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Die Tragödie des südlichen Sudan

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Seit Monaten erlebt der südliche Sudan eine Art Rassen- und Religionskrieg, wie man ihn in der heutigen Zeit für nicht mehr möglich gehalten hätte.

Am 27. Mai 1965 wurde das kleine Seminar von Tore von arabischen Soldaten überfallen, und alle Seminaristen mit dem Lehrpersonal flohen unter Gewehrfeuer in den benachbarten Kongo. Wenige Tage vorher war die nahe Mission von Porkele zerstört worden. Andere Missionen, die zerstört wurden: Mayen, Gogrial, Warap, TfTiet, Kpaile, Isoke, Cukudum, Kapoeta, Lowoi, Loa, Torit, Kadulė und Kit, Ezo, Mupoi, L ubu Camp, Li Rangu, Riang-Nhom, Tonga und Awici.

In der Nacht des 8. Juli und in den folgenden Tagen spielte sich in Juba ein Gemetzel ab, in dem mehr als 1400 Personen durch Gewehrfeuer getötet wurden oder lebendig in ihren Hütten verbrannten.

Am 9. Juli wurde, ebenfalls in Juba, Monsignore Ireneo in Begleitung von zwei Priestern und Soldaten beschossen. Am selben 9. Juli mußten alle Angehörigen des großen Seminars (Studenten der Theologie und Philosophie, im ganzen 106) sich durch die Flucht nach Uganda zusammen mit dem Lehrkörper retten.

Am 11. Juli wurden in Wau 76 Personen, fast alle Intellektuelle, von arabischen Soldaten erschossen.

Am 21. wurden in Rumbek der Priester Arkangelo Ali Konoga und am 23. August P. Barnaba Deng bei Wou erschossen.

Ende August wurde ein Dorf bei Malakal vollständig ausgerottet. Die Soldaten ermordeten alle Männer; die Frauen und Mädchen wurden als Beute an die Soldaten verteilt.

Die Presse der Regierung von Khartoum erklärt diese Gemetzel als Kriegshandlungen gegen die „Rebellen”. In Wirklichkeit waren die Opfer wehrlose Einwohner, die bei ihren Hütten ermordet wurden. Jene, welche die Regierung und die Presse als „Rebellen” bezeichnen, sind im allgemeinen Afrikaner, die für ihre Freiheit kämpfen, Christen, Heiden und Molem-Neger, die den brutalen Neokolonialismus der Araber als unerträglich empfinden.

Einige Tage vor dem Gemetzel soll der Ministerrat die Liquidierung des Guerillakrieges im Süden beschlossen haben. Ein Offizier des Nordens gab unklugerweise bekannt, daß das Kommando den Befehl erhalten habe, die ganze Klasse der Intelligenz zu unterdrücken.

Seit zehn Jahren proklamiert die Presse von Khartoum: Eine Nation, eine Sprache und eine Religion. Eines der größten Hindernisse sind natürlich die christliche Religion und die Missionare. Um sie zu beseitigen, suchte man zuerst den Fortschritt der Kirche aufzuhalten, indem man sie in ihrer erzieherischen und karitativen Betätigung behinderte. Man suchte sie dann in ihrem Einfluß auf die Afrikaner zu isolieren und zwar durch Verleum düngen, Anklagen, Prozesse und individuelle Ausweisungen. Jetzt will man buchstäblich das Christentum ausrotten; es zählt bereits eine halbe Million Katholiken, 100.000 Protestanten und einige Hunderttausend Katechumen.

Ein nördlicher Regierungsbeamter hatte erklärt: „Auf Kosten der Ausrottung von drei Viertel der Bevölkerung muß der Rest notwendigerweise zu uns kommen.” Die wirkliche Ursache des tief eingewurzelten Gegensatzes zwischen Arabern und Afrikanern liegt in der Verachtung und Rassenpolitik, in den sozialen Ungerechtigkeiten und der Unterdrückung, die von den Arabern den Negern gegenüber angewendet wurden. Sayed Abd el Hadi el Mahdi, religiöses Haupt der islamischen Sekte der Anzar, erklärte in einem Gespräch mit König Feisal von Arabien: „Der Sudan ist in seiner Mehrheit ein arabisch-islamisches Land. Er bildet den Vorstoß des arabischen Islams in Afrika; er ist Vorhut der friedlichen Invasion in die unerforschten Länder Afrikas.

Er fügte damals noch hinzu, daß im südlichen Sudan die Schaffung eines neuen Staates drohe, was für die zivilisierende Invasion Afrikas durch die Araber ein unüberwindbares Hindernis darstellen würde! Er sagte schließlich: „Der Sudan kann Arabien alles das, was es hauptsächlich benötigt, liefern: Vieh und Arbeitskräfte.”

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