6626582-1956_12_08.jpg
Digital In Arbeit

Die Welt flaggte Weiß-Gelb

Werbung
Werbung
Werbung

Tobender Schneesturm, ein Wetter, wie es Rom um diese Jahreszeit seit Menschengedenken nicht erlebt hat, begrüßte am Morgen die römische Bevölkerung, als sie in den Dom zu St. Peter strömte, um dem feierlichen Gottesdienst zum 80. Geburtstag und dem 17. Krönungstag des Heiligen Vaters beizuwohnen, lagelang war Rom im Mittelpunkt einer einzigartigen Kundgebung gestanden, tagelang hatten in allen Teilen der Erde die weißgelben Fahnen geflattert, waren Millionen Gebete zum Himmel gestiegen. Am Sonntag klang alles noch einmal in einem feierlichen Jubelakkord zusammen.

Im Petersdom zelebrierte Kardinal Tisserant, der Dekan des Heiligen Kollegiums, ein feierliches Pcntifikalamt, 35.000 Andächtige füllten das ehrwürdige Gotteshaus, als der Papst um zehn Uhr auf der Sedia Gestatoria segnend in seine Basilika einzog, angetan mit Rauchmantel und Tiara. Hunderte kirchliche und weltliche Würdenträger führten die feierliche Prozession an. Vor dem Papst schritten etwa dreihundert Erzbischöfe und Bischöfe und 2 9 Kardinäle. Während des feierlichen Einzuges sang der Chor der Sixtinischen Kapelle den Hymnus ,,Tu es, Petrus“. Vor der Confessio stieg der Papst von der Sedia herab. Er kniete betend am Grab des Apostelfürsten Petrus nieder und nahm dann auf dem Thron in der Apsis Platz.

An dem feierlichen Pontifikalamt nahmen auch die rund 50 Delegationen teil, die aus fast allen Staaten der freien Welt zur Feier des Papstjubiläums nach Rom gekommen waren. Nicht vertreten waren außer den kommunistischen Staaten auch Schweden, Dänemark, Norwegen, Mexiko, die Türkei und Australien. Dagegen hatten Indien, Pakistan, der Iran, Aegypten, Aethiopien und Japan offizielle Abordnungen nach Rom entsandt. Auch die kommunistische Zwergrepublik San Marino war mit einer Delegation vertreten.

Nach dem Pontifikalamt im Petersdom begab sich der Heilige Vater in die Dreifaltigkeits-kapelle, wo ihm die Kardinäle huldigten,, und anschließend in seine Privatgemächer. Wegen des Schneegestöbers konnte er nicht, wie ursprünglich vorgesehen war, von der Loggia des Petersdomes aus seinen Segen erteilen. Er erschien dann gegen 12 Uhr mittags am Fenster seines Arbeitszimmers und erteilte den etwa 60.000 Gläubigen, die sich auf dem Petersplatz versammelt hatten und Pius XII. jubelnd begrüßten, den Segen „Urbi et orbi“.

Man kann sich kaum ein sinnvolleres und willkommeneres Geschenk für den Heiligen Vater denken, als den Missionswagen, den Außenminister F i g 1 als Geschenk der österreichischen Regierung am 10. März in Rom übergab. Prälat Fried hat die Richtlinien für die liturgische Ausrüstung, der Afrikaforscher Ernst Zwilling seinen Rat beim Bau des Wagens gegeben. Der Wagen, ein 1,5-Tonnen-Steyr-SpeziaI-lastauto, ist eine richtige Missionsstation auf Rädern für die Wüste, unerhört fahrttauglich und reichhaltig: mit Messekoffer samt allen Geräten, der sich blitzschnell in einen Altar verwandelt, und allen Behelfen der scelsorglichen Arbeit. — Die feierliche Ueberreichung des Wagens gestaltete sich für die Teilnehmer (neben Außenminister Figl die Botschafter Schöner' und Kripp sowie Ministerialsekretär Beroldingen) zu einem unvergeßlichen Erlebnis. In deutscher Sprache dankte der Heilige Vater und sprach den führenden Männern des Landes, den Bischöfen und dem Volk von Oesterreich mit großer Wärme seine lobende Anerkennung für die Leistungen des österreichischen Volkes beim Wiederaufbau in den letzten Jahren aus. — Außenminister Figl ist das Großkreuz des Pius-Ordens verliehen worden.

Einen erhebenden Verlauf nahm die Feier der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien am Samstag nachmittag im Großen Musikvereinssaal. Nach den Begrüßungsworten des Präsidenten Hofrat Dr. Baumgartner ergriff Kapitelvikar Erzbischof Dr. Jachym das Wort und verlangte u. a. die Pflege eines geregelten Verhältnisses zwischen dem Staat und dem Heiligen Stuhl. Univ.-Prof. Dr. Verdroß-Droßberg sprach sodann zum Thema „Recht und Friede in der Lehre Pius' XII.“, Univ.-Prof. Dr. Michael Pflieg-ler über „Erziehung im Geiste Pius' XII.“. — Im Stephansdom zelebrierte Sonntag vormittag Kapitelvikar Erzbischof Jachym ein Pontifikalamt, dem u. a. Bundespräsident Körner beiwohnte. — Die Spitzen der Kirche und der Regierung versammelte am Montag abend ein Empfang des päpstlichen Nuntius in Wien, Erzbischof D e 11 e p i a n e. in den festlich geschmückten Räumen der päpstlichen Nuntiatur in Wien.

Am Rande der körperlichen Leistungskraft war in diesen Tagen die verstärkte Belegschaft des Vatikanpostamtes, die in Tag- und Nachtarbeit Ungeheures zu bewältigen hatte. Die Rekordspitze erreichte der 2. März mit 14.000 Telegrammen. Der Funktelegraph nahm in 48 Stunden 2000 Radiogramme .auf. Die Briefpost wog an einem Tag 240 Kilogramm. Bis zum Donnerstag waren 27.000 Briefe registriert. Unter den Gratulanten waren Staatsoberhäupter und Kardinäle — und tausende Kinder aus aller Welt, die in Vers und Prosa den Brief ihres Lebens schrieben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung