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Die Werkstatt des Giganten

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Wenn die gewonnene Weltmachtstellung der Vereinigten Staaten nicht zur Teilnahme an der Organisation der Weltpolitik nötigen würde, so würde es die heute erreichte Verflechtung der Interessen ihrer gewaltigen Wirtschaft mit der Politik sein.

Die Wirtschaftskrise von 1930 hatte in den Vereinigten Staaten ihren tiefsten Grund darin, daß der Verbrauch mit einer stets wachsenden Produktion nicht Schritt halten konnte. Die Kriegsvorbereitung und dann der Krieg selbst haben aufs neue diese außerordentliche Entfaltung der amerikanischen Industrie angetrieben. Diese kühne Obersteigerung der Produktion wird in dem Augenblick noch deutlicher werden, wo alle jene Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigt sein werden, die bisher einer Beschränkung unterlegen sind.

Welche wirtschaftliche Entwicklung Amerika zwischen 1938 und 1943 genommen hat, dazu bietet eine Untersuchung in den „Etüde s“, Dezember 1946, wertvolles Vergleichsmaterial. Es stieg von 1938 bis 1943 die Eisenerzförderung von 38 Millionen Tonnen auf 60 Millionen Tonnen; die Bauxitförderung von 400 auf 1100 Millionen Tonnen; die Kupfergewinnung von 800 auf 2200 Millionen Tonnen; die Stahlgewinnung von 30 auf 90 Millionen Tonnen; die Herstellung von Werkzeugmaschinen im Werte von 200 Millionen Dollar auf 1180 Millionen Dollar; von 6000 Flugzeugen auf 86.000; von 340 Millionen Tonnen Schiffsraum auf 19.340 Millionen Tonnen.

Dieser Aufschwung vollzog sich, ohne das Lebensniveau der nidumobilisierten Bevölkerung zu drücken und wurde durch die Verbesserung der technischen Bedingungen unterstützt. Zwei Beispiele zeigen dies deutlich: die Resultate, welche der bekannte Schiffbauer Kayser erzielte, waren derart, daß er in zwei Jahren die Herstellung eines Schiffes von 600.000 Arbeitsstunden auf 400.000 verminderte. Zur Konstruktion einer fliegenden Festung benötigte man 1944 18.700 Arbeitsstunden gegenüber 35.400 noch drei Jahre vorher. Die Produktionsziffer fm der Industrie stieg, wenn man sie für 1939 mit 100 ansetzt, bis 1944 auf 219 und fiel

1945 auf 186 und 1946 auf 150. Der Grund des Absinkens liegt in dem Nachlassen der Kriegsanstrengungen und in den sozialen Unruhen.

Die heutige Verschärfung der sozialen Probleme im Jahre 1946 ist mit der Periode 1932 bis 1935 vergleichbar. Die gegenwärtige Schwierigkeit liegt in der Angleichung der Löhne an die Preise. Die Löhne in der Kriegsindustrie und die Ergänzung durch die bezahlten Überstunden hatten die Löhne hoch hinaufgeschraubt. Im Februar 1945 wurden 9,526.000 Dollar an Löhnen ausbezahlt, am durchschnittlichen Monatseinkommen von 1939 berechnet, eine Steigerung um 150 Prozent. 1939 betrug der Verkaufsumsatz 42 Milliarden Dollar, davon entfielen 31.6 Milliarden für Verbrauchs- und 10.4 Milliarden für Gebrauchsgüter, wie Automobil, Maschinen, Haushaltungsgegenstände usw. Vom Jahre 1945 aber wurden von der Riesensumme von 75 Milliarden Dollar Verkaufsumsatz nur 11 Milliarden für Gebrauchsgüter ausgegeben. Erklärlich: Denn in derselben Zeit stiegen die Lebenskosten um 30 Prozent. Als dann mit Kriegsende die Kriegslieferungen aufhörten, die Stundenlöhne und das hohe Einkommen der Arbeiter fielen, brach die Krise herein. Im Februar

1946 hatten sich die Löhne um 15 Prozent

gegenüber dem Februar 1945 verringert. In den ausbrechenden langen Streiks wurden zwar Lohnerhöhungen bis zu 18 Prozent erreicht, aber in ihrem Gefolge traten Preissteigerungen ein, die den Index der Lebenskosten erhöhten und nach der Aufhebung der Preiskontrolle, die am 28. Juni 1946 erfolgte, in eine allgemeine Hausse ausarteten. Diese Preissteigerung erreichte zum Beispiel beim Fleisch 50 Prozent, bei den Mieten 30 Prozent.

Die Umstellung auf die Friedenswirtschaft ist heute im großen und ganzen gelungen. Sie ist im allgemeinen in der Industrie beendet und die Arbeitskräfte sind leichter untergebracht worden, als die Fach-

leute dachten. Die Zahl der Arbeitslos! wird in den nächsten drei Monaten Am Millionet nicht überschreiten, indessen man mit sieben bis zehn Millionen rechnete. I Februar 1946 belief sich die Beschäftigte-! Ziffer auf 51.7 Millionen und im März 19*8! auf 53 Millionen, trotzdem 800.000 Soldawa entlassen worden waren.

In einzelnen Zweigen ist die Produktion gegenwärtig im Ansteigen, so die von \xm&* wirtschaftlichen Maschinen, die vom Dezent ber 1945 bis Jänner 1946 um 10 Prozent sich erhöhte. Die Herstellung von Pneus für Personenwagen hat sich vom 1. Viertel 1945 bis zum 1. Viertel 1946 verdreifacht. Im Jänner 1946 wurden 750.000 Radioapparate erzeugt, im Februar 1 Million. Dagegen gibt es Produktionszweige, die naturgemäß schwere Rücksdiläge verzeichnen. Der Umsatz in der Werkzeugmasdiinenindustrie fiel zum Beispiel von 100 Millionen Dollar monatlich im Jahre 1943 auf 27 Millionen im Jahre 1946; ohne Zweifel ist ein großer Teil der Produktion überschüssig und muß exportiert werden: nach ernsthaften Schätzungen Werte zwischen 15 und t7 Milliarden Dollar. Für che ungeheure Warenmenge, die diesen Summen entspricht, handelt es sich jetzt, Käufer zu finden, und so orientier t sich, wie die Untersuchung der „Etudes“ schildert, die Politik der USA aus wirtschaftlichen Gründen m der Richtung einer Durchdringung Chinas, wo sie natürlich mit den Interessen Sowjetrußlands zusammentrifft; auch Japan, zum Satellitenstaate geworden, wird in den Kreis dieser Wirtschaftspolitik einbezogen. Es liegt auf der Hand, welche gewaltige Aufgaben sich in diesen Räumen der ersten Weltmacht eröffnen.

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