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Die Republik und das Haus Habsburg

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Als Rudolf Graf von Habsburg am 29. September 1273 zum deutschen König gewählt war, richtete er sein Bestreben in erster Linie darauf, Ordnung im Reich, das der Dichter auch damals lieber „römisch arm“ hätte nennen mögen, zu schaffen. Das galt ganz besonders in den Ländern, die heute die Republik Oesterreich bilden. In der Schlacht zwischen Jedenspeigen und Dürnkrut warf er am 26. August 1278 den Eindringling Pfemysl Ottokar von Böhmen nieder und zog die Länder Oesterreich, Steiermark, Kärnten und Krain sowie die windische Mark als erledigte Reichslehen ein. Der Gedanke, diese Gebiete, das Erbe der ausgestorbenen Babenberger, seinen. Söbnen zuzuwenden, kam dem König erst im Laufe der Dinge. Bald schloß er mit den Hochstiften Verträge ab, die seinen Söhnen Albrecht und Rudolf deren Lehen sicherten, durch kluge Verhandlungen wurden die Bistümer Gurk, Seckau und Lavant gewonnen, und 1279 kaufte er dem Grafen Ulrich von Heunburg und seiner Gemahlin Agnes ihre Ansprüche gegen 6000 Mark Silber ab. 1281 konnte er ins Reich zurückkehren und seinen Sohn Albrecht als Reichsstatthalfer zurücklassen. Zu Weihnacht 1282 erhob König Rudolf seine beiden Söhne Albrecht und Rudolf in. den Reichsfürstenstand und belehnte sie unter Zustimmung der Kurfürsten mit den österreichisch-steirischen Ländern. Seither sind die Mitglieder der Familie dieses Hauses in Oesterreich daheim, und manch einer hat dies Land recht gut regiert — manch anderm blieb das Glück wohl zeitweise weniger hold. In Welcher Familie war, ist und wird das anders sein?

Als der erste Weltkrieg 1918 unter den Trümmern, die er hinterließ, auch den Thron des Hauses Habsburg begrub, hielt es die junge Republik Oesterreich für notwendig, die Mitglieder der ehemaligen Herrscherfamilie des Landes zu verweisen. Das ist eine Maßregel, die sozusagen zum guten Ton jeder Revolution gehört, und kein Mensch, der loyal zur republikanischen Staatsform steht, wird daraus der Republik oder den Politikern der damaligen Zeit einen Vorwurf machen. Im Gegenteil, man wird anerkennen müssen, daß man damals mit Mäßigung und Zurückhaltung vorging. Selbstverständlich wurden die Herrscherrechte des Hauses Habsburg-Lothringen als aufgehoben erklärt und allfällige Erbverträge für ungültig. Aber das angestammte Haus wurde aus der Heimat nicht dauernd vertrieben.

Das Gesetz vom 3. April 1919, StGBl. Nr. 209, über die Landesverweisung des Hauses Habsburg-Lothringen anerkannte sogar in juristisch eindeutiger Weise, daß die Mitglieder der ehemaligen Herrscherfamilie Oesterreicher sind und blieben, auch, da sie des Landes verwiesen wurden. Das Gesetz traf zwei wichtige und klare Entscheidungen. Es sprach keine Ausbürgerung, keine Aberkennung d e r S t ä a t s b ü r g e r s c h a f t aus und es unterschied zwischen dem Träger der Krone und den anderen Mitgliedern der Familie.

Eine absolute und unabänderliche Landesverweisung sprach es nämlich nur gegen den „ehemaligen Träger der Krone“ aus; also gegen Kaiser Karl, der seit Jahrzehnten tot ist. Die „sonstigen Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen“, also die ehemaligen Erzherzoge und Erzherzoginnen, wurden nur ausgewiesen, „soweit sie nicht auf ihre Mitgliedschaft zu diesem Hause und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichtet und sich als getreue Staatsbürger der Republik bekannt haben“. Die Staatsbürgerschaft wird schon hier nicht in Frage gezogen! Das Gesetz verlangt lediglich ein Bekenntnis zur. Staatsform, das neben dem Verzicht auf Herrschaftsansprüche abzugeben ist. Ferner verfügt das Gesetz, daß die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates festzusetzen hat, „ob diese Erklärung als ausreichend zu erkennen sei“.

Die Regierungvorlage zu diesem Gesetz war weitergegangen. Sie hatte die absolute Landesverweisung für alle Mitglieder der Familie und darüber hinaus auch die des Hauses Bourbon-Parma vorgesehen, da diese mit den Habsburgern durch die Heirat Zitas und Karls verschwägert wäre. Der Verfassungsausschuß t r a t dementgegen. Die Landesverweisung wurde für die Dauer nur auf Kaiser Karl eingeschränkt, die Rückkehrmöglichkeit den anderen Familienangehörigen, wie dargestellt, geboten und die Landesverweisung des Hauses Bourbon-Parma überhaupt fallengelassen. Der Verfassungsausschuß ging dabei von der sehr richtigen Erwägung aus, daß die Angehörigen der Familie Bourbon-Parma als Landesfremde jederzeit ausgewiesen werden können und daß es daher keines Gesetzes bedarf, um diesen Zweck zu erreichen.

Auf diesen grundlegenden Unterschied der Aberkennung der Staatszugehörigkeit und der bloßen Landesverweisung macht die bedeutendste juristische Autorität der damaligen Zeit und der erste Kommentator dieses Gesetzes, der es im dritten Teil seines Werkes „Die Verfassungsgesetze der Republik Deutsch-Oesterreich“, herausgegeben und erläutert hat, Prof. Dr. Hans Kelsen, ein sicherlich unverdächtiger Zeuge, nachdrücklich aufmerksam (siehe a. a. O., S. 164 ff.). Der Verfassungsausschuß gab damals überdies die Erklärung ab: „Haben die ehemaligen Erzherzoge und Erzherzoginnen eine solche Erklärung abgegeben, dann ist nach Ansicht des Verfassungsausschusses kein Grund vorhanden, ihnen den Aufenthalt in der Republik zu verwehren.“ Es ist bekannt, daß einige Mitglieder der ehemaligen Herrscherfamilie längst in den Bereich der Republik zurückgekehrt sind und hier als friedliche Bürger ein ruhiges und zu keinerlei innerpolitischen Verwicklungen Anlaß gebendes Leben führen. Sie haben sich jeglicher politischen Betätigung enthalten und sich selbst den Veranstaltungen monarchistischer oder legitimistischer Kreise ferngehalten. An der Loyalität der ehemaligen Herrscherfamilie unserem Staatswesen gegenüber zu zweifeln, besteht daher keinerlei Ursache. Der Todesfall eines ehemaligen Erzherzogs in Tirol blieb ebenso frei von politischen Kundgebungen wie die Hochzeit, die kürzlich im Hause eines in Niederösterreich lebenden Mitgliedes der ehemals regierenden Familie stattfand.

Man sollte meinen, daß, da die Entthronung des Hauses Habsburg nun bald vierzig Jahre zurückliegt und sich die republikanische Staatsform in Oesterreich: in kaum erschütterbarer Weise gefestigt hat, dieser Rechtslage allgemein Rechnung getragen wird. Die Tatsachen liegen aber anders. Aus Deutschland kommt die Nachricht, daß die westdeutschen Behörden Doktor Otto Habsburg wissen ließen, er möge seine und seiner Familie Staatszugehörigkeit nachweisen, widrigenfalls er und diese als Staatenlose behandelt werden müßten. Denn sowohl der Sohn des letzten Kaisers wie seine Gemahlin und seine drei Kinder verfügen über keine Personalausweispapiere. Deren Beschaffung aber stößt bei den zuständigen Behörden in Oesterreich auf erhebliche Schwierigkeiten. Dr. Otto Habsburg macht bekanntlich seine Reisen mit einem Paß, den ihm der souveräne Malteserritterorden ausgestellt hat. Das ist eine Krücke, die nun schon Jahrzehnte dienen mußte. Solange der Mann jung und ledig war, mag das angegangen sein, nun aber wird es Zeit, daß dem Recht Genüge geschieht!

Auch für den Kaisersohn, sein Weib und Kind muß Recht Recht bleiben. Es gibt kein echtes Hindernis, Dr. Otto Habsburg, seiner Gemahlin und den Kindern seiner ehelichen Verbindung die Personaldokumente zu verweigern. Wer und was hindert ihre Ausfolgung? Die Rechtslage ist eindeutig. Sie alle sind österreichische Staatsbürger. Sie dürfen zwar, solange sie die oben erwähnte Erklärung nicht abgegeben haben, das Land nicht betreten. Das aber ändert nichts an ihrem Personalstand. Sie sind Verbannte, aber sie sind Oesterreicher! Auch ihnen gegenüber ist das Recht zu wahren. Das Recht, das klare, geschriebene Gesetz ist auf ihrer Seite. Wer will hier das Recht kränken?

Als am Todestag Kaiser Karls seinerzeit einige christlichsoziale Abgeordnete einer Seelenmesse für den verewigten Kaiser beiwohnten, meinten einige übereifrige Sozialdemokraten, sie müßten dies zum Anlaß nehmen, diesen Abgeordneten mangelnde republikanische Gesinnung vorzuwerfen. Da erhob sich kein Geringerer als einer der wahrhaftigen Begründer der Republik, Jodok Fink, und wies die Angreifer in die Schranken. Auch ich bekenne mich wie Jodok Fink zur Republik, und auch ich möchte meine Ausführungen mit den Worten schließen, die er damals zu gebrauchen für richtig fand: „Will man jedem anständigen Menschen das Leben in der Republik verekeln?“

Die Geschichte hat ihr Urteil durch die Entwicklung, die sie nahm, über Jas Haus Habsburg-Lothringen gesprochen. Unser Gesetz hat die Stellung, die der ehemaligen Herrscherfamilie zukommt, geregelt. Nun ist niemand berechtigt, ihr Recht zu beugen!

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