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Die unterschiedliche Taktik

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Neben der Parteistrategie spielt die Taktik zwar eine untergeordnete Rolle — hier sieht man allerdings auch die größten Unterschiede. Die Sozialisten haben ihre wichtigsten personellen Entscheidungen in genügendem Abstand noch vor den Sommerferien getroffen, die FPÖ mußte, bedrängt von Parteigründungen und Gründungsversuchen am rechten Flügel, mit ihren Nominierungen vor allem im gefährdeten Innviertel blitzartig wenigstens einige Nominierungen vornehmen. Die ÖVP wird ihre Entscheidungen — von lokalen Steyrer Beschlüssen abge-gesehen — so spät als möglich, also erst im Frühherbst, treffen. Die Sozialisten konnten bei ihrem Landesparteitag im Mai vor allem nicht an dem vorher in ihrer Steyrer Bezirksorganisation gefaßten Beschluß vor-

übergehen, der zweifellos nicht nur für Steyr, sondern auch für die Landespolitik bestimmt war und folgenden Inhalt hatte: „Parteimitglieder, die im Zeitpunkt der Wahlausschreibung für den Natio-nalrat, Landtag oder Gemeinderat von Statutarstädten das 65, Lebensjahr — bei erstmaliger Kandidatur das 60. Lebensjahr — vollendet haben, sollen nicht kandidiert werden. Weiter sol darauf geachtet werden, daß der Kandidat bei seiner Nominierung jene Lebensjahre aufweist, die es ihm ermöglichen, eine entsprechende Zeit sein Mandat auszuüben.“

Diese Bestimmungen hätten praktisch die allermeisten sozialistischen Spitzenpolitiker in Oberösterreich in die Wüste geschickt: Landeshauptmannstellvertreter Bernaschek (68),

Landesrat Plasser (74), den Linzer Bürgermeister Aigner (67); aber auch Vizebürgermeister Grill (Geburtsdatum: 15. Oktober 1902; Wahldatum: 22. Oktober) wäre ins Schußfeld gekommen. So mußte man dem Steyrer Vorschlag zwei Giftzähne nehmen: die Altersgrenze bleibt nur bei Bundes- und Landespolitikern; die Parteivertretung kann mit Zweidrittelmehrheit Ausnahmen bewilligen — was für die Heribstwahlen bereits umfassend nötig wurde. Man machte aber bereits innerhalb der 38köpflgen Parteienvertretung eine Ausnahme, indem man Dr. Koref und Landesrat Plasser, die beide aus der Parteienvertretung ausgeschieden sind, als „ständige Referenten“, wenn auch ohne Stimme, in der Par-teivertretuing beließ — in diesem Falle zweifellos zum Nutzen der SPÖ-Parteienvertetung.

Auf einem Gebiet bewährt sich die eher straffere, zentralistische sozialistische Organisation immer wieder: auf dem einer beweglichen Varia-tionsmöglichikeit zwischen der Linzer Gemeinderats- und der Landtagsliste. So scheint diesmal etwa auf der Landtagsliste, wenn auch auf rückwärtigen Rängen, der Linzer Vizebürgermeister Franz Hillinger (45) auf, so daß ein Sprung auf einen freiwerdenden Landesregierungsposten, etwa den des Fürsorgereferenten Landesrat Plasser, zumindest rechtlich, wie dem Beobachter dünkt, nicht ausgeschlossen ist.

Sorgen mit dem Bürgermeister

Dieser Wechsel von der Landes-zur Kommunalpolitik oder umgekehrt, der merkwürdigerweise von der ÖVP fast nie praktiziert wurde, zeigt allerdings auch das sozialistische Dilemma bei der Neubesetzung des Linzer Bürgermeisterpostens auf, das mit der Nominierung des an sich fähigen, aber kränklichen Aigner neuerlich aufgeschoben ist. Einmal wurde der inzwischen zum Stadtrat emporgestiegene Gerichtsmediziner Dr. Jarosch als präsumtiver Nachfolger Aigners für die inzwischen zur Hochschulstadt avancierte Landeshauptstadt genannt, doch scheint seine Habilitation in Ost-Berlin seinen innerparteilichen Gegnern beachtlichen Auftrieb gegeben zu haben. Dann wieder wurde der fähige Direktor der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, Dr. Feichtinger, genannt, der jetzt nur an 33. Stelle kandidiert, also an einer, die auch die Sozialisten nur als „Hoffnungsmandat“ bezeichnen. Auch der jetzige Prorektor Doktor Strasser schien unter den Kandidaten auf, wie Stadtrat Fechter (48), der nunmehr, nachdem Vizbürger-meister Hillinger auch auf der Landtagsliste aufscheint, neuerlich besser im Rennen steht.

Die größeren Sorgen der FPÖ

Verglichen mit diesen personellen Sorgen, zu denen noch ein gewisses Unbehagen und eine Ungewißheit über Olahs DFP kommt, die bisher zwar nur bei den Großbetrieben ein wenig Fuß fassen konnte, immerhin inzwischen ihre oberösterreichische Landesorganisation konstituierte, sind die der FPÖ doch weit größer. Hier geht es tatsächlich um Sein oder Nichtsein im Landtag. Nach den letzten Nationalratswahlen wäre die Freiheitiliche Partei aus dem Landtag verschwunden, da sie in keinem der oberösterreichischen Wahlkreise ihr Grundmandat erhalten hätte. Nun lassen sich erfahrungsgemäß die Ergebnisse von Nationalratswahlen nicht ohne weiteres auf Landtagswahlen transplantieren — auch nicht in Oberösterreich. Fest steht allerdings, daß die FPÖ mehr Stimmen als 1966 benötigt und nicht weniger. Und gerade in diesem Zeitpunkt wurde eine Unruhe innerhalb der FPÖ sichtbar, die — vorsichtig ausgedrückt — der Partei wenig Freude macht. Gewiß haben die bisherigen Parteikristallisationen von NDP und NRP kaum allzuviel Gewicht erhalten. Immerhin zeigte aber das Tauziehen anläßlich der letzten Berg-Isel-Jahresversammlung auch keine besonders wirkungsvolle und schlagkräftige FPÖ, abgesehen von der gesamtösterreichisch wenig erfreulichen Tatsache, daß zumindest der Weg der FPÖ zu einer liberalen Partei weitgehend abgestoppt ist und mehr und stärker als bisher das „Nationale“ (lies: Deutschnationale) betont wird — eben, um die innerparteiliche Opposition abzustoppen.

Volkspartei hat Gleißner — und einen „Apparat“

Die Volkspartei, die den. gewaltigen Strukturwandel in Oberösterreich 1945 politisch gut zu verdauen vermochte, hat eine Hauptaufgabe: ihre bisherige starke Position im Land und im Landtag zu verteidigen. Das ist Vorteil und Nachteil zugleich. Sie hat hierfür genügend Eisen im Feuer: eine gute Landesverwaltung und eine großzügige, zugleich verantwortungsvolle Finanzverwaltung, die planvoll und systematisch vorgeht und auch im Wahljahr keine „Zuckerln“ verteilt (was den meisten Wählern sowieso nicht imponiert). Auf parteipolitischem Gebiet kann die Volkspartei vor allem darauf verweisen» daß die absolute Mehrheit dem politischen Klima Oberösterreichs keinesfalls geschadet hat und die Einstimmigkeit in der Landesregierung und im Landtag fast zur Norm gehört. Vielleicht ist es ein Ausfluß eines zu starken Subsidiari-tätsprinzips, daß im lokalen Bereich mancher Wildwuchs sichtbar ist, daß auf dem Gebiet der Kommunalpolitik Eingeweihte gelegentlich die Frage stellen, ob es der Volkspartei gelingen wird, die Führung in manchen Städten zu behalten, während in anderen, infolge des Bevölkerungszuwachses besonders wichtigen, ein stärkerer Einfluß der Volkspartei durchaus denkbar wäre — allerdings unter anderen personellen Konstellationen. Innerparteilich ist die Volkspartei auf Landesebene dem sozialistischen „Apparat“ sicher nicht nur ebenbürtig, sondern zweifellos überlegen. Hier ist seit mehr als zehn Jahren nichts voh dem zu spüren, was früher gern und zu Recht als

Schwäche der Volkspartei angesehen wurde. Propagandistisch lernt man bei der oberösterreichischen Volkspartei gern von Wien, anderen Bundesländern und vom Ausland, ist aber ebenso stolz darauf, wenn In-und Ausland auch von Oberösterreich übernimmt, was oft und reichlich geschieht.

Aber gewiß: all das hilft mit, Wahlen zu entscheiden, entscheidet aber selbst keine Wahl. Das wäre auch zu einfach. Zu den zahlreichen Unwägbarkeiten, die bereits jetzt ersichtlich sind und vor allem den rechten und den linken Flügel der Parteigruppierung betreffen, treten bis zum Oktober sicher noch zahlreiche andere, innenpolitische, wirtschaftspolitische, möglicherweise auch weltpolitische. Sich mit ihnen ehrlich auseinanderzusetzen, wird keiner Partei und keinem Wähler erspart bleiben.

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