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Die Schlacht und die Folgen

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Am 24. August 1966 erfolgte offiziell die Auflösung des Deutschen Bundes. In einer Sitzung voll bürokratischer Nüchternheit wurde die Liquidierung beschlossen und damit eine Form der mitteleuropäischen Gemeinschaft von zwei Großmächten beendet, die der deutsche Historiker Franz Schnabel dahingehend charakterisierte, daß der Deutsche Bund wohl manche Bürgschaft der Ruhe und des Gleichgewichtes der europäischen Kräfte und der partikularen Kräfte Deutschlands in sich getragen hätte. Allerdings aber meinte Schnabel zweifelnd, daß der Bund den Interessen Preußens und berechtigten Ansprüchen der Nation nur schwer genügen konnte. Preußen hatte bei Königgrätz, verbündet mit Italien, den Schlußstrich unter eine Entwicklung gezogen, die den Bau der Staatenordnung des Wiener Kongresses bis ins letzte erschütterte, wobei zunächst nur die deutsche Frage einer Lösung zugeführt wurde. Am 26. August 1866 widmete die sehr gut unterrichtete Augsburger „Allgemeine Zeitung“ als eines der wenigen der damaligen Organe der deutschen Presse der Auflösung des Bundes einen Nachruf und meinte:

„Das Ende dieses Bundes und der Ausschluß Österreichs von der doppelten neuen Bundeseinrichtung bezeichnet eine der wichtigsten historischen Entwicklungsperioden des Vaterlandes; denn fortan, und nach den Siegen über den mittel- und kleinstaatlichen Partikularismus, steht Preußen fast an dem Ziele seiner Hegemoniebestrebungen. Der letzte Schritt für reale Einheit Deutschlands hat noch über den Dualismus der neuesten Föderation hinwegzuschreiten, welcher dadurch, daß er ganz im französischen Sinn die Nation trennt und schwächt, den Tod so gewiß in sich trägt, daß der Dualismus Österreichs und Preußens im Bund diesem den Untergang bereitete. Die nächste der europäischen Krisen, welche mit Sicherheit in ferner Zukunft zu erwarten ist, wird dieses Ergebnis herbeiführen. Nach dem allem und durch die neuesten militärischen und politischen Erfolge hat der großpreußische Partikularismus zwar die deutsche Suprematie erlangt, allein der weltgeschichtliche Beruf Preußens ruht, wie die bisher gelieferte Skizze zeigt, nicht in diesem Großpreußentum, sondern darin, daß der gegenwärtige Zustand nur als Übergang dazu dient, mit Verzichtleistung auf ein spezifisch preußisches Staatswesen, die deutschnationale Zentralgewalt mit Nationalparlament in sich zu vereinigen, und in solcher Art diejenige Stellung einzunehmen, zu welcher Österreichs Kaiser mit gleicher geistiger Spannkraft und Energie seine Aufgabe für Deutschland erfüllt hätte.“

Am Ende steht Spa

Die zukünftige Umgestaltung der deutschen Verhältnisse ging trotz mancher Bemühungen — man denke nur an die liberalen Tendenzen des unglücklichen späteren Kaisers Friedrich III. — andere Wege. Das Ende war die rühmlose Flucht des letzten Hohenzollern-Kaisers nach Spa. Auf den Schlachtfeldern von 1866 wurde aber nicht nur einer deutschen Einheit, wie sie die Patrioten von 1848 49 ersehnt hatten, der Todesstoß versetzt, der zunächst Schwerstverwundete blieb das Kaisertum Österreich. Der Sonderkorrespondent der Londoner „Times“ stellte schon am 16. August 1866 fest, daß die Macht des Kaisers von Österreich, „sich ein Übergewicht über seine Untertanen zu bewahren und diese sämtliche in Ordnung zu halten, auf die schwerste Probe gestellt wäre“, und fährt fort: „XJnter der Oberfläche der österreichischen Monarchie gibt es gefährliche Strömungen und heftige Wirbel, die nach verschiedenen Richtungen hin einander entgegenarbeiten, und gibt es kein Öl, das die unruhigen Gewässer beruhigen und glätten könnte, und die stürmische Flut menschlicher Gedanken und Leidenschaften will sich nicht niederhalten lassen.“

Was der britische Beobachter andeutete, war die notwendige Konsequenz, die Kaiser Franz Joseph rasch zu ziehen hatte. Der Krieg von 1866, den Bismarck bewußt herbeigeführt hatte, war nicht nur allein ein Krieg um die Vorherrschaft in Deutschland, was viel zu oft hervorgehoben wird, sondern auch ein Kampf auf Leben und Tod für den Habsburger-Staat, da der Gegner imit allen Mitteln revolutionärer Politik den Todesstoß gegen Österreich zu führen bereit war. Das Bündnis mit Italien, die Begünstigung der ungarischen Revolutionäre im Ausland durch die preußische Diplomatie und, am Höhepunkt des Krieges, die forcierte Aufstellung einer ungarischen Legion im Dienst Preußens, die noch als Druckmittel bei den Friedensverhandlungen diente, waren gefährliche neue Waffen. Darüber hinaus hat Bismark mit den Nationalitäten der Donaumonarchie konspirative Verbindungen aufgenommen, um gemeinsam mit einer eventuellen italienischen Landung in Dalmatien vom Südosten her die Brandfackel der Revolution zu nähren. Die berühmten Flugblätter an die „Einwohner des glorreichen Königreiches Böhmen“ mit dem Versprechen einer zukünftigen Eigenstaatlichkeit gehörten zum Requisit der Revoluti- nierung des österreichischen Kaiserstaates. Daher scheint es verständlich, daß in dieser verzweifelten Lage der Kaiser und seine engsten Ratgeber so rasch wie nur möglich zu einem Ausgleich in einer Atmosphäre des überhitzten Nationalismus mit den Nationen kommen mußten, wobei allerdings die Entscheidung nicht zugunsten einer gleichmäßigen Befriedung fiel. Der österreich-ungarische Ausgleich sicherte durch die unerhört geschickte Verhandlungsfüh- führung Franz von Deäks den Magyaren das Gleichgewicht, ja das Übergewicht ihres politischen Lebensgesetzes in einem Staat, der in Zukunft keine Einheit, sondern nur noch zwei Reichshälften umfaßte, deren Verhältnis zueinander mehr und mehr einer Auseinanderentwicklung freie Bahn gab.

Vor allem: die Armee

Mit Recht hat der Wiener Rechtshistoriker Hans Lentze darauf hingewiesen, daß das Grundproblem der dualistischen Verfassung darin lag, daß nach der österreichischen Anschauung die österreich-ungarische Monarchie als solche ein Staat war, während es sich nach der ungarischen Rechtsauffassung eben um eine Staatenverbindung handelte. Das Problem der Gleichberechtigung der anderen Nationen in Ungarn und der Kampf der Nationen der österreichischen Reichshälfte blieben die dauernde Sprengladung an den Grundfesten des Reiches, ganz ab-

gesehen von den schwerwiegenden Problemen, die sich selbst in jenen Gebieten ergaben, die der Kaiser in zäher Verhandlung als gemeinsam zu behaupten wußte. Da ist schon 1867 vor allem die Frage der gemeinsamen Armee ein Kernpunkt der Differenzen gewesen und bis zum Ende der Donaumonarchie geblieben. Das Berufsheer, das in Königgrätz in ungeheurem Opfermut mit einem Elan, der in den zeitgenössischen ausländischen Berichten hervorgehoben wurde, zum letztenmal sich für die gemeinsame Reichsidee aufopferte, mußte der allgemeinen Wehrpflicht weichen. Hier setzte der schwerste Kampf mit der ungarischen Reichshälfte ein, da man in Budapest neben der Erreichung der Quasistaatlichkeit auch noch die eigene Armee dm Gestalt der Hon-

ved verlangte und in der Möglichkeit der Erpressung bei der parlamentarischen Behandlung der Ergänzung für die gemeinsame Armee und Kriegsmarine einen günstigen Ansatzpunkt fand. In einem Memorandum aus dem Jahre 1867 bat der von Kaiser Franz Joseph beauftragte Unterhändler, Oberst des Generalstabskorps Friedrich Freiherr von Beck, der spätere Ohef des Generalstabes, in ergreifenden Worten versucht, den ungarischen Staatsmännern wenigstens auf dem Gebiet der Wehrpolitik den Weg der Vernunft zu weisen. Beck schrieb:

„Oder sollte es ernst sein mit dem Glauben, daß der österreichische Doppelaar, welcher durch Jahrhunderte seine Schwingen schirmend über die Völker ausgebreitet hielt, seine Kraft eingebüßt habe und unter seinem Zeichen nicht mehr gesiegt werden könne, obwohl er zu hundertfachen Siegen geführt? Wir vermögen dies nicht zu denken und wollen uns viel mehr gerne der- wollen uns vielmehr gerne der artige Ausgeburten erhitzter Phantasien bald gänzlich verschwunden sein werden und bei eingetretener Beruhigung der Gemüter auch die Einsicht wiederkommen wird, daß man durch Schwächung der österreichischen Armee auch die ungarische Verteidigungskraft lahmlegt. Jede Erschütterung, die Österreich trifft, fällt auf Ungarn zurück, und dieses müßte an dem Tage zusammenbrechen, an dem der Grabgesang für die Monarchie erschallen würde. Die ungarischen Staatsmänner so-

wie die ganze große gemäßigte Partei erkennen die Richtigkeit dieser Behauptung an, sie werden also auch ihre Regierung stützen in der Bekämpfung jener Gegner,

welche ihr Land durch den Bestand der kaiserlichen Armee bedroht wähnen.

Der Kampf wird ein um so leichterer sein, als sich jeder einsichtsvolle Ungar gestehen muß, daß die Polen, Böhmen und Croaten mit denselben Beweismitteln wie die Honved ihre eigene Armee verlangen würden,

wenn sie Ungarn gewährt werden sollte.

Kann es denn ihnen unbekannt sein, weshalb die Böhmen seit einem Jahr mit der Regierung schmollen, weshalb sie den Reichsrath meiden und ihre Blicke auf Rußland richten?“

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