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Die Zeugnisse der Literatur

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Die archäologischen Untersuchungen der vatikanischen Nekropole unter der Basilika von St. Peter und die Entzifferung der Ritzinschriften auf der „Roten Mauer“ und G haben die Existenz des Petrusgrabes unter der Confessio des Domes eindeutig bewiesen. Es war nunmehr notwendig, für diese archäologischen Gegebenheiten literarische Zeugnisse aus der Antike beizubringen, welche die Anwesenheit, den Märtyrertod und die Beisetzung des Apostels Petrus in Rom, und zwar innerhalb der vatikanischen Nekropole, bestätigen. Von vielen Gegnern des Christentums und der römischen Kirche wurden Argumente ins Treffen geführt, welche diese drei Ereignisse als eine Erfindung der Kirche und historische Fälschung bezeichneten. In einer weiteren Schrift. Die Petrustradition im Vatikan, 1963 zur Eröffnung des Vatikanischen Konzils herausgebracht, hat Prof. Guarducci die literarischen Quellen über Petrus zusammengestellt. Als erstes zitiert sie den Inhalt zweier Petrusbriefe (1. Petrus 5, 13 und 2. Petrus 1, 14), die der Apostel vor seinem bevorstehenden Martyrium aus Rom — hier verschlüsselt Babylon genannt — an christliche Gemeinden in Kleinasien geschrieben und in welchen er dieses bereits angekündigt hat.

Der heilige Clemens, Bischof von Rom (92 bis 101 n. Chr.), spricht in einem mahnenden Brief zur Versöhnung und Einheit unter den Christen von Korinth über den Märtyrertod der Apostel Petrus und Paulus unter Nero. Auch eine Stelle im Schreiben des heiligen Ignatius, Bischof von Antiochia in Syrien, der unter Kaiser Trajan 107 zum Tod durch wilde Tiere verurteilt worden war, nimmt Bezug auf das Martyrium der Apostelfürsten in Rom.

Aus Ägypten stammen zwei prophetische Werke, die „Himmelfahrt des Isaias“ und die „Petrusapokalypse“, die beide den Tod des Apostels durch den Muttermörder (Nero) vorhersagen. Das Johannesevangelium berichtet ebenfalls von der Verurteilung des Petrus zum Kreuzestod (dispessis manibus lautete der juridische Terminus).

Von Tacitus wissen wir, daß Nero die Christen in seinem Zirkus in den vatikanischen Gärten bei grausamen Spielen umbringen ließ.

Eusebius überliefert in seiner Kirchengeschichte ein für die Interpretation und Bestimmung der Aedicula wichtiges Dokument. Er berichtet über den Streit des Presbyter Gaius, der um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert n. Chr. in Rom lebte, mit dem Führer der Montanistensekte in Kleinasien, Proklos. Gaius hielt diesem, der den Primat der römischen Kirche leugnen wollte, vor, daß die „Tropaia“ (griechisch für Siegeszeichen, aber auch Grab-mäler) der Apostel, welche die Kirche gegründet haben, in Rom seien.

Es wurde bereits eingangs erwähnt, daß das Grab unter der Aedicula zwar mit einer Marmorplatte abgedeckt, aber leer war. Für die Identifikation der Gebeine des heiligen Petrus kamen einige Überreste von Erdbestattungen in der Nähe der Aedicula in Frage. Professor Kirschbaum wies in seinem Buch „Die Gräber der Apostelfürsten“ ausdrücklich darauf hin, daß man bei der Lösung der Frage nach den wahren Reliquien den Inhalt des Reliquiendepots in der „Graffltimauer“ G nicht übersehen darf. Außerdem entstanden Schwierigkeiten durch das Vorhandensein der Apostelhäupter in der Lateran- und in der Peterskirche.

Seit einigen Wochen liegt nun ein drittes Werk von Margherita Guarducci vor, in welchem alle diese Fragen einer überraschenden Lösung zugeführt wurden. (M. Guarducci, „he reliquie sotto la confessione della Basilica vaticana“, 1965.)

Im ersten Teil des Buches faßt Margherita Guarducci noch einmal die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten über die Inschriften der „Graffitimauer“ G und der „Roten Mauer“ sowie über die literarhistorischen Belege, welche die Anwesenheit, den Kreuzestod und die Beisetzung des Apostels Petrus in Rom beweisen, zusammen.

Im zweiten Teil publizieren die mit der anthropologischen, mikroskopischen und chemischen Analyse der Fundkomplexe Gruppe I, II und III betrauten Gelehrten V. Correnti,L. Cardini, C. hauro, C. Negrettl, M. L. Stein und P. Malatesta ihre in achtjähriger (1956 bis 1964) Forschungsarbeit gewonnenen Resultate.

Gruppe I bildeten die Knochenreste aus dem Grabe unter der Fun-damentierung der „Roten Mauer“; diese Knochen nahm Papst Pius XII. in sein Arbeitszimmer. Die wissenschaftliche Analyse dieser Gruppe ergab, daß es sich um die Reste dreier Personen handelt, von denen zwei männlichen und eine wahrscheinlich weiblichen Geschlechtes waren.

Gruppe II enthielt die Überreste von vier Personen, von welchen zwei männlichen Geschlechtes im Alter von etwa 50 Jahren verstorben waren.

Gruppe III bestand aus dem Inhalt des marmorverkleideten Depots in der „Graffltimauer“ G. Hier ergab die Untersuchung, daß es sich um die Überreste eines einzigen Individuums männlichen Geschlechtes, im Alter von etwa 70 Jahren verstorben, handelt.

Reste von Purpurstoff, mit Goldfäden verwirkt, ließen auf eine besonders verehrungswürdige Persönlichkeit schließen.

Durch die Ergebnisse der Analyse des Fundkomplexes der Gruppe III aus dem Depot in der „Graffltimauer“ G ergibt sich mit zwingender Logik der Schluß, daß hiermit die Reliquien des heiligen Petrus wieder aufgefunden worden sind. Die Gebeine des Heiligen wurden, nachdem sein ursprüngliches Grab unter der Aedicula nicht mehr sicher oder zugänglich war, in konstantinischer Zeit in golddurchwirkte Purpurstoffe gehüllt und in das in der „Graffltimauer“ G nachträglich geschaffene Reliquiendepot übertragen.

Die Münze der Grafen von Limo-ges (10. bis 12. Jahrhundert) dürfte von Pilgern durch den Schacht in den Altären hinuntergeworfen und durch den stets offenen Schlitz an der Vorderseite der „Graffltimauer“ in das Depot gefallen sein.

Sorgfältige Überlegungen der Gelehrten haben nun auch eine Erklärung für den kursiven Duktus der Inschrift „PETROS ENI“ auf der „Roten Mauer“ gefunden. Man kann die rechte Hand durch die Öffnung des Depots in der „Graffltimauer“ stecken und erreicht auf diese Weise die Stelle der „Roten Mauer“, an der diese Inschrift eingeritzt wurde.

Die Resultate der von Frau Professor Guarducci durchgeführten Forschungsarbeiten und die aus diesen gewonnenen Schlußfolgerungen können heute durch eine negative Kritik nicht mehr widerlegt werden. Die Tatsache, daß durch diese Forschungen die der Kirche und den Gläubigen liebgewordene Vorstellung von der Echtheit des Apostelhauptes im Reliquienschrein der Confessio von St. Peter geopfert werden mußte, bürgt für die vom Willen zur Wahrheitsfindung getragenen wissenschaftlichen Großleistungen der Prof. M. GuarduccL

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