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Die Teuerung: ein Weltproblem

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Die öffentliche Meinung hat sich daran gewöhnt, in Erinnerung an die Vergangenheit die Teuerungswellen mit einer angeblich beginnenden Inflation in Zusammenhang zu bringen. Da die ältere Generation durch die verschiedenartigsten Geldentwertungen schon oft katastrophale Schäden erlitten und sogar die Vernichtung ganzer Vermögen erlebt hat, bestehen vielfach ernste Sorgen und große Empfindlichkeiten gegenüber allen Währungsproblemen und der künftigen Entwicklung.

Feste Position des Schillings

Sämtliche von der Opposition planmäßig ausgestreuten Gerüchte sind natürlich falsch und gehören zur aktuellen Panikagitation, aber sogar die Regierung mußte zugeben, daß Österreich ohne eine maßvolle, jedoch vernünftige Budgetsanierung unter Umständen eines Tages in den Bereich einer Inflation geraten könnte. Niemand will sich zu einem Opfer entschließen, nicht einmal zu einem bescheidenen Verzicht auf kurze Frist. Im Augenblick ist die Situation des Schillings natürlich noch ausgesprochen günstig. Nach dem Ausweis der Nationalbank vom 23. Juli (siehe Tabelle „Status der Nationalbank“), der erfahrungsgemäß einer der schlechtesten des ganzen Jahres ist, haben sich im Vergleich zur Lage vom 23. Juli 1962 der Devisenbestand um eine Milliarde, der Notenumlauf um 1,5 Milliarden und der Goldvorrat um 3,2 Milliarden Schilling erhöht. Im Laufe eines Jahres ist daher die reine Golddeckung von 47,6 auf 58,8 Prozent, dagegen die Deckung des Notenumlaufes durch Gold und Devisen von 121,6 auf 132,2 Prozent gestiegen. Damit gehört der Schilling heute zu den hochwertigen Währungen.

Ursachen der steigenden Preise

Allerdings führt die internationale Bankwelt gegenwärtig eine Diskussion, okife, eijjjtjtee Vepęinbąrting.,zwischen den Notenbanken, im Sinne der Wäh-,. rungskonferenz von Gepua die Noten- deckung auf Gold und Öevisen aüfzu- hauen, unter den heutigen Verhältnissen noch genügt, weil verschiedene Devisen eine Wertminderung erfuhren und die gegenseitige Verflechtung der Notenbanken überhaupt zu einer Überschätzung der Devisendeckung verleitet, so daß eine Rückkehr zum reinen Goldstandard geboten wäre. Nach der vorübergehenden Dollarschwäche, der passiven Zahlungsbilanz der Vereinigten Staaten und der Rückkehr zahlreicher Fluchtkapitalien nach Westeuropa, beobachtet man eine außerordentliche Belebung des Goldhandels. AußerdertiJ’benÄfffien Sich zahlreiche Notenbanken seit Jahren’ systematisch um dne Stärkung ihęėr Goldreserven. Dem Schilling, der sich heute auf eine gesichterte aktive Zahlungsbilanz stützen kann, drohen keine Gefahren von einer mangelhaften Deckung, sondern ausschließlich von seiten des Budgets, das fortlaufend verteidigt werden muß gegen die höchsten Anforderungen aller Interessenten, die sich begreiflicherweise auf die Teuerung berufen.

Die Ursprünge der Teuerung liegen in den meisten Staaten durchaus nicht auf der Geldseite, sondern auf der Warenseite. Die Quantitätstheorie, wonach die Relationen zwischen der Geldmenge und der Warenmenge die allgemeine Preisbasis bestimmen, ist zwar im Prinzip richtig, wird aber in der Praxis an manchen Stellen durchlöchert, so daß sie kaum noch den Wert eines unfehlbaren Gesetzes besitzt. Die freie Welt ist nämlich auf der Warenseite in eine höchst eigenartige Situation geraten. Die technischen Fortschritte — zunächst gefolgt von Mechanisierung, Modernisierung, Motorisierung und Rationalisierung, später begleitet von einer Beschleunigung des Verkehrs, einer staunenswerten Zunahme der Produktion und einer Vervielfachung des internationalen Güteraustausches — brachten eine Warenfülle, die in diesem Umfang noch niemals bestanden hat. Gleichzeitig ist aber die Nachfrage nach Produktionsmitteln und Investitionsgütern gestiegen, anschließend in einem stürmischen Tempo auch der Bedarf an Konsumgütern, beides natürliche Folgen des erhöhten Lebensstandards der breiten Massen, oft verstärkt durch eine künstliche Überhitzung des Verbrauchs. Nach den Zerstörungen des zweiten Weltkrieges und der Notlage von 1945 bis 1955 wird diese Entwicklung merkwürdiger-weise als eine Selbstverständlichkeit betrachtet und übersehen, daß die mächtige Entfaltung der Wirtschaft neue Probleme aufrollt, deren Dimensionen andere Maßstäbe erfordern. Der technische Fortschritt führte nämlich nicht zu einer Verbilligung, sondern zu einer Überlastung der Warenseite mit Neben- und Luxusspesen, bis vielfach eine Verteuerung der Endprodukte eintrat.

Schatten der Hochkonjunktur

Während der Boom in einigen Staaten schon absonderliche Erscheinungen zeitigte, wurde Österreich, das am Rande der freien Welt im Norden, Osten und Süden von kommunistischen Volksdemokratien eingekreist ist, durch manche düstere Schlagschatten der Überkonjunktur kaum berührt. Zu den bedenklichen Folgen gehören zweifellos das Managertum, der ,;fal- sche Konsum" und die manchmal beobachtete Verschwendung, ferner zahlreiche psychologische Reflexe, wie Neid und Unrast, Nachlässigkeit und Leichtfertigkeit, maßlose Ansprüche und hemmungslose Übertreibungen, alles Auswüchse des Materialismus, die im Irrglauben gipfeln, in diesem Stil könne es immer und überall weitergehen. Diese Betriebsamkeit trug auch die Schuld, daß einige ökonomische Richtlinien früherer Zeiten in Vergessenheit gerieten. Niemand denkt an langfristige Dispositionen, sondern jedermann an die radikale Ausnützung einer momentanen, nicht immer guten Konstellation.

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