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Die Stellung des Professors

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Daß der Extraordinarius alter Form verschwinden soll, scheint schon so selbstverständlich, daß diese Forderung nirgends mehr auftaucht: Neue Normen für die Habilitierung stehen weitgehend außer Diskussion.

Auch die Frage neuer Berufungsmodalitäten ist in der bisherigen Debatte schon weitgehend abgeklärt worden. Der Widerstand gegen eine öffentliche Ausschreibung freier Lehrkanzeln hat sich weitgehend gelegt, obwohl (oder gerade weil) man sich nicht viel Nutzen von dieser Ergänzungsmaßnahme erwartet. Wer für die Besetzung einer Lehrkanzel in Frage kommt, sollte den Fachkollegen bekannt sein. Das in einem Entwurf des Ministeriums vorgesehene Verbot von „Hausberufungen“ wird von allen beteiligten Institutionen nur in gemilderter Form akzeptiert Sie soll nicht grundsätzlich ausgeschlossen bleiben, weil man dadurch mitunter beste Kräfte zur Auswanderung zwingen würde.

Explosiv verspricht die Forderung der Studenten zu werden, die Ordinarien nur auf sieben bis zehn Jahre zu bestellen und die Wiederbestellung von einer Wiederholung des Berufsvorganges abhängig zu machen. Hier haben falsch verstandene Amerikanismen mitgewirkt, genährt durch die Beobachtung in einem oder dem anderen Fall, daß der Leistungswille rapid sinkt, wenn das Ziel der Berufung einmal erreicht ist. Diese Einführung würde zur Folge haben, daß niemand mehr einen Lehrstuhl in Österreich annähme oder behielte, dem im Ausland eine Dauerstellung angeboten würde, oder der — wie die meisten Techniker — eine besser dotierte Funktion in der Industrie zugunsten der Professur aufgeben müßte.

Das zweite heiße Eisen ...

... dürfte der dritte Komplex, die Mitbestimmung der Studenten, bringen. Hier gehen die Ansichten quer durch die beteiligten Gruppen. Das Obertrumer Programm der Hochschülerschaft verlangt die „Drittelparität“ in allen Gremien. Vom Senat bis zum Institut sollen jeweils in gleicher Anzahl Professoren, Mittelbau und Studenten gemeinsam beraten und entscheiden. Noch wenige Wochen vor den Tagen von Obertrum hatten sich zwei führende Studentenfunktionäre, Stephan Schulmeister und Wilhelm Dantine, mit einem eigenen Entwurf an die Öffentlichkeit gewandt, in dem sie sich mit jeweils drei Studentenvertretern in den einzelnen Gremien zufrieden gaben.

Die paritätische Mitbestimmung der Studenten wird von den Professoren eindeutig abgelehnt, da sie — im Gegensatz zu den Professoren — für ihre Entscheidungen nicht verantwortlich gemacht werden können, ganz abgesehen davon, daß ihnen die nötige Sachkenntnis fehlt. „Welcher Heerführer kann seine Entscheidungen unter Mitbestimmung der Soldaten Vertreter fällen?“ fragt Prof. Johann Billich (TH Wien) in der „Hochschulzeitung“. „Welcher Erfolg wäre zu erwarten und wie würde die Ärzteschaft eines Krankenhauses Stellung nehmen, wenn sie bezüglich Zimmerbeleguing, Maßnahmen im Operationssaal, medikamentöser Behandlung usw. die Krankenvertreter befragen müßte?“

Trotzdem aber sind schon fast alle Hochschulen schrittweise dazu übergegangen, die Studenten zur Mitberatung heranzuziehen, wo ihre Mitsprache sachlich gerechtfertigt erscheint, bei Studienangelegenheiten, Stipendienfragen und anderem. Die Salzburger begannen unter dem Rektorat von Prof. René Marcic schon vor zwei Jahren. Sie gingen bis zur beratenden Beiziehung von Studentenvertretern in den Senat. In Graz und Leoben wurden „Konvente“ konstituiert, in denen gemeinsame Probleme besprochen werden. Bei den Wiener Philosophen sind die Institutsvertretungen im Aufbau und haben sich bisher allgemein bewährt.

Es gibt also auch hier eine Fülle von Möglichkeiten, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist, konkret gesagt, die Studenten dort zur Mitverantwortung heranzuziehen, wo diese organisch gegeben ist. Und es wird sich nicht nur in diesem Punkt zeigen, daß so manche scheinbar tiefgreifende Änderung schon im autonomen Rahmen vorexerziert werden konnte, sobald man sich nur im Willen, den anderen als Partner, nicht als Gegner anzuerkennen, zusammengesetzt hatte.

Inflation neuer Gremien?

Die Lektüre aller dieser Reformvorschläge hinterläßt aber die Sorge, daß im besten Willen, optimale Lehr- und Lembestimmungen an den Universitäten herzustellen, eine Unzahl neuer Verhandlungs- und Verwaltungsgremien geschaffen werden sollen, die dann allen Beteiligten heute noch kaum erahnbare zusätzliche Belastungen auferlegen müßten. Professoren und Assistenten stöhnen heute bereits über die Verwaltungsaufgaben, die Studenten leiden unter der Überlastung ihrer Lehrer. Die Grazer Techniker weisen auf ihre Erfahrungen hin, daß bei ihnen die Belastung der Professoren und Assistenten im selben Moment entscheidend gemildert war, als den Instituten Sekretärinnen zur Verfügung gestellt werden konnten. Wieviel Reibereien und Unzukömmlichkeiten könnten wohl allein auf diesem Weg beseitigt werden!

Auf viele der im Laufe der Diskussion auftauchenden Einzelprobleme wird noch gesondert einzugehen sein. Zunächst kommt es auf die Zielsetzung an, mit dem die Mitglieder der Reformkommission in die Beratungen eintreten. Die Reform kann zum Ziel haben, den höchsten Bildungsanstalten unseres Landes die bestmögliche Form zu geben, mit der sie den Bildungsaufgaben der Zukunft gerecht werden können. Es kann aber weder Aufgabe der Vorverhandlungen sein, dieser oder jener Partei eine bessere Ausgangsposition bei kommenden Wahlen zu geben, noch ererbte Besitzstände ohne Rücksicht auf das Ganze zu verteidigen, und schon gar nicht, von hier aus die Gesellschaft „umfunk- tionalisieren“ zu wollen.

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