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Diskussion „um den Zölibat“

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Der Verlag Glock & Lutz, in Nürnberg, bringt in einer Schriftenreihe, „Die Schwaz-Weiß-Bücher“, in einem ersten Bändchen von einem anonym bleiben wollenden Autor die Abhandlung „Um den Zölibat. Eine Studie und Diskussionsgrundlage.“ Daß über die Zölibatsfrage auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil praktisch nicht gesprochen wurde, soll nicht heißen, daß diese Frage überhaupt nicht besteht oder daß über sie nicht gesprochen werden darf. Die Diskussion um den Zölibat des Weltpriesters kann sogar sehr fruchtbar sein. Wird doch heute auch das Wesen der ehelichen Liebe neu durchdacht.

Die Ehelosigkeit und vollkommene Keuschheit, die eigentlich erst im Christentum als Ideal erkannt wurde, sind — gläubig betrachtet — eine Gnadengabe für den, der sie erhalten hat. Ehelos bleiben „um des Himmelreiches willen“ bedarf einer Berufung von oben.

Der Zölibat des Priesters ist von der Kirche gefordert auf Grund von Gewohnheit und Gesetz. Eine solche Forderung kann die Kirche nur mit Berufung auf die Dienstfunktion des Priesters aufstellen. Der Priester hat seiner Gemeinde gegenüber die Funktion des Bräutigams. Er ist für sie der Mittler übernatürlichen Lebens. Seine Liebe soll ganz hingeordnet sein auf die Kirche. Der Zölibat wird also nicht um seiner selbst willen gefordert, sondern um der anderen willen. Man kann aber den Zölibat auch freiwillig als Gnadengabe annehmen.

Aus der Zölibatsforderung kann auch eine Not entstehen, nämlich, daß mancher dieser Forderung nicht zu entsprechen vermag. Es ist dies eine faktische Not der kirchlichen Öffentlichkeit. Kann man aus dieser Not auf eine Forderung zur Entbindung von der Zölibatspflicht schließen?

Die Voraussetzungen zur Zölibatspflicht sind: Erstens das Freisein von psychischen und morälisehöfr ivlän'l geln des Priesterkandidaten. Zweitens die zu einem solchen Entscheid

notwendige Erkenntnis und Bildung des eigenen Urteils. Drittens die volle Entscheidungsfreiheit. Haben eine oder mehrere dieser Voraussetzungen beim Eingehen der Verpflichtung gefehlt, so scheint auch ein Rechtsanspruch auf Entbindung von derselben vorhanden zu sein. Dieser Rechtsanspruch muß aber auf gerichtlichem Wege geltend gemacht werden. Der Gnadenweg kann zwar offen bleiben, doch muß auch dabei im äußeren Bereich vorgegangen wenden.

Die derzeitige Situation

In dem gewaltigen Gesellschaftswandel, der sich vollzogen hat und immer noch weiter vollzieht, sind im Hinblick auf den Zölibat folgende Tatsachen von Bedeutung: geschlechtliche Enthaltsamkeit wird in der heutigen Gesellschaft nicht hochgeschätzt, ja der Begriff „vollkommene Keuschheit“ wird sogar weithin unter dem Einfluß des psychologischen Pansexualismus abgelehnt. Anderseits haben die Ehe und eheliche Partnerschaft eine große Aufwertung erfahren. Darin liegen ohne Zweifel auch Ursachen der modernen Zölibatsproblematik.

Angriffe auf den Zölibat hat es schon immer in der Kirchengeschichte gegeben. Diese sind teils antikirchlich, das heißt, gegen die Kirche als solche gerichtet. Dieser Art sind jedoch die heutigen Angriffe auf den Zölibat nicht. Sie geschehen vielmehr auf Grund der „vielen“ Gescheiterten oder auch der durch den Zölibat verhinderten Priester. Statistiken geben an, daß von 100 jungen Menschen nur zehn zum Priestertum kommen, angeblich aus Angst vor dem Zölibat. Man glaubt, daß dadurch gerade die vitalen Naturen von diesem Beruf abgehalten werden.

Die nur kurz angedeuteten Schwierigkeiten können auf verschiedene Weise behoben werden, und es sind auch von Seiten der Kirche entsprechende Schritte unternommen worden. In der priesterlichen Vorbereitung muß sorgfältig die affektive Nachreifung des jungen Menschen gepflegt werden, so daß die Geschlechtlichkeit nicht verkümmert. Im priesterlichen Leben muß wie

derum durch eine echte priesterliche Gemeinschaft in der vita communis und durch eine gesunde Lebensentfaltung in der priesterlichen Arbeit die seelisch-leibliche Vollreife des Menschen gepflegt werden.

Nicht nur verheiratete Diakone?

Auch das Zweite Vatikanische Konzil hat bereits einen Schritt ge

tan, der eine weitere Entwicklung offen läßt. Der verheiratete Diakon wird voraussichtlich bald in der Kirche als neues hierarchisches Amt seinen Platz finden, und es sind von da aus weitere Schritte denkbar.

Damit soll aber nicht gesagt sein, daß der Zölibat in der Kirche aufgegeben wird. Es scheinen vielmehr Gründe vorhanden zu sein — gerade in unserer Zeit — am Zölibat festzuhalten. Die unstabile Form der heutigen Ehe bietet für das Priestertum eine noch größere Gefahr als das Zölibatsgesetz. Die Schwierigkeiten würden also durch die vollkommene Beseitigung dieses Gesetzes nicht geringer, sondern größer werden. Wenn man immer wieder auf den Mangel an Priesterberufen hinweist, so gilt das nicht nur von der katholischen Kirche mit den zölibatären Priestern, sondern auch von den evangelischen und orthodoxen Kirchen. Anderseits besinnen sich gerade unsere getrennten Brüder heute mehr denn je auf den Zölibat. Also scheint dieser Notstand kein zwingender Grund der Aufhebung des Zölibates zu sein.

Damit sind wir auch bei der Besprechung des eingangs genannten Bändchens angelangt. Wir fragen, bevor wir auf Einzelheiten eingehen, den Autor, der vom Verlag als namhafter Seelsorger und Theologe bezeichnet wird, warum er anonym bleiben will. Gerade dies scheint uns für eine Diskussionsgrundlage nicht die rechte Voraussetzung zu sein.

Wir vermissen zweitens bei den einzelnen Ausführungen die Zitate für die historischen Argumente, die für eine sachliche Diskussion unerläßlich sind. i

Wir müssen drittens feststellen und dies nun auch im einzelnen etwas näher beleuchten, daß der Autor nicht über den Zölibat diskutieren, sondern vielmehr ihn bekämpfen will. Dies geht schon aus dem Vorwort hervor, in dem der Verlag schreibt: „Dieses kleine Werk über den Zölibat bedarf keiner Rechtfertigung — wohl aber der Zölibat.“

Der Autor bezeichnet den Zölibat als „Tabu in der Kirche“, das seit

„einigen Jahrhunderten künstlich kalt gehalten wird. Krampfhafte Angstsperren sind aufgeboten, ihn als endgültige Tatsache • hinzustellen." (Seite 12). „Wenn sachliche Argumente zu ihrer Begründung nicht ausreichen, sie aber trotzdem gehegt und gepflegt werden, braucht man sie nur genügend lange einfach der Diskussion zu entziehen und

ihnen den Heiligenschein der Unbe- rührbarkeit anzulegen, und das Tabu ist fertig. Später werden dann Macht- und Zwangsmittel aufgeboten, die den der Tabuierung nachgelieferten, dürftigen und zweifelhaften Angemessenheitsgründen das ersetzen, was ihnen an Überzeugungskraft fehlt.“ (Seite 12.)

Alle Argumente erwägen

Also braucht man die positiven Gründe, die die Kirche zum Zölibatsgesetz geführt haben, gar nicht

erörtern. Wie konnte die Kirche mit bloßem Zwang ein so schweres Gesetz wie den Priesterzölibat durch ein Jahrtausend aufrechterhalten? Wie erklärt der Autor das heroische, vielfach heiligmäßige Leben jener Priester, deren Zahl um ein Vielfaches größer ist als der selbst heute noch geringe Prozentsatz der Gescheiterten? Diese Tatsache erwähnt der Autor mit keinem Wort. Wir verlangen nicht vom Autor, daß er die positiven Gründe des Zölibatsgesetzes untersucht und die Verteidiger des Zölibatsgesetzes zu Wort kommen läßt, aber wohl müssen wir im Interesse einer echten Diskussion verlangen, daß nicht mit falschen Unterstellungen gearbeitet werde. Im Schlußkapitel: „Gründe, die die Aufhebung des Zölibatsgesetzes nahelegen“ (Seite 73 bis 97) werden die Angemessenheitsgründe für das Zölibatsgesetz in übertriebener Weise unter dem negativen Aspekt behandelt. Es kann gar kein Zweifel bestehen, daß der Autor selbst vom psychologischen Pansexu- alismus beeinflußt ist. Wir leugnen nicht, daß es auch negative Erscheinungen des zölibatären Lebens gibt, wohl aber müssen wir die Verallgemeinerung zurückweisen, die der Autor macht. Fehlende Priesterberufe und fehlenden akademischen Nachwuchs auf das Konto des Zölibatsgesetzes zu setzen, kann wohl kaum als ernste Argumentation betrachtet werden.

Die Untersuchung des biblischen Befundes, das heißt, der biblischen Aussagen über Ehelosigkeit und Keuschheit (Seite 17 bis 27), scheint uns vollständig überflüssig zu sein, da niemand im Ernst behauptet, daß das Zölibatsgesetz göttlicher Natur sei und auf ausdrückliche Weisung des Herrn zurückgehe. Ebensowenig aber kann geleugnet werden, daß das Ideal der Jungfräulichkeit biblischen Ursprungs und nur im Christentum fest verankert ist. Außerdem behauptet der Autor in der dritten Schlußfolgerung, die er zieht: „Die Jungfräulichkeit ist geraten denjenigen, die das Charisma haben. Sie' ist etwas Geistiges, nichts Körperliches.“ (Seite 29.) Es müßte heißen:- primär etwas Geistiges und sekundär etwas Körperliches. Dies ist aber eine Selbstverständlichkeit.

Eine Auseinandersetzung über die Notwendigkeit und Richtigkeit des Zölibatsgesetzes oder über dessen Schädlichkeit ist durchaus zulässig und kann in jeder Beziehung fruchtbar sein. Aber es ist bei dieser wie bei allen existentiellen Lebensfragen notwendig, in sauberer Weise Argument gegen Argument zu stellen.

So müssen wir diese Publikation nicht nur im Interesse der Kirche und des Priestertums, sondern auch im Interesse der Objektivität bedauern.

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