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Die Tragödie der orthodoxen Kirche in Rumänien

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In ihrer Nummer 15 d. J. veröffentlichte die „Furche“ unter dem Titel „Warnsignale aus Rumänien“ einen ergreifenden Aufsatz über die Lage der Katholiken und ihrer Kirche in Rumänien, den wir der „Civiltä Cattolica“ mit freundlicher Erlaubnis der Redaktion entnahmen. Derselben Quelle verdanken wir die Schilderung der Situation, in der sich die orthodoxe Kirche Rumäniens befindet, eine Darstellung, welche die bisher verbreitete Version korrigiert, als ob sich die Verfolgung nicht gegen Religion und Christentum überhaupt, sondern nur gegen die angebliche Feindlichkeit der katholischen Kirche richte. Soweit die Orthodoxie unter Führung willfähriger Bischöfe sich zur Dienerin der Staatsmacht hergibt, erfährt sie Begünstigung und darf ein Wohlleben führeh, das sie mit Verlust ihrer Autorität bezahlt. — Die in der Schilderung angegebenen Quellen reichen in das letzte Jahr zurück, weisen also schon einen längere Zeit dauernden Prozeß nach. „Die Furche“

Während der kommunistische Staat in Rumänien die Vernichtung der katholischen Kirche anstrebt, hat er die orthodoxe Kirche nicht bloß anerkannt, sondern sucht sie auch in jeder Weise zu begünstigen. Die Voraussetzung dafür war allerdings die Ausarbeitung eines Statuts, das bis ins letzte dem Geist und Buchstaben des am 4. August 1948 erlassenen Kultgesetzes entspricht; erst daraufhin erfolgte die offizielle Anerkennung. („Monitorul Oficial“ vom 25. Februar 1949.) So kann nun legalerweise die Sowjetisierung der orthodoxen Kirche in beschleunigtem Rhythmus vor sich gehen. Dazu dienen vor allem die Schulungskurse, zu denen alle Priester von ihren Bischöfen geschickt werden müssen. Nach dem „Universul“ vom 6. August 1949 werden die Priester geschult, „ihr Leben mit dem Rhythmus unserer Zeit in Einklang zu bringen“ und „einen Konflikt zwischen der Kirche und den geschichtlichen Gesetzen dc# sozialen Entwicklung zu vermeiden“. Einer dieser Kurse begann am 29. Juni 1949 in Klausenburg (Cluj): es nahmen an ihm 120 Priester teil, die 45 Tage lang in einer Art Klausur gemeinsam lebten. Beim feierlichen Eröffnungsgottesdienst dankte der orthodoxe Bischof Colan von Cluj im Namen der orthodoxen Kirche der Regierung für ihr „väterliches Interesse“, für ihre bereitwillige Zusammenarbeit mit der Kirche. Zu einem anderen Schulungskurs, der zu gleicher Zeit in Arad stattfand, schrieb der „Universul“ vom 16. Juli 1949 abschließend: „Die dabei gehaltenen Reden waren für die Priester Tautropfen auf die dürstende Erde ihrer Seelen“, sie bewiesen die guten Beziehungen zwischen der orthodoxen Kirche und dem Regime der Volksdemokratie; aus den Diskussionen sei klar hervorgegangen, daß der Sozialismus weit davon entfernt sei, Religion und Kirche zu verfolgen, sie vielmehr achte, denn orthodoxe Kirche und Sozialismus stimmten in vielen Punkten überein, da sie beide gegen die Ausbeutung des Menschen seien, gegen Haß und Chauvinismus, gegen Faulheit und Krieg.

Unter diesen Einflüssen ist die Vitalität in der orthodoxen Kirche fast völlig erloschen; war ihr Einfluß auf die Gebildeten, von denen viele, wie die rumänische Kultur überhaupt, von der atheistischen Aufklärung stark angekränkelt sind, schon früher schwach, so ist er heute gleich null. Sie wurde gefügiges Werkzeug in den Händen der kommunistischen Regierung, die ihren antirömischen Affekt benützt, um die Haßinstinkte gegen Papst und katholische Kirche zu schüren. Im „Universul“ vom 26. November 1949 machte der Archi-mandrit Valerian den Papst zum Ziel fanatischer Angriffe: er sei mit seinem Heer von Jesuiten in die Fälschung der Wahlen gegen die Arbeiter Italiens verwickelt, habe gestern noch Mussolini und Hitler begünstigt, habe als Zeichen seiner Ergebenheit gegen sie die katholischen Parteien gezwungen, sich aufzulösen, sei hingegen heute Parteigänger der öffentlichen Verbrecher der amerikanischen Hochfinanz, in einer unausdenkbar schmachvollen Allianz mit ihnen, mit einem persönlichen Eigentum von drei Milliarden Dollar. Der Patriarch Justinian verurteilte das Dekret des Hl. Offiziums gegen den Kommunismus vom 1. Juli 1949 als Versuch des Vatikans, im Gegensatz zum Geiste Christi die Völker unter das Joch des Papstes zu zwingen; in den Volksdemokratien herrsche volle religiöse Freiheit und sie sei vom Gesetze geschützt; im Falle von Konflikten liege die Schuld — wie im Falle Mindszenty — einzig auf der Seite der Bischöfe und Priester; es gehe in diesem Dekret einzig darum, die cäsaropapistische Stellung des Vatikans zu schützen. („Universul“ vom 19. August 1949.)

Aus alldem folgt jedoch nicht, daß alle Priester und Gläubigen hinter ihrer willfährigen orthodoxen Hierarchie stehen. Wenn auch die Anfang Dezember vom Londoner Rundfunk durchgegebene Nachricht, 1500 orthodoxe Priester seien wegen ihrer Opposition gegen die antireligiöse Politik der Regierung verhaftet worden, falsch ist, so ist es doch richtig, daß wiederholt orthodoxe Priester wegen „antidemokratischer“ Einstellung bestraft, manche wegen des gleichen Vergehens .sogar „suspendiert“ werden. Einige Priester wurden vom Patriarchen etil lassen, weil dank ihres Verhaltens der griechischkatholische Schwesternkonvent von Mo-reni „aus Unachtsamkeit“ bis November 1949 offen bleiben konnte.

In orthodoxen Laienkreisen zieht der Unwille gegen die politische Entwürdigung ihrer Hierarchie sdion erkennbar weite Kreise, in denen die mutige und würdige Haltung der katholischen Kirche liefen Eindruck macht. Es geschieht sogar, daß Laien, darunter hochgestellte Persönlichkeiten, Unterricht im katholischen Glauben nehmen; man hört sogar das Wort fallen, daß Rückkehr zur katholischen Kirche notwendig sei. Die orthodoxe Kirche hat unter Gebildeten, auch Priestern und Mönchen, so schwere Einbußen an Ansehen erlitten, daß man sagen kann, die gegenwärtige orthodoxe Hierarchie stehe und falle mit dem heutigen politischen Regime. Im Dorfe Vasad kam es soweit, daß die Leute ihren abgefallenen Pfarrer, als er in der Kirdie die Messe lesen wollte, mit Steinwürfen verjagten.

Die heute erwachende Hoffnung auf eine künftige Unionsbewegung in Rumänien erscheint als seltsame Antwort auf die unterdessen verkündigte Union der griechisch-katholischen Kirche mit der orthodoxen Kirche. Es ist bekannt, daß die erstere legal nicht mehr existiert. Welchem Druck eine Anzahl Priester und Laien im Oktober 1948 nachgaben und unter welchem Zwang sie den äußeren Akt des Ubertritts unterzeichneten, davon gibt ein Geständnis des orthodoxen Patriarchen Justinian eine Vorstellung: „Hätte ich die gleichen Anstrengungen gemacht, um die Orthodoxen zum Islam zu führen, so wären alle übergetreten.“

Obwohl offiziell nicht mehr existierend, lebt die griechisch-katholische Kirche in der Stille weiter. Die Wachsamkeit der Polizei und ein raffiniertes Spionage-sstem erschweren zwar außerordentlich das religiöse Leben und verursachen Verwirrungen. Die wenigen in Verborgenheit lebenden Priester, die noch frei sind und sich in einem Katakombendasein der Betreuung der Gläubigen widmen, wurden in einem Dekret vom 20. August 1949 als „Vagabunden“ gebrandmarkt, auf ihren Kopf wurden hohe Prämien ausgesetzt, und wer sie beherbergt, hat bis acht Jahre Kerker und Vermögensverlust zu gewärtigen. Aber diese Verfolgung hat den Mut der Treugebliebenen nur gestärkt. Und dennoch, die Glaubenslreue ist nicht erloschen.

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