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Diözese im Werden

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Der burgenländische Raum hat als Grenzland in kirchengeschichtlicher Hinsicht eine recht interessante Entwicklung genommen.

In der altchristlichen Zeit wurde das religiöse Leben, das nachweisbar vorhanden war, von drei Städten aus maßgebend beeinflußt, in denen aller Wahrscheinlichkeit nach Bischöfe residierten, von Sabaria (Steinamanger), Scara-bantia (Oedenburg) und Carnuntum (bei Petro-nell). Die Epoche der Völkerwanderung zerriß alle Bande mit diesen religiösen Zentren, die in Schutt und Asche fielen. Zur Zeit der Karolinger bemühten sich die Missionare von Salzburg, Passau, aber auch von Eichstätt, Regensburg und andere um unser Gebiet. Wir kennen sogar einen Passauer Chorbischof, der 8 59 in der Gegend von Oedenburg und Kroisbach Besitzungen erhielt.

Um Grenzstreitigkeiten zwischen Salzburg und Passau zu beenden, entschied Ludwig der Deutsche im Jahre 829, Passau habe nördlich der Linie Spratzbach—Rabnitz zu missionieren, Salzburg dagegen südlich davon. Diese Linie bildete später auch die Grenze für die Komitate Eisenburg und Oedenburg und wurde im Jahre 1777 die Bistumsgrenze zwischen Raab und Steinamanger.

Nach dem Seßhaftwerden der Madjaren fanden sie den Weg zum Christentum, den ihnen vor allem der heilige König Stephan I. wies. Als Vater seines Volkes fühlte er sich für die religiöse Haltung der Ungarn verantwortlich. Er legte das Fundament der kirchlichen Organisation seines Reiches, indem er zwei Erzdiözesen und acht Diözesen gründete. Für Westungarn wurde mit Zustimmung des Heiligen Stuhles im Jahre, 1009 in Raab eine Diözese errichtet, die das ganze Gebiet des heutigen Burgenlandes umfaßte. Wohl waren Salzburg und Passau damit nicht einverstanden, mußten aber im Jahre 1127 den Tatsachen Rechnung tragen und die Rechte Raabs anerkennen.

Diese Diözesangrenze blieb auch in jenen Friedensverträgen unangetastet, in denen viele burgenländische Herrschaften an Oesterreich abgetreten wurden. Während der Regierungszeit der Kaiserin Maria Theresia fand die Errichtung der Diözese Steinamanger statt (1777), zu der u. a. der südliche Teil des Burgenlandes gehörte. Die Mitte und der Norden blieb W.eifer-iin bei Raab.

So lagen die Verhältnisse am Ende des ersten Weltkrieges. Durch den Friedensvertrag von Saint-Germain kam das heutige Burgenland zu Oesterreich. Es umfaßte ein Gebiet von etwa 400.000 Hektar mit 240.000 katholischen und 40.000 evangelischen Christen. Die Katholiken lebten in 99 Pfarren der Raaber Diözese und in 57 Pfarren, die dem Bistum Steinamanger angehörten. “ “ N '

Durch die politische Neugestaltung mußte auch in diözesanrechtlicher Hinsicht eine Regelung getroffen werden. Der Bischof von Steinamanger, Graf Mikes, setzte im Jahre 1921 trotz der neuen Grenzziehung den Dechant von St. Michael, Franz Thomas, zum Generalvikar für den burgenländischen Teil seiner Diözese ein, mußte ihn aber im nächsten Jahre bereits seines Amtes wieder entheben.

Inzwischen hatte nämlich die österreichische Regierung den Heiligen Vater ersucht, eine Neuordnung der Diözesanverhältnisse im jüngsten Bundesland zu treffen. Am 18. Mai 1922 wurde Kardinal P i f f 1, der Erzbischof von Wien, zum Apostolischen Administrator für das Burgenland bestellt, der seinerseits wieder den Wiener Domherrn Dr. Franz Hlawati zu seinem Provikar ernannte.

In einem gleichlautenden Schreiben an die Bischöfe von Raab und Steinamanger kündigte

Kardinal Piffl an, er werde die Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten des Burgenlandes am 24. September 1922 übernehmen. Diesem Schreiben lagen auch Abschriften des Ernennungsdekrets bei, das vom Wiener Nuntius Marchetti-Selvaggiani ausgestellt worden war.

Während seiner ersten Visitationsreise, die der neue Oberhirte zusammen mit seinem Provikar am 29. September 1922 in Frauenkirchen begann und am 9. Oktober in Jennersdorf beendete, wurde der Wiener Erzbischof von Klerus und Volk überall herzlich empfangen. Bis zu seinem Tode (21. April 1932) arbeiteten Kardinal Piffl und sein Stellvertreter mit viel Erfolg an der Zusammenschweißung des aus zwei Diözesen gebildeten kirchlichen Bereiches und an der Behebung des großen Priestermangels im Burgenland.

Mit der Ernennung des neuen Wiener Erz-bischofs Dr. Theodor Innitzer zum Apostolischen Administrator des Burgenlandes setzte ein neuer Abschnitt des kirchlichen Aufbaues in unserer Heimat ein. Der bisherige Sekretär des Provikars, Dr. Josef Koller, ein Priester aus dem burgenländischen Klerus, wird Stellvertreter des Wiener Erzbischofs im Burgenland, ein eigenes katholisches Lehrerseminar wird errichtet, die burgenländischen Theologen, die bisher noch im Wiener Alumnat erzogen wurden, erhalten im ehemaligen Augustineum ein neues Priesterseminar, in Eisenstadt wird ein Knabenseminar eröffnet, so daß die Studenten, die sich auf das Priesterseminar vorbereiten wollen, nicht mehr nach Hollabrunn gehen müssen, sondern im eigenen Land studieren können, ein neues Rituale, in dem besonders die Volkssprache Berücksichtigung findet, wird eingeführt u. a. m. Damit werden die notwendigen Voraussetzungen geschaffen für die Errichtung der selbständigen Apostolischen Administratur Burgenland,

Das Konkordat des Jahres 1934 trägt dieser Entwicklung Rechnung und sieht die Gründung einer Prälatur nullius vor. Mitten in diese verheißungsvolle Entwicklung hinein fällt die Besetzung Oesterreichs durch die deutschen Truppen. Damit ist nicht nur Oesterreich“ für eine kurze Zeit von der europäischen Landkarte verschwunden, sondern auch das Burgenland. Es wird zwischen den .Gauen Niederdonau und Steiermark aufgeteilt. Der Name Bürg'er(ti|fMr% verpönt. Nur in der Bezeichnung: Apostolische Administratur Burgenland überdauert er die Besetzung. Diese traurigen Jahre haben in der Entwicklung hin zur Gründung einer eigenen Diözese nicht nur keine Fortschritte gebracht, sondern viele Hoffnungen zerstört.

Im Jahre 1945 erstand das Burgenland zu neuem Leben. Das Knabenseminar in Mattersburg öffnet wieder seine Pforten, in Eisenstadt ersteht ein katholisches Lehrerinnenseminar, ein katholisches Bildungsheim weckt die Verantwortung junger Laien für die Kirche, das. katholische Schrifttum („St.-Marrins-Bote“ und „Glasnik“) festigt den durch den Zeitgeist erschütterten Glauben, und wieder wächst die Hoffnung auf eine selbständige Diözese.

Zum Teil wird dieser Wunsch erfüllt, als am 12. November 1949 das Burgenland in der Person des Wiener Stadtdechanten Dr. Josef Schoiswohl einen eigenen Apostolischen Administrator erhält, der am 20. Juni 1951 vom Heiligen Vater auch zum Titularbischtof von Phytea ernannt wird. Sein segensreiches Wirken im Burgenland ist leider nur von kurzer Dauer. Schon im Jahre 1954 übernimmt er die Leitung der Diözese Graz-Seckau.

Sein bisheriger Kanzleidirektor DDr. Stephan Läszlö wird nun Apostolischer Administrator des Burgenlandes. Zwei Jahre später, am Feste

des heiligen Martinus, wird dem neuen Oberhirten in der Stadtpfarrkirche in Eisenstadt die Bischofsweihe erteilt.

Viel ist in den letzten Jahren im Burgenland zur Vertiefung des religiösen Lebens und zur Entfaltung des Reiches Gottes geschehen. Der Ausbau der Katholischen Aktion in seinen Gliederungen und Werken in den 15 Dekanaten und 173 Pfarren unserer Heimat ist in mancher Hinsicht vorbildlich geworden für andere Diözesen. Die Schaffung eines kirchlichen Amtsgebäudes in Eisenstadt, die Errichtung eines neuen Knabenseminars in Mattersburg, die Er-

neuerung und der Ausbau der St.-Martins-Kirche in Eisenstadt zu einer künftigen Domkirche zeugen von der großen Opferbereitschaft der Gläubigen.

Von Seiten des Burgenlandes ist somit alles geschehen, was billigerweise gefordert werden kann. Es liegt nun an der österreichischen Regierung und an Rom, den langgehegten Wunsch der Burgenländer nach der Errichtung einer eigenen Diözese zu erfüllen. Die Verhandlungen über eine Neufassung des Konkordats werden vielleicht auch in diesem Punkte eine Klärung offener Fragen bringen.

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