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Diplomatisches „Zwielicht

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Gerät ein großes Reich in eine Serie politischer und militärischer Katastrophen, so ist das Publikum stets geneigt, in erster Linie die Männer der Diplomatie und des Nachrichtendienstes dafür verantwortlich zu machen. Als daher bald nach Kriegsausbruch zwei englische Agenten an der holländischen Grenze in die Hände der SS fielen, schien dies so manchen als eine Niederlage, der, weit über dem Tatsächlichen hinaus, große symptomatische Bedeutung zukam. „Wäre dem Secret Service früher so etwas zugestoßen?“ war die Frage, die man immer wieder vernahm. Nach Ende des Krieges hat sich bald herausgestellt, daß es zu seinen überraschendsten Zügen gehört, wie vollständig der deutsche Geheimdienst von seinen englischen und später auch seinem amerikanischen Gegenpart überspielt wurde. Allmählich stellt sich nun auch heraus, daß die englischen Diplomaten der Vorkriegsära ebenfalls meist besser waren als ihr Ruf — die einzige Ausnahme bleibt hier Sir Neville Henderson in Berlin, der aber nicht vom Foreign Office, sondern von Chamberlain selbst für diesen Posten ausgesucht worden war — und daß das eigentliche Versagen in der obersten Führungsschichte lokalisiert werden muß. Der Bericht, den nun Sir Walford S e 1 b y vorlegt („Diplomatie Twilight“ John Murray, London), ist ein weiterer Beweis für diese Ansicht. Sir Walford war in den entscheidenden Jahren englischer Gesandter in Wien und hat sehr frühzeitig das Unheil erkannt, das sich über Mitteleuropa zusammenbraute. Bereits 1934 schickte er ein äußerst hellsichtiges Memorandum nach London, dessen wesentlichste Punkte er in dem Begleitbrief an Lord Tyrrell nochmals scharf hervorhob. „Ich persönlich kann nur feststellen, daß das, was sich da vor meinen Augen abspielt, dem triumphalen Erfolg der deutschen Politik gleichkommt, die immer eins beabsichtigt hat: Europa klarzumachen, daß es seine Rechnungen mit Deutschland zu regeln habe. Was werden die Folgen sein, wenn dies gelingen würde?... Jugoslawien schwankt, Italien zögert. Wenn Oesterreich untergeht — und unter den gegenwärtigen Umständen wird es untergehen — werden diese Früchte und manch anderes noch Deutschland in den Schoß fallen. Ist ein englischdeutsches Einverständnis die Antwort darauf? Man versuche es! Es ist die einzige Karte, für die die Deutschen ihre Seele verkaufen würden, aber keinesfalls werden sie davon den Gebrauch machen, den ihnen zuzuschreiben wir geneigt sind. Nein, sie würden ein solches Uebereinkommen in den verschiedenen Hauptstädten als Beweis unserer vollständigen Machtlosigkeit benützen, einen Beweis, der, wenn sie ihn führen könnten, den Prozeß, der bereits so weit fortgeschritten ist, nur beschleunigen müßte.“

Wir würden heute die Akzente wohl ein wenig anders setzen. Hitlers Mentalität hätte es nicht entsprochen, auf die Machtlosigkeit eines Bundesgenossen hinzuweisen. Er hätte wohl vielmehr auf das Weltumspannende des Imperialismus und die beherrschende Stellung seiner Flotte hingewiesen. Aber all diese Hilfsmittel und Machtinstrumente hätten sich, zur deutschen Kraft dazugerechnet, stets auf geheimnisvolle Weise gegen den jeweiligen Gesprächspartner gerichtet. Aber der Kern der Aussage stimmte, stimmt nach allem, was wir heute wissen. Man müßte nur das Wort ..vollständige Machtlosigkeit“ durch „vollständiges Desinter-essement“ ersetzen.

Zwischenstaatliches Steuerrecht. Von Dr. Otto W a t z k e. 180 Seiten. — Die Stempel- und Rechtsgebühren. Von Dr. Karl B u 11 i n-ger. 310 Seiten. Preis 48 S. Beide Werke in der „Handausgabe österreichischer Gesetze und Verordnungen“ im Verlag der Oesterreichischen Staatsdruckerei.

Diese beiden Bände behandeln wichtige und ohne gesammelte Nachschlagemöglichkeiten schwer zu überschauende Materien. Die Verhinderung der Doppelbesteuerung, ein alter Grundsatz des zwischenstaatlichen Vertragsrechtes, fußt noch nahezu ausschließlich auf von den Partnerstaaten Oesterreichs mit Deutschland abgeschlossenen Verträgen. Aus diesem Grunde allein war eine richtungweisende und erläuternde Publikation eine Notwendigkeit. Die die Stempel- und Rechstgebühren regelnden Bestimmungen sind wohl österreichisches Rechtsgut. Mehrfach geändert bedürfen sie jedoch dringend einer fachkundigen und sinngemäß aufgebauten Interpretation. Daß die Erlässe wie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes eingearbeitet sind, ist eine für die Praxis wertvolle Bereicherung. Die bekannten Gesetzesausgaben der Oesterreichischen Staatsdruckerei erfahren durch diese beiden Handwerke eine dankenswerte Ergänzung. Carl Peez *

Filmliteratur. Zum sechsten Male liegt jetzt der „Oesterreichische Filmalm anach“ vor. Herausgeber ist Harry Nestor, Wien IV, Kleine Neugasse 4. Die Versuche der ersten Ausgaben, auch Aufsätze zu bringen, sind in der Praxis wohl gescheitert. Dafür entschädigen der ausführliche kinotechnische Teil und das reiche, sehr übersichtlich angeordnete Anschriftenmaterial. Eine „Filmgeschichte in Stichworten“ (von Benjamin S. Eichsfelder, verlegt von Joachim Breschke, Hagen), wie sie hier vorliegt, ist eine verdienstvolle Vorstudie zu der noch nicht geschriebenen großen Filmgeschichte in deutscher Sprache. Vielleicht wird diese dann auch dem österreichischen Anteil mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen. — Zwei Wiener Filmsonderhefte lassen aufhorchen. Heft 11/1953 der „Filmkunst“ (Herausgeber Oesterreichische Filmwissenschaftliche Gesellschaft) erteilt zu dem eminent wichtigen Thema „Spielfilm und Unterricht“ im Zusammenhang mit einer bedeutenden Fachtagung hervorragenden Autoren das Wort. Im Filmsonderheft vom Mai der „Erziehung“ (Herausgeber und Verleger US-Information Service) fallen die temperamentvollen Beiträge Fr. Hansen-Loewes („Kino und Film“) und Hans Weigels „Die Gefahren des Films“ auf.

Der Kampf gegen das Altern. Von Hugo Glaser. Verlag Brüder Hollinek, Wien, 1952. 165 Seiten.

Das vorliegende Bändchen ist eines der besten in der Sammlung „Biologie“, die von dem bekannten Biologen Doz. Dr. Ewald Schild herausgegeben wird. Die Darstellung ist vom wissenschaftlichen Standpunkt einwandfrei und gibt eine ausgezeichnete Einführung in die Gesamtproblematik mit zahlreichen wertvollen Details. Verfasser geht aus von einer historischen Rückschau auf das uralte Menschheitsproblem der „Verjüngung“, behandelt dann den Selbstversuch von Brown-Sequard, die Versuche von Steinach und Voronoff, die Operation von Doppler, die Verjüngungsmethoden durch Wärme und andere Methoden der physikalischen Therapie, schließlich als neueste Errungenschaft das Serum des russischen Gelehrten Bogomolec. '

Zusammenfassend erörtert er die Möglichkeiten einer prophylaktischen Altersbekämpfung. Abschließend erklärt er: Solange man das Altern nur als den Schwund der Sexualität auffaßt, ist man diesem biologischen Zustande gegenüber auf dem falschen Weg. Wesentlich kommt es auf Erhaltung der Arbeitskraft und der Leistungsfähigkeit an; niemals darf man aber auch das Positive des Alterns übersehen. Zutreffend weist er auf den wesentlichen Unterschied hin, der zwischen dem Alters-

zu beziehen durch die Buchhandlung „H E R O L D“, Wien VIII, Slrozzi gasse prozeß des Tieres und dem des Menschen besteht: „Dem Menschen ist es gegeben, zugleich mit den weißen Haaren und der Verminderung seiner Elastizität die Weisheit des Alters zu erreichen und auf die von der Abendsonne erleuchteten Höhen des Lebens zu kommen.“

So darf dieses Büchlein als Beitrag zu einer vertieften Auffassung vom Wesen des Menschen im Wesentlichen zustimmend begrüßt werden.

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