehr schnell zerstört, als die Sowjets den Arabern überreichlichen Ersatz für alles verlorene Kriegsgut lieferten und dadurch dem arabischen Revanchismus und der Hoffnung auf einen neuen und diesmal erfolgreichen Waffengang enormen Auftrieb verschafften. Die Sowjet-. union lieferte allein den Ägyptern so viel Kriegsmaterial, daß sie anstatt sieben Divisionen vor 1967 nunmehr zwölf besitzen, statt 1000 Panzern jetzt 1300 und statt 350 Flugzeugen 500. Dies hatte dann auch zur Folge, daß Nasser im Mai/Juni 1968 den vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen Waffenstillstand aufkündigte und den „Erschöpfungskrieg“ gegen Israel insbesondere durch

massiven täglichen Artilleriebeschuß über den Suezkanal hinweg auslöste. Die Israeli — die weder über so viel Artillerie noch über so viel Geld verfügen, um täglich 3,5 Millionen Dollar (soviel kosten die Ägypter, oder vielmehr die Russen die dafür verwendeten Granaten) ausgeben zu können — antworteten mit dem erfolgreichen Einsatz ihrer Luftwaffe gegen militärische Objekte der Ägypter am Kanal und im Hinterland. Wieder näherte sich die militärische und damit auch politische Lage der Ägypter einem Tiefpunkt, an dem die Russen sich nun zum direkten Einsatz von sowjetischem Militärpersonal entschlossen. Sie bildeten mit einem System von sowjetisch bemannten SAM-3-Boden-Luft-Raketen-Abschußram-pen einen Schirm über den taktisch entscheidenden Stellen der ägyptischen Front und sicherten ihn weiters durch einen mobilen „Ober-schirm“ von Bskadrillen gleichfalls sowjetisch bemannter Mig-Jagdflugzeuge des allermodernsten Typs. Militärisch ist die Lage nun so, daß Nasser in seiner Mairede in Beng-hazi davon sprechen konnte, daß ihm die Russen durch ihren Luftschirm die Möglichkeit für einen Übergang seines Heeres über den Suezkanal und damit auch für einen neuen erfolgreichen Krieg gegen Israel gewährleisten. Den Russen kommt es jedoch nicht so sehr auf einen solchen Krieg an. Er enthält für sie hinsichtlich Ausgang und anderer Konsequenzen eine Reihe von Unsicherheiten. Sie wollen nicht oder nicht sehr die völlige Vernichtung Israels — zu welcher ein Sieg der arabischen Waffen unweigerlich führen würde. Die Sache Israels ist dafür viel zu historisch impliziert auf dieser Welt. Den Russen liegt viel eher daran, durch eine „politische“ Lösung, durch ein „München“, Israel auf jenen Status ewiger Bedrohtheit von 1967 zurückzuführen, der den Russen zusätzlich Möglichkeiten zur Ausübung von Druck auf die Amerikaner verschaffen und sie außerdem in ihrer neuen Rolle als Schirmherren des Nahen Ostens befestigen würde. Gerade diese Rolle wäre jedoch durch eine Vernichtung Israels und durch 45 Millionen militärisch siegreiche Araber, die den Russen leicht über den Kopf wachsen könnten, gefährdet. Alldies geschieht fernab von unserem kleinen Lande einem noch kleineren Lande, oder soll ihm nun geschehen. Es scheint an der Zeit, daß die dem sowjetischen Block nicht an-gehörigen Nationen, aber auch gewisse Kreise der Jugend, die sich von der Sache Israels nach dessen Sieg im Juni 1967 abwandten, erneut prüfen, wer im Nahen Osten eher der moralischen Unterstützung bedarf: jene Großmacht, der es nichts ausmacht, ihrer imperialen Interessen und Ziele wegen, die Kriegslust von 45 Millionen Arabern — die sich nicht unbedingt auf Wunsch abbremsen läßt — anzufachen und auszunützen, oder der Friede und die gesicherte Existenz, welche die Araber und die Israeli in gleicher Weise verdienen. Im Münchner Abkommen (Herbst 1938) gaben Frankreich und England die CSSR an Hitler preis und glaubten dadurch die Welt vor dem neuen Krieg zu retten. Gewisse Kreise im Westen geben sich derzeit ähnlichen Illusionen bezüglich des Nahen Osten

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