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Dokumente des kommunistischen Kirchenkampfes

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Rotbuch der verfolgten Kirche. Veröffentlicht im Auftrag der „Kommission für die verfolgte Kirche“ der internationalen katholischen Organisationen. Von Alberto Galler. Paulus-Verlag, Recklinghausen. 500 Seiten. Preis 150 S

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Rotbuch der verfolgten Kirche. Veröffentlicht im Auftrag der „Kommission für die verfolgte Kirche“ der internationalen katholischen Organisationen. Von Alberto Galler. Paulus-Verlag, Recklinghausen. 500 Seiten. Preis 150 S

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Das Dokumentarwerk über die Verfolgungen, denen sich die katholische Kirche in den vom Kommunismus beherrschten Ländern ausgesetzt sieht, ist nunmehr auch in deutscher Sprache erschienen. 1956 war als erste die italienische Ausgabe von der „Kommission für die verfolgte Kirche“ veröffentlicht worden, die von der Konferenz der internationalen katholischen Organisationen beauftragt worden war, einen zusammenfassenden Bericht über die einzelnen Phasen der Kirchenverfolgungen auszuarbeiten. Dieser ersten italienischen Ausgabe ist inzwischen bereits eine französische, englische und spanische Ausgabe gefolgt. Die deutsche Ausgabe, im Paulus-Verlag, Recklinghausen, erschienen, bemüht sich um eine genaue Wiedergabe des italienischen Originaltextes. Die Uebersetzer, Priester aus Königstein im Taunus, haben, wie sie in einem Vorwort betonen, für ihre wortgetreue Liebersetzung auch einige stilistische Engen auf sich genommen, die auch bei der Lektüre des Buches spürbar werden. Da sich die deutsche Uebersetzung sehr eng an den italienischen Urtext hält, sind das Material und die Dokumente, die das Rotbuch der verfolgten Kirche bieten, praktisch mit Ende des Jahres 1955 abgeschlossen. In einem eigenen Anhang werden jedoch die wesentlichsten Tatsachen und Veränderungen im Schicksal der Kirche seit Beginn des Jahres 1956 nachgetragen.

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Das Buch bringt Dokumente und Schilderungen, zum Großteil fußend auf Originalberichten und Pressestimmen aus den betreffenden Ländern selbst, über das Schicksal der Kirche in allen kommunistischen Ländern. Von den osteuropäischen Staaten und Rußland bis China, Nordvietnam und Nordkorea. Mit einer einzigen Ausnahme, der Deutschen Demokratischen Republik. Zwingende Gründe ver-anlaßten Herausgeber und Verleger, heißt es im Vorwort der deutschen Uebersetzer, nicht auf die kirchliche Situation in der Deutschen Demokratischen Republik dokumentarisch einzugehen. Dadurch soll jedoch nicht gesagt sein, daß die Kirche dort nicht der Verfolgung ausgesetzt sei. Es bleibt einer späteren Veröffentlichung vorbehalten, hierauf einzugehen.

Der Kampf des Kommunismus gegen Religion und Kirche ist wesentlich in dessen atheistischer Philosophie begründet. In einem Einleitungskapitel weist der Herausgeber, Alberto Galter, auf diese für den Kommunismus zwingende Logik des Kirchenkampfes hin. Gleichzeitig aber auch auf die Verschiedenheit der Methoden, die sich je nach den örtlichen Gegebenheiten richten. Es ist ein Unterschied, ob der Kommunismus die Kirche in China bekämpft, wo die Katholiken ein Tropfen im Meer des chinesischen Volkes bedeuten, in Rumänien, wo sie von der herrschenden Orthodoxen Kirche immer als ein Fremdkörper empfunden wurden, oder in Polen, wo der Kommunismus auf ein sehr glaubensstarkes katholisches Volk traf.

Aber bei all der Verschiedenheit der religiösen und politischen Situation, in der die Katholiken zu Beginn der Verfolgung lebten und dadurch den Kommunismus auch zu verschiedenen Methoden der Kifchenverfolgung veranlaßten, läßt sich doch, wie der Herausgeber nachweist, eine einheitliche Linie in der Systematik der Kirchenverfolgung erkennen. Diese beginnt immer damit, daß man die Kirche im Bewußtsein des Volkes in Verruf bringt, daß man sie als ein Instrument des Kapitalismus, der Kriegstreiber, der Reaktion verleumdet. Der zweite Schlag, der auch überall gleichartig erfolgt, ist gegen die katholische Presse und gegen die katholischen Organisationen geführt. Die Kirche wird zu einer Kirche des Schweigens. Die dritte Stufe ist dann die, daß aus dieser schweigenden Kirche eine mittätige Kirche, eine für den Kommunismus propagandistische Kirche gemacht wird, daß Priester und Gläubige gezwungen werden, für den Staat, der sie verfolgt, öffentlich einzutreten; all dies immer jedoch unter dem Deckmantel einer offiziellen Religionsfreiheit. Die Kultfreiheit in engstem Raum wird in den meisten Fällen nicht angetastet. Nachdem die Kirche im Bewußtsein des Volkes diffamiert ist, die Hierarchie durch Verhaftungen lahmgelegt, aller ihrer Organisationen beraubt, keine Möglichkeit mehr hat, zu den Gläubigen zu sprechen, erwartet der Kommunismus das innere Erlöschen des Glaubens. Dabei werden zwischen den einzelnen Perioden der Verfolgung immer Atempausen eingeschaltet, in denen der Druck etwas nachläßt, wobei man mit dem Nachlassen des Druckes politische Erpressungen verbindet. Daß das Endziel dieses Kirchenkampfes, wie das Rotbuch der verfolgten Kirche dokumentarisch belegt, noch zu keinem Ziel geführt hat, ist eines der wenigen tröstlichen Erkenntnisse aus diesem Buch.

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Das Rotbuch der verfolgten Kirche ist keine amtliche Veröffentlichung der Kirche. Das Buch will, wie der Herausgeber, Alberto Galter, in einem Vorwort unterstreicht, weder Haß noch Spaltung nähren. Die katholische Kirche hat sich niemals herbeigelassen, Kreuzziipe irgendwelcher Art — am

wenigsten politische — gegen die Länder der sogenannten fortschrittlichen Demokratie gutzuheißen. Was die Kirche verurteilt hat und weiterhin verurteilt, ist der Irrtum, aus dem der Marxismus-Leninismus zuinnerst besteht, und seine zerstörerischen Aeußerungen. Der Herausgeber wollte mit dieser Darstellung das dreifache Ziel verfolgen, erstens einmal einen Beitrag zur Verteidigung derjenigen Werte zu geben, welche der gottlose Kommunismus leugnet, zweitens die schwierige Lage, die furchtbaren Alternativen und Gewissensnöte zu verstehen helfen, in denen Bischöfe, Priester und Gläubige in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang zu leben gezwungen sind, und drittens will das Buch alle jene, denen das Schicksal der Freiheit und der grundlegenden Menschenrechte am Herzen liegt, auf eine der entsetzlichsten Tragödien unserer Zeit aufmerksam machen.

Dr. Richard Barta

Der Verrat im 20. Jahrhundert. III. Band: Zwischen den Ideologien (Zentrum Europa). Von Margret B o v e r i. 197 Seiten. Rowohlts deutsche Enzyklopädie. Rowohlt-VCrlag, Hamburg.

Als Margret Boveri vor bald zwei Jahren die ersten Ergebnisse ihrer Untersuchung über den „Verrat im 20. Jahrhundert“ in zwei Bänden vorlegte, wurde dieses Unternehmen bald und eingehend kommentiert (vgl. auch „Die Furche“, Nr. 52/1956). Nun

setzt die Verfasserin ihre Arbeit — wie schon seinerzeit angekündigt — mit Sondierungen über den Verrat „zwischen den Ideologien“ fort. Ein dritter Band liegt seit Dezember 1957 vor, ein vierter soll noch folgen. Doch das Echo der Oeffentlichkeit läßt diesmal auf sich warten. Zu Unrecht. Margret Boveris Stoff ist nicht uninteressanter geworden, ihre Aussage hat an Präzision keineswegs nachgelassen. Im Gegenteil. Das Porträt eines Dr. Richard Sorge — der Verfasserin durch ihre gemeinsame Arbeit in der „Frankfurter Zeitung“ bekannt — und die beinahe klinisch zu nennende Durchleuchtung des Phänomens Arthur Koestler zum Beispiel sind Meisterwerke geistesgeschichtlicher Analyse und journalistischer Darstellung.

Die vorgenommene Einteilung bringt es, wie wir schon an den beiden obengenannten Personen sehen, mit sich, daß in einem Band zunächst mit dem größtmöglichen Verständnis versucht wird, zu zeigen, warum Hunderte und Tausende Kommunisten wurden, um daraufhin mit demselben Einfühlungsvermögen aufzuzeigen, warum eine Reihe von ihnen — und nicht ganz unwesentliche — dem „Gott, der keiner war“, wieder den Rücken wandten. Die Verfasserin findet es schon auf Grund der Kritiken ihrer ersten Arbeiten für geraten, ausdrücklich zu betonen: „Jemanden verstehen, bedeutet nicht: sich mit ihm identifizieren, und .alles verstehen' ist nicht gleichbedeutend mit .alles verzeihen'.“ Für den abschließenden Band verspricht Margret Boveri, nachdem sie sich in der Trümmerlandschaft des Verrats zur Genüge umgesehen hat, die Pfade aufzuzeigen, die zur Ueberwindung der geistigen Heimatlosigkeit und zu neuen Loyalitätsverpflichtungen führen könnten. Man darf seinem Erscheinen wieder mit — durch den Inhalt des vorliegenden Buches noch verstärktem — Interesse entgegensehen.

Dr. Kurt Skalnik

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