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Die Prager Kirche hofft noch immer

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Als zu Beginn des Jahres 1968 in der Tschechoslowakei das anfing, was man den „Prager Frühling“ nannte, d. h. die Machtergreifung jener Intellektuellen innerhalb der Kommunistischen Partei, die es sich bei allem Festhalten an ihrer marxistischen Weltanschauung zum Vorsatz gemacht hatten, dem Kommunismus „ein menschliches Antlitz zu geben“, da nahm auch die Kirche in der Tschechoslowakei, an der die Kommunisten nicht wenig gutzumachen hatten, in etwa an dieser Liberalisierung und Demokratisierung der geistigen Führung teil.

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Als zu Beginn des Jahres 1968 in der Tschechoslowakei das anfing, was man den „Prager Frühling“ nannte, d. h. die Machtergreifung jener Intellektuellen innerhalb der Kommunistischen Partei, die es sich bei allem Festhalten an ihrer marxistischen Weltanschauung zum Vorsatz gemacht hatten, dem Kommunismus „ein menschliches Antlitz zu geben“, da nahm auch die Kirche in der Tschechoslowakei, an der die Kommunisten nicht wenig gutzumachen hatten, in etwa an dieser Liberalisierung und Demokratisierung der geistigen Führung teil.

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Die kommunistisch gegängelte „Friedenspriesterbewegung“ wurde aufgelöst; der Numerus clausus der Theologiestudenten — durch Jahre hindurch auf je 20 Tschechen und Slowaken festgesetzt — durfte fallen; der Religionsunterricht, durch bürokratische Maßnahmen verkompliziert und durch Drohungen gegen Eltern und Kinder mit der Gefahr beruflicher Behinderung in der Mehrzahl der Fälle verunmöglicht, begann sich gewisser Freiheit zu erfreuen; einige der infolge von Hochverratsprozessen und anderen Schikanen „amtsverhinderten“

Bischöfe wurden rehabilitiert und durften auf ihre Stühle zurückkehren; zwei von den weiblichen Kongregationen, die grundsätzlich auf Aussterbeetat gesetzt waren und nur bei unheilbar Kranken oder als billige Arbeiterinnen in der Industrie tätig sein durften, bekamen wieder die Erlaubnis, Nachwuchs aufzunehmen; • eine Maigründipgs-versarnmlung einer „Bewegung der konzliaren Erneuerung“, welche die „Friedenspriester“-Organisation ersetzen sollte, berechtigte zu den schönsten Hoffnungen; die Wiedereinsetzung von rund 1500 Priestern, die in den Schauprozessen der „stalinistischen“ fünfziger Jahre verurteilt, später wohl amnestiert worden waren, aber nur in der Produktion Beschäftigung nehmen konnten, ohne ihre priesterlichen Funktionen auszuüben, wurde in Aussicht gestellt, ebenso die Wiederzulassung der männlichen Orden, welche in der gleichen Epoche durch die Bank aufgelöst worden waren. Man hörte auf, sich „als Kirchenbesucher“ als Bürger zweiter Klasse mit sehr begrenzten intellektuellen Berufsmöglichkeiten fühlen zu müssen: kurz, der Frühling schien auch auf diesem Gebiete einigermaßen zu neuen Zeiten der Blüte und des Reifens lang vermißter Früchte zu berechtigen.

Der 21. August 1968 mit der Invasiop der Warschauer-Pakt-Truppen unter moskowitischem Befehl in die „konterrevolutionsbedrohte“ Tschechoslowakei fand die Katholiken darum durchaus auf seifen der Reformkommunisten: und es kann wahrheitsgemäß festgestellt werden, daß sich der seitdem ausgeübte allgemeine Druck des Kremls mehr in den Nuancierungen des kommunistischen Lagers selbst denn auf kirchlichem Bereich ausgewirkt hat. Freilich, von Normalisierung ist noch nicht zu reden. Sichtbares negatives Geschehen seit damals ist die Verweigerung der offiziellen Bewilligung für die „Bewegung der konziliaren Erneuerung“: In diesem Punkt redete man Sich behördlicherseits auf das Verbot der Gründung „neuer Organisationen“ aus.

Ansonsten wurde bisher nichts rückgängig gemacht, was der Prager Frühling der Kirche gebracht hatte. So konnte die Prager katholische Wochenzeitung „Kafolicke noviny“ — eine Zeitung, der man seit 18 Jahren den Umfang von nur vier Seiten wegen angeblichen Papiermangels zugesteht —.in ihrer ersten Ausgabe des ''Jahres ■ 1969 ein Interview mit dem wiedereingesetzten Brünner Bischof Dr. Karel Skoupy veröffentlichen, der mit seinem Generalvikar Dr. Vladimir Noväöek im Dezember einen Besuch beim Heiligen Vater in Rom hatte machen dürfen: Aus diesem Interview, das heißt, alus der Wiedergabe dessen, was der Bischof dem Papst über die Lage in seiner Diözese hatte berichten können, wurde ersichtlich, daß die Priesterzahl in seiner Diözese die Hälfte von dereinst — also vor der Installierung des kommunistischen Regimes 1948 — betrage, daß aber in diesem Jahre die Aufnahme neuer Theologiestudenten reibungslos vor sich gegangen sei und sich die Situation daher hoffnungsvoller abzeichne.

Doch seien viele neue Siedlungen in der Tschechoslowakei ohne Kirche — eine Erscheinung, die dem Brünner Bischof freilich auch in der Agglomeration von Rom aufgefallen ist. Der Bischof kannte dem Papst ein Album mit Photographien vom kirchlichen Leben in Brünn übergeben, desgleichen einen von den Brünner St.-Hedwig-Schwestern gestickten Ornat..Für den 14. Februar,, dem 1100. Todestag- des heiligen Slawenapostels Cyrillus, der mit dem heiligen Methodius vom griechischen Saloniki aus durch das damalige Pannonien bis in die Gebiete der heutigen Tschechoslowakei gekommen ist, versprach Papst Paul VI den Bischöfen, Priestern und Gläubigen der Tschechoslowakei einen besonderen Hirtenbrief, der in allen Kirchen zur Verlesung gelangen wird.

Ein Hauptübel der gegenwärtigen Situation der Kirche in der Tschechoslowakei ist die „Langsamkeit“, mit der die Rehabilitierung der seinerzeit verurteilten Priester und damit deren Rückkehr zu den priesterlichen Funktionen erfolgt, bei denen man sie dringend benötigt. Man schätzt die Zahl der noch in der Produktion arbeitenden Priester auf mehr als 1000. Die Beamten des Ministeriums für Information und Kultur, in deren Kompetenz diese Fragen fallen, haben im Prager Frühling nur in den oberen Rängen gewechselt: Die anderen sind alle geblieben, sind also „Stalinistan“ und bremsen den kirchlichen Fortschritt auf diesem Gebiet. Das ist schmerzlich und diskriminierend.

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