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Die „Starke Frau“

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Da Leben der heiligen Teresa von Avila. Von Marcelle Au1 air. Deutsche Uebersetzung vo» Oswalt von Nosti tz. Verlag der Arche, Zürich. 491 Seiten

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Da Leben der heiligen Teresa von Avila. Von Marcelle Au1 air. Deutsche Uebersetzung vo» Oswalt von Nosti tz. Verlag der Arche, Zürich. 491 Seiten

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Wenn ein Buch über die große heilige Therese zunächst im französischen Original weiteste und keineswegs nur ausgesprochen religiöse Kreise erobert hat, wenn es dann binnen kurzem in Holland, England, Amerika übersetzt erschien und neuestens in einem Schweizer Verlag vom Rang der „Arche“ auch in deutscher Sprache vorliegt, dann erübrigt es sich, ein solches Buch nochmals zu „kritisieren". Nur darum kann es sich handeln, das deutsche Leserpublikum auf die Art der Vorzüge hinzuweisen, die es von ihm erwarten darf.

Im Fall der Theresienbiographie von Marcelle Auclair sind diese Vorzüge denjenigen nicht unähnlich, die ein sehr guter, künstlerisch hochwertiger historischer Film bieten kann — so stark ist der Eindruck des „Mit-dabei-Seins" beim Lesen dieses Buches, in dem das in jeder Weise ungewöhnliche Leben einer faszinierenden Frau inmitten ihrer kaum weniger faszinierenden Umwelt — dem Spanien des 16. Jahrhunderts — farbensatt und wirklichkeitsnah vor uns abrollt. Die Möglichkeit einer solchen Darstellungsweise verdankt die Verfasserin — neben ihrer hohen schriftstellerischen Begabung — vor allem einer auf ausgebreiteten Reisen durch ganz Spanien erworbenen Milieukenntnis. Diese Reisen führten sie in alle von der „Madre Teresa“ gegründeten Karmelklöster und erschlossen ihr nicht nur ein Quellenmaterial, wie es in solchem Umfang noch keinem Biographen der Heiligen zur Verfügung stand, sondern sie ließen vor ihr zugleich aus ungezählten, unscheinbaren, oft sehr realistischen Einzelheiten ein Bild dieser großen Frau entstehen, wie es so nur wieder von einer vorwiegend am Menschlichen, Persönlichen interessierten Fra« gesehen werden konnte. Gerade dadurch aber ergänzt Marcelle Auclair in wertvoller Weise andere, von anderen Gesichtspunkten her gezeichnete Darstellungen dieses überreichen Lebens. Man wird ihr Buch in der flüssigen und lebendigen Uebersetzung Oswalts von Nostitz gern und mit Gewinn lesen.

Dr. Herma Piesch

Europäische Arbeiterbewegung. Von Ludwig Reichhold. Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main. Zwei Bände, 392 und 340 Seiten. Preis 12 DM.

In einer weitausholenden Ueberschau zeigt der Autor, wie dies vor einem Jahrhundert schon Le Play getan hat, unter welchen historischen Bedingungen sich eine europäische Arbeiterbewegung als Stand zu konstituieren vermochte, und wie sehr sich der europäische Arbeiter, im Kampf gegen den Kapitalismus seine Antithese geworden, vom russischen oder amerikanischen unterscheidet. Nur in Europa konnte nach Ansicht des Autors so etwas wie eine eigenständige, jedoch in der letzten Phase ihrer Entwicklung der Gesellschaft eingeordnete Arbeiterschaft entstehen. Die Gegenwartsgesellschaft ist, eine Folge der Reduktion der Unternehmerposition in der industriellen Gesellschaft, geformt durch die Thesen der Arbeiterbewegung. Ehedem Nicht-Stand, Proletarier (eigentums-, kultureinkommens- und freiheitslos), sind die Arbeiter heute, vermöge insbesondere der Gewerkschaften, welche die potentielle Macht der Arbeiterschaft realisierte, in Machtpositionen aufgerückt. Der Macht der Unternehmer entspricht die Macht der Arbeiter. Eine Folge dieses Machtgleichgewichtes ist die formell über die Sozialpolitik vorgetriebene Erhöhung von Lohn- und Arbeitsbedingungen und die Liquidation von Macht- und Einkommensdifferenzen, welche dem Klassenkampf in seiner ursprünglichen Form das Gepräge gegeben haben.

Die Arbeiterschaft hat nun, Herr ihrer Kräfte geworden, die Chance, die Integration Europas mit zu vollziehen, deren Gesellschaft sie als tragender Stand angehört.

Prof. Dr. Anton Burghardt

The rebirth of Austria. By Richard Hiscocks. Oxford University Press, London. 263 pp.

Das vorliegende Werk des vielen Oesterreichern persönlich bekannten Professors Hiscocks — er war durch dreieinhalb Jahre Leiter des British Council in Wien — ist eine mit erstaunlichem Fingerspitzengefühl und wissenschaftlicher Gründlichkeit verfaßte Studie über den Neuaufbau Oesterreichs von seinen ersten Anfängen im April 1945 bis zur Konstituierung der Regierung Raab. Das resultierende Bild der in diese« acht Jahren geleisteten, gewaltigen Arbeit ist um so wertvoller, al» Hiscocks sich mit Erfolg bemüht hat, ungeachtet der einseitig parteipolitischen Färbung mancher Quellen, die er zu seiner Information benutzen mußte, strengste Objektivität zu wahren; eine oder zwei kleine Abweichungen von dieser Regel sind sicherlich nicht ihm, sondern seinen Gewährsleuten zur Last zu legen. Aus diesem Grunde verdienen auch die leise kritischen oder warnenden Bemerkungen, die er hie und da einflicht, aufmerksame Beachtung; so hinsichtlich des unpersönlichen Charakters der gesetzgebenden Apparatur und det Verlagerung des legislativen Schwerpunkts in den Bereich von Gremien, auf deren Zusammensetzung die allgemeine Wählerschaft höchstens einen sehr indirekten Einfluß ausüben kann; oder in bezug auf ein Proporzsystem, welches dahin tendiert, parteipolitische Gegensätze unnötigerweise zu verschärfen und die Besetzung öffentlicher und halböffentlicher Stellen, bis herab zu subalternen Posten, nicht von der Individualität und der fachlichen Eignung des Anwärters, sondern von der Farbe seines Partei buches abhängig zu machen. Man muß hoffen, daß „The rebirth of Austria" sehr bald auch in einer deutschen Uebersetzung erscheinen und eine weite Verbreitung finden wird; in Oesterreich und auch jenseits der österreichischen Grenzen.

Kurt Strachwitz

Halali. Von E. I. Uiberaeker. 318 Seiten. — Aus Urwald und Heimat. Von Otto vom Heidehof. 304 Seiten. Beide: Verlag „Das Berglandbuch", Salzburg 1953.

Das ist ein erfreulicher Fortschritt in der Jagdliteratur! Bücher dieser Art waren und sind zum Teil noch heute im Jägerlatein, in forscher Aufschneider-Syntax abgefaßt. Hier ist ein erfreulich reines, die Jägersprache fast nur zu hintergründigem Humor verwendendes Deutsch, hier ist Kultur und Folklore, Liebe zu Natur und Kultur — der seltsame Widerspruch im Wesen des Wildtöters (nicht „Schießers"). Uiberacker ist mehr Kavalier, Heidehof mehr Dichter. Beiden gemeinsam die echte Beheimatung in den großen Jagdregionen der alten Monarchie (Karpaten, Bosnien- Herzegowina).

Dr. Roman Herle

Emmerich Kalman. Der Weg eines Komponisten. Von Rudolf Oesterreicher. Amalthea-Ver- lag, Wien. 228 Seiten.

Rudolf Oesterreicher, als Librettist der „Faschingsfee" ehemaliger Mitarbeiter Kaimans, ist ein Mann der leichten Muse auf dem Gebiete der Schriftstellerei. Dies hat aber dem Gelingen seiner Kalman-Biographie nicht geschadet; denn es gewährleistete eine lebendig-fließende Darstellung, die sich vom trockenen Chronikstil wohltuend unterscheidet und durch die Verwendung der Gesprächsform belebt wird. Damit ist auch der freien Erfindung Raum gegeben, so daß romanhafte Elemente eindringen, ohne die historische Seriosität des Diskretion und Geschmack achtenden Autors zu verwischen. Auch der Komponist selbst kommt mit einem autobiographischen Fragment zu Wort. In die Tiefe der geistigen Hintergründe des Phänomens Kaiman leuchtet diese sehr an der Oberfläche bleibende Biographie jedoch kaum, so daß sie, obwohl durchaus empfehlenswert für jeden

Operettenfreund, nicht als Standardwerk der Musikliteratur angesprochen werden kann. Diesen Eindruck bestärkt vor allem das von Hans Arnold im Feuilletonstil beigesteuerte Kapitel über „Kalmans Bedeutung in der Geschichte der Operette“, das nur Zitate aus einigen anderen Büchern und einige oberflächliche Betrachtungen enthält. Gerade hier wäre die Möglichkeit einer wesentlichen Ergänzung der Darstellung Oesterreichers, ein Eingehen auf das innere Wesen der musikalischen Erscheinung des in aller Welt gefeierten Operettenkomponisten möglich gewesen. Elf Seiten des mit Bildern und etlichen Notenbeispielen versehenen Buches umfassen ein von Kalmans Kindern, Charly und Lily, verfaßtes Kapitel: „Kalman — privat"; hier wird das Niveau besonders seicht. Erfreulich dagegen das zum Abschluß beigegebene ausführliche Werkverzeichnis.

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