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Die Presse im heutigen Deutschland

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Der Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes hatte auch eine völlige Umstellung auf

journalistischem Gebiet zur Folge. Von den bisherigen Journalisten, die meist Pg. waren, kamen wenige für die neuen Aufgaben in Frage. So griffen die Besatzungsbehörden zunächst auf Männer zurück, die vor 1933 in der deutschen Presse tätig waren, und — besonders in der rassischen Zone. — auf jene, die während des Hitler-Regimes im Ausland gelebt hatten. Eine dritte Kategorie, die der „Unbeschriebenen“, die den Nachwuchs darstellt, wird sorgsam überprüft — aber sie drängt stürmisch in den Vordergrund.

Ein Uberblick über Entwicklung und Struktur der heutigen deutschen Presse zeigt eine parallele Entwicklung mit jener in Österreich — aber Deutschland liegt noch stark im Hintertreffen. Während zum Beispiel bei uns auch' in den Bundesländern schon eine ansehnliche Tages-presse erscheint, existieren zum Beispiel in der USA. - Zone Deutschlands nur zweimal wöchentlich erscheinende Or-g a n e. Selbst München und Frankfurt verfügen bis heate über keine Tageszeitungen. Auch gibt es dort erst seit ein paar Wochen, von den einzelnen Parteien herausgegebene Wochen-Blätter, während bisher Ljzenzen nur an überparteiische Zeitungen erteilt wurden, in deren Redaktionen Vertreter aller demokratischen Richtungen saßen. Selbstverständlich gibt es auch in Deutschland Blätter, die von den Besatzungs-bebördea selbst herausgegeben werden.

Eine gewisse Ausnahme macht Berlin, das von vielen Beobachtern als „Zejtungsparadies“ bezeichnet wird. Dort erschienen im Jänner 1946 13 Zeitungen it einer Auflage von zusammen dm Millionen Exemplaren. Wenn man bedenkt, daß 1937/38 für vier Millionen Berliner nur 2J5 Millionen Zeitungen gedruckt wurden, so will oSe heutige Auflage als recht beträchtlich erscheinen. Hier bestehen auch schon Tageszeitungen der einzelnen Parteien. Die Titel sind völlig neu, und keines der Blätter vor 1933 ist wiedererstanden.

Knapp nach den Kampfhandlungen um Berlin, erschien als erstes Blatt die „T ä g 1 i c h e R u n d-s c h.a u“, die von der Roten Armee herausgegeben wurde; sie hat heute eine Aufla 600.000 Stück. „Der Berliner“ ist das Organ der britischen Militärbehörden, ein Nachrichtenblatt, das bei der Bevölkerung sehr beliebt ist, und 300.000 Auflage hat. Dieselbe Zahl erreicht auth der „T agesspiege 1“, ein kommerzielles Organ unter USA.-Ljzenz, das gegen alle autoritäres Tendenzen gerichtet ist und einem Föderalismus das Wort redet. Von der französischen Militärregierung wurde der „K u r i e r“ lizenziert, der die erste Abendzeitung Berlins ist und erst seit einiger Zeit erscheint. Mit russischer Genehmigung erscheinen ferner der „Nachtexpreß“, ein ausgesprochenes Boulevardblatt, die „Freie Gewerkschaft“ und der „Freie Bauer“.

Die Organe der vier großen Parteien werden noch mit einiger Zurückhaltung gelesen. „D a s Volk“ ist das Sprachrohr der Sozialdemokratischen Partei und bringt es auf 200.000 Auflage. Das kommunistische Parteiorgan ist die „Deutsche V o 1 k s z e i t u n g“ (300.000 Exemplare), die dem Programm und den Veranstaltungen der Partei einen großen Platz einräumt. Bisher trat sie auch für den deutschen Einheitsstaat ein. Eine Auflage von 200.000 Stück besitzt der „M o r g e n“, das Blatt der LiberaWemokratischen Partei, während die „Neue Zeit“, das Organ der Christlichdemo-kratischen Union, nur' eine Auflage von 100.000 hat.

Als Organ des Berliner Magistrats erscheint schließlich mit 300.000 Auflage die „Berliner Z e i t u n g“, deren Notwendigkeit von anderen Blättern vielfach bestritten wird.

Eine Reihe von verschiedenen Organen wird auch in den einzelnen Zonen herausgegeben. In München kommt seit 6. Oktober 1945 die „Süddeutsche Zeitung“ heraus, als deren Herausgeber Edm. Goldschagg, Dr. Schöningh und August Schwingenstein zeichnen. Sie erscheint mit sechs Seiten zweimal wöchentlich. Als Organ der USA.-Militärregierung wird die von Hans Wasenberg geleitete „N e u e Zeitung“ in Frankfurt verbreitet, die einen sehr interessanten Inhalt aufzuweisen hat und auch dem Leser das Wort gibt. Am selben Ort erscheint auch die „Frankfurter RundscnW, welche von einem Stab“ bekannter Antinazi aller Richtungen herausgegeben wird. .

Auch Stuttgart, Wiesbaden, Heidelberg, Würzburg, Darmstadt haben schon ihre Zeitungen. Als letztes, 23. lizenziertes Blatt der USA.-Zone erscheint seit Dezember 1945 die „Fränkische Presse“ in Bayreuth (Auflage 60.000).

Eine ähnliche Entwicklung der deutschen Presse fand in der britischen Zone statt. Dort existiert die von der britischen Militärregierung herausgegebene „Ruhr-Zeitung“. In Düsseldorf erscheint die „N eue Rheinische Landeszeit u n g“, die ihren Namen jenem Organ entlehnt hat, in dem Karl Marx im vorigen Jahrhundert eine bedeutende Rolle gespielt hat. Der „Hannoversche Kurier“ ist eines der wenigen Blätter, die auch während der Zeit der Nazidiktatur bestanden und sie überlebt haben.

Nur spärliche Nachrichten sind über den Stand der heutigen Presse aus der französischen und der russischen Zone außerhalb Berlins zu erhalten. Die Entwicklung in der französischen Zone ist eine sehr langsame. Dort erscheint unter anderem ein Blatt „Süd-Kurier“, in der russischen Zone stehen die Organe der Linksparteien an der Spitze. Von den Herausgebern wird allgemein über die Vorzensur der Zeitungen geklagt. „Fährt der Zensor weg — haben die Leser keine Zeitung.“ Dies berichtete vor kurzem die „Süddeutsche Zeitung“.

Am 2. Februar 1946 jährt sich zum 500. Male der Todestag des großen ' italienischen Erziehers Vittorino da Feltre. Noch immer ist nicht pädagogisches Allgemeingut, vielfach noch immer erst Gabe an die Zukunft, was der seiner Zeit weit vorauseilende große Pädagoge im Rahmen seiner von ihm gegründeten Schule, der weithin bekannten „Casa giocosa“, dem „Haus des Frohsinns“, geschaffen ,hat.

Diese berühmte Schule dürfte ganz einem unserer besten Landeserziehungsheime oder einem modernen Internattyp geglichen haben; für das 15. Jahrhundert war sie eine ganz besondere Leistung. In der berühmten Casa giocosa von Mantua wurden die Prinzen des Fürstenhauses und noch 70 bis 80 aridere Knaben erzogen. — Die Schule lag in der schönen Umgebung von Mantua an einem malerischen Platz, mitten im Grünen, am Ufer eines kleinen Sees. Das Seminarium (Schulhaus) war mit Hallen und Galerien geziert, Springbrunnen schmücktenj die Höfe, schöne Gemälde die Wände. Der; körperlichen Ertüchtigung wurde großes Augenmerk zugewendet, durch Spiel und Sport — für die damalige Zeit etwas ganz Neuartiges — viel für die körperliche Gesundheit und die Abhärtung der Jugend getan.

Das Lernen sollte zu einer Freude werden. Um die Lust dazu zu wecken, spornte Vittorino da Feltre den Wetteifer an, dem er einen edlen, sportlichen Sinn zu geben verstand. — Im Unterricht standen die lateinischen (daneben aber auch die griechischen) Klassiker an erster Stelle, gewählt waren die sittlich, einwandfreien. Auch andere Fächer, wie Mathematik, Logik und Metaphysik kamen bei seiner Methode zu ihrem Recht. Er nahm selbst an den Andachtsübungen seiner Schüler teil und ging auch hier mit seinem Beispiel voran. Vittorino da Feltre war ein hoher Idealist; er verwandte sein hohes Einkommen ganz für arme Schüler, so daß er, als er 1446 starb, nichts hinterließ und auf Staatskosten bestattet werden mußte.

Sein Seminar wurde für die Schultypen späterer Jahrhunderte Vorbild; die Jesuiten und Philantropisten folgten der von ihm vorgezeichneten Spur, und auch für uns hat er noch viel zu sagen. Obschon 500 Jahre im Gebiete der Pädagogik eine lange Zeit sind, spricht uns bei Vittorino da Feltre vieles ganz modern an. Man hält heute stolz für eine Errungenschaft unserer Tage, was schon jahrhundertealt ist. Auf Vittorino da Feltre geht der pädagogische Plan des Landeserziehungsheims sowie die Idee der ethischen Konzentration zurück, die im 19. Jahrhundert besonders Willmann wissenschaftlich ausgebaut hat.

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