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Diplomatische Niederlage?

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Nach der Feuereinstellung begann in Israel die große Ernüchterung. Die Anschauungen der USA und Israels gingen des öfteren auseinander. Es begann bereits, als die verschiedenen israelischen Beanstandungen des Rogers-Planes nicht offiziell in die israelische Antwort aufgenommen wurden, obwohl man darüber im Kabinett tagelange Diskussionen geführt hatte.

Die Enttäuschung über die amerikanische Ignoranz war kaum verschmerzt, als die israelischen Radargeräte, Aufklärungsmaschinen und andere Mittel eindeutig feststellten, daß die Sowjets gemeinsam mit den Ägyptern sofort nach Eintritt der Waffenruhe diese wissentlich gebrochen, neue SA-2-und SA-3-Raketenrampen errichtet hatten und am Ausbau der bereits bestehenden weiter arbeiteten.

Ähnlich wie beim Rogers-Plan begnügte man sich auch hier nicht mit einer stillen Beschwerde, sondern alles wurde an die große Glocke gehängt Es wurde der Eindruck erweckt, daß der Waffenstillstand jede Minute gebrochen werden könnte, wenn sich Amerika nicht an seine Verpflichtungen gegenüber Israel halte. Es gab immer mehr Erklärungen und es gab Reden der verschiedenen Minister, ohne daß Israel dazu fähig war, etwas zu unternehmen. Wenn es wirklich dazu gekommen wäre, so hätte dies einen Bruch mit den Vereinigten Staaten bedeutet, was sich Israel heute nicht einmal im Traume leisten könnte.

Die lautesten Proteste Israels trafen auf taube Ohren in den Vereinigten Staaten. Wenn man mit allen Mitteln einer politischen Lösung entgegen-streben will, so darf man die schweren Artilleriegeschosse erst im äußersten Augenblick sprechen lassen. Das Statedepartment war verärgert und ließ anfragen, warum Israel ihm seine Beschwerden nicht ins Öhr flüstern könne. Aber hier dachte man eben anders. Die Regierung wollte die Falken im Inland und die Freunde im Ausland davon überzeugen, daß man nicht so schnell klein beigebe.

Zur gleichen Zeit war Israels Wirtschaft fast dem Abgrund nahe. Die Sicherheitsausgaben stiegen unerwartet in einem Ausmaß, daß der Staatskasse ungefähr 700 Millionen Pfund für dieses Jahr fehlen. Hinzu kommt noch, daß gerade jetzt, nach Annahme des Rogers-Plans, die sechs Gahal-Minister die Regierung verlassen haben, weil ihre rechtsradikalen Ansichten keine Zustimmung zuließen. Hierdurch erwuchs, zum ersten Mal seit dem Sechstaigekrieg, dem Kabinett eine starke Opposition, die sich nun auch gegen die Erhöhung der Steuern wehren wird. Trotzdem blieb nichts anderes übrig: die indirekten Steuern wurden erhöht und Subventionen auf Grundnahrungsmittel wurden gestrichen. Man hofft, dadurch rund 500 Millionen Pfund mehr an Steuern kassieren zu können.

Innerhalb der Regierung hatte man immer mehr das Gefühl, daß Israel gezwungen werde, auf seine Selbständigkeit zu verzichten. Man glaubte sogar, daß sich eine gemeinsame amerikanisch-russische Front gegen Israel gebildet habe. Israel weigerte sich bisher, eine „Rückzugskarte“ zum Verhandlungstisch zu bringen. Nun will man aber auch darüber beraten. General Moshe Dayan, der bisher immer als Falke gegolten hatte, wurde nun als Taube bezeichnet. Er drohte einige Male mjt seinem Rücktritt, aber auch er kam zu dem Schluß, daß Israel nicht auf alle Freunde verzichten könne. Dayan blieb, und in den Zeitungen begann man alte Zitate auszugraben, um Beweise dafür zu bringen, daß er schon vor Jahren für einen Rückzug gewesen sei.

Der anfängliche Optimismus nach der Feuereinstellung ist einer gedrückten Stimmung gewichen. Man hat immer mehr das Gefühl, daß die Welt Israel einen Rückzug aufzwingen will, ohne das palästinensische Problem, das Flüchtlingsproiblem und all die Ursachen, die zu dem Konflikt geführt haben, zu lösen, so daß ein schwächeres Israel vor die alten Probleme gestellt sein wird. Im besten Fall würde ein bewaffneter Frjede, der immer noch einen Entzündungsherd darstellt, zustande kommen. Man hat hier das Gefühl, daß die öffentliche Meinung der westlichen Welt in Israel den Aggressor sieht und die Tatsachen ignoriert.

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