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Die türkische Armee murrt

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Erzbischof Makarios hat es durch sein mit levantinischer Schläue geübtes Lavieren zwischen Ost und West verstanden, die Regierungen In Athen und Ankara gegeneinander auszuspielen, die von der öffentlichen Meinung in ihren Ländern in hohem Maße abhängig sind. Objektiv muß festgestellt werden, daß die türkische Regierung eine ungleich besonnenere Haltung an den Tag legt als die griechische, die die Genocid-Bestrebungen der griechischen Zyprioten unterstützt. Dabei kann sich Ministerpräsident Papandreou auf eine stärkere parlamentarische Mehrheit stützen als sein Kollege Inönü, der sich gegen eine immer mächtiger werdende Oppositionspartei behaupten muß. In zunehmendem Maße wächst auch die Unzufriedenheit in der türkischen Armee über die maßvolle Haltung des greisen Regierungschefs, dem die Generale bisher treu ergeben waren. Vor allem die jungen Offiziere können es nicht verstehen, daß der im Befreiungskrieg als „Grie-

chenbezwinger“ berühmt gewordene Haudegen die zur Invasion Zyperns ausgelaufene türkische Kriegsflotte bereits dreimal — wenn auch widerstrebend — zurückbeordert hat. Das im Februar auf Inönü verübte Attentat geht zwar auf das Konto eines hysterischen Einzelgängers, kann jedoch als ernste Warnung vor einer offenen Revolte gegen seine Politik der Zurückhaltung und Rücksichtnahme angesehen werden.

Die außenpolitischen Konsequenzen der Enttäuschung vieler hoher Offiziere über die Haltung der NATO und der USA im Zypernkonflikt sind noch viel schwerwiegender. Das Gefühl, von seinem besten und mächtigsten Bundesgenossen in Stich gelassen zu werden, kann die Türkei sehr leicht auf einen antiamerikanischen Kurs nach dem Muster de Gaulles oder gar in Richtung einer Neutralisierung treiben. Täglich geben unzählige türkische Veteranen des Koreakrieges ihre damals erworbenen UN-Tapferkeitsmedaillen aus Protest gegen das

zaghafte Eingreifen der UNO-Trup-pen auf Zypern zurück, die nach türkischer Auffassung bisher völlig versagt haben.

Angriffe gegen den Patriarchen

Der Name des kommandierenden indischen Generals der UNO-Streit-

kräfte, Gyani, wurde von den türkischen Zyprioten verächtlich zu „Gyanidis“ graecisiert, womit seinem Träger eine allzu griechenfreundliche Einstellung vorgeworfen werden soll. Die Verbitterung über die Isolierung der Türkei in der Zypernfrage hat die türkische Regierung zu einer Reihe von Maßnahmen verleitet, die als Repressalien gegen die Politik Makarios' und gegen deren Billigung durch die griechische Regierung zu verstehen sind.

So wurde als erstes das türkisch-griechische Abkommen über „Niederlassung, Handel und Schiffahrt“ aus dem Jahre 1930 gekündigt, das die in Istanbul lebenden griechischen Staatsbürger in wirtschaftlicher Hinsicht praktisch den Inländern gleichgestellt hat. Da durch

ein Gesetz die Ausübung gewisser Berufe für Ausländer verboten ist, wurden hunderte griechische Staatsangehörige über Nacht ihrer Existenzgrundlage beraubt. 63 Personen griechischer Nationalität wurden bisher wegen „staatsfeindlicher Umtriebe“ des Landes verwiesen, gegen 25 weitere wurden Verfahren eingeleitet. Die Ausgewiesenen mußten binnen einer Woche das Land verlassen; ihr in der Türkei verbliebenes Vermögen wurde blockiert.

Konnte bei dem Vorgehen gegen Ausländer wenigstens noch der Schein der Legalität aufrechterhalten werden, so erscheinen die gezielten Angriffe gegen das griechisch-orthodoxe Patriarchat vom Phanar um so unverständlicher. In völliger Verkennung der orthodoxen Hierarchie richtet sich der Makarios

zugedachte Zorn der Türken auch gegen den Patriarchen von Istanbul, der jedoch keinerlei Jurisdiktionsgewalt über den Erzbischof der autokephalen Kirche Zyperns hat. Da Patriarch Athenagoras selbst über jeden Angriff erhaben ist, wies man kurzerhand seinen Stellvertreter, Emilianos, sowie den Metropoliten Canavaris wegen „staatsgefährdender Tätigkeit“ aus, nachdem man ihnen die türkische Staatsbürgerschaft aberkannt hatte. Die beiden Bischöfe haben allerdings durch Äußerungen, die nicht ganz frei von „byzantinischem“ Gedankengut waren, bei den mißtrauischen Türken Zweifel an ihrer Loyalität gegenüber der türkischen Republik aufkommen lassen und somit ihre Ausweisung teilweise selbst verschuldet.

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