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Die Syburger Aufrechten

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Auf der Hohensyburg beim westfälischen Dortmund hat sich die „Nationalliberale Aktion“ als eingetragener Verein konstituiert: Damit wird die Erinnerung an die Partei beschworen, die in den Wahlen von 1871 und 1877 die stärkste des Deutschen Reichstags wurde, aber auch an die erste in der langen Reihe von

Spaltungen innerhalb des deutschen Liberalismus, deren Geschichte die seine ist, wie man wohl gesagt hat. Nun, gerade eine Partei will die „Nationalliberale Aktion“ zumindest vorerst nicht sein. Sie will die Freie Demokratische Partei (FDP) nicht spalten, sondern vielmehr auf den rechten Weg, den sie nach der Meinung der Gründer in der sozialliberalen Koalition mit der SPD verlassen hat, zurückführen, um-zu erhalten, was außerhalb der beiden großen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, denen der Union und der sozialdemokratischen, noch an liberalem Gedankengut wirksam ist.

So war sie, wenn man von winzigen und bald von der Bildfläche verschwindenden Grüppchen unentwegter Nationalisten absah, unter den Parteien des ersten Deutschen Bundestags, der am 12. September 1949 gewählt wurde, die, die am weitesten rechts stand. Sie hatte 52 Sitze neben 139 der Unionsparteien und 139 der Sozialdemokraten. Konrad Adenauer bildete mit der FDP und der Deutschen Partei, die über 17 Mandate verfügte, die erste Bundesregierung. Zum ersten Bundespräsidenten wurde der Liberale Theodor Heuss gewählt, einer der wenigen Glücksfälle in der deutschen Geschichte des Jahrhunderts. Das Bündnis überstand die erste Wahlperiode und noch die Hälfte der zweiten, dann kam die erste Spaltung des deutschen Liberalismus. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen stürzten die sogenannten „Jungtürken“, meist Angehörige der durch das „Dritte Reich“ und den Krieg geprägten Generation, im Bunde mit den Sozialdemokraten den christdemokratischen Ministerpräsidenten Karl Arnold Die Folge war, daß in Borfh zwar die freidemokratischen Minister unter dem Vizekanzler Franz Blücher in der Regierung blieben, die Fraktion aber zum großen Teil die Koalition mit den Unionsparteien und der Deutschen Partei verließ. Eine vom „Ministerflügel“ geführte „Volkspartei“ scheiterte im Wahlkampf von 1957, der der CDU/CSU die absolute Mehrheit brachte, so daß die neue Spaltung praktisch aufhörte. Nach den Wahlen von 1961, in denen die Unionsparteien die absolute Mehrheit erhielten, kam es zu einer Neuauflage der christdemokratisch/christlichsozia-len-f reidemokratischen Koalition mit Erich Mende, der unter den „Jungtürken“ noch die wenigst aggressive Rolle gespielt hatte, als Vizekanzler und Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. In die nächsten, die vorletzten, Bundestagswahlen im Herbst 1965 ging die FDP mit dem Slogan „Wer FDP wählt, wählt Erhard“. In der Tat hatte sie schon 1961 den freiwilligen Rücktritt Konrad Adenauers noch vor dem Ende der Wahlperiode zur Bedingung ihrer Regierungsteilnahme gemacht. Auf die Frühlingsträume einer kleinen Koalition ohne Adenauer fiel schon ein Jahr später der Reif der Rezession. Die Freien Demokraten verweigerten Erhard Steuererhöhungen und zwangen ihn zum Rücktritt. Danach kam aber nicht die von der FDP erhoffte Gruppierung, sondern die große Koalition. Aus dieser wenig splendiden Isolation befreite sich die FDP, indem sie bei der Bundespräsidentenwahl für Gustav Heinemann stimmte. Daß damals schon abgesprochen war, was im September 1969 wirklich eintrat, wird bis heute bestritten. Es kam die kleine Koaliton, die jetzt regiert. Das Kunststück, wie man die Partei, die in den Wahlen die meisten Stimmen bekommt, von der Regierung ausschließt, indem sich zwei kleinere, 'die zusammen nicht viel mehr Mandate haben, zusammenschließen, war ja schon in Düsseldorf und lange vorher in Stuttgart von Reinhold Maier vorexerziert worden. Der Rest ist bereits Tagesgeschichte. Mit dem 28. September 1969 war der Zustand geschaffen, gegen den jetzt die „NationaMiberale Aktion“ innerhalb der FDP rebelliert. Das Fähnlein der (Hohen-) Syburger Aufrechten kann sich freilich als buntgemischter und „verlorener“ Haufen entpuppen. Ein sehr aktiver „Jungtürke“ von einst Jlst dabei, Siegfried ZogJmann, während sich Erich Mende nur mit einem Solidaritätstelegramm beteiligt hat. Aber auch der Fraktionsvorsitzende der Partei im Düsseldorfer Landtag ist unter (denen, die Bundesaußenminister Scheel, selbst ein überlebender „Jungtürke“, „Pensionäre“ nennt Tkä.'

Immerhin haben es die Anhänger der „Nationalliberalen“ in der Hand, die Regierung Brandt/Scheel zum Sturz zu bringen. Ob sie den Verlockungen der CDÜ/CSU erliegen, wird sich dann zeigen, wenn die Wirtschafts- und Außenpolitik der derzeitigen Regierung mit offenen Karten spielen muß: also wahrscheinlich noch in diesem Herbst.

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