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Doppelgeleisig oder eingeleisig?

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Seit Jahren bemühen sich die österreichischen Hochschulen, für ihre wissenschaftlichen Institute geldliche Zuwendungen zu erlangen. Meist vergeblich. Wodurch das wissenschaftliche Leben auf den Hochschulen nicht eben blüht und gedeiht — jenes wissenschaftliche Leben, das neben der Lehrtätigkeit ein Wesenselement der Hochschulen ist — oder zumindest einmal gewesen ist. Denn seit einiger Zeit gibt es Bestrebungen, die Hochschulen zu reinen Lehranstalten zu »degradieren“ und die wissenschaftliche Forschung anderen Instituten zuzuweisen.

So wurden auf Staatskosten — und nicht geringen Kosten — ein Gießereiforschungsinstitut neu geschaffen, ebenso ein Betonlaboratorium, ein Holz-und-Kohle-For- schungsinstitut, ein Wasserbaulabor, ohne diese Institute den Hochschulen anzugliedern. Sie arbeiten für sich allein, ohne Zusammenhang mit den Universitäten und technischen Hochschulen. An sich wäre gegen die Schaffung eigener Forschungsstätten nichts zu sagen, solange die wissenschaftlichen Institute der Hochschulen genügend dotiert sind. Da dies aber in Oesterreich nicht der Fall ist und anscheinend für lange Zeit nicht der Fall sein wird, wäre es wohl angezeigt gewesen, einen Teil des Geldes, das der Neuaufbau dieser Institute kostet, den bereits bestehenden Instituten an den Hochschulen zuzuwenden. Die Forschungsergebnisse wären sicher auch’ der Allgemeinheit zugute gekom7 men. Zumindest hätte man ein Zusammengehen zwischen Hochschulen und Forschungsinstituten vereinbaren können.

Die Erfahrung lehrt, daß eingeleisige Gebirgsbahnen rentabler sind als zweigeleisige. Oesterreich täte gut daran, die Doppelgeleisigkeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung zu vermeiden. Es käme leichter über Berge von Schwierigkeiten hinweg.

Sublimierte Besatzungskosten

Wie tausenden anderen wurde nach dem Jahre 1945 einer Oesterreicherin ihre Villa samt großem Garten in einem Wiener Vorort von einer Besatzungsmacht beschlagnahmt. So weit, so nicht gut. Sie erhielt eine — recht kleine und verwahrloste Ersatzwohnung und mußte darin jahraus, jahrein hausen. So weit, so nicht gut. Der österreichische Staat zahlte ihr monatlich eine Entschädigung für die beschlagnahmte Wohnung. So weit, so gut. Nachdem vor langer Zeit bereits die USA auf die Bezahlung der Besatzungskosten verzichtet hatten, folgten zögernd und langsam und nach Jahren auch die anderen drei Mächte. So weit, so gut. Damit ergab sich aber auch für sie die Verpflichtung, für die Instandhaltung der beschlagnahmten Gebäude selbst aufzukommen. So weit, so nicht gut für die Besatzungsmächte. Eines Tages erhielt nun besagte Oesterreicherin von der (westlichen) Besatzungsmacht die Aufforderung, für die Instandhaltungskosten ihres Gartens, den sie nicht benützen, ja nicht einmal betreten darf, einen entsprechenden — nicht geringen — Beitrag an die Besatzungsmacht zu liefern. Der armen Oesterreidherin blieb vor Staunen der Mund offen. Sie hatte erst vor einiger Zeit freudig in der Zeitung gelesen, daß keinerlei Besatzungskosten, die bisher immer direkt von dem Staat Oesterreich beglichen werden mußten, zu zahlen seien, und war über die Art, versteckte Besatzungskosten nun von den Oesterreichern direkt einzufordern, baß erstaunt. Ja, so deutete man ihr an, wenn sie diese sublimierten Besatzungskosten bezahlen würde, werde man ihr vielleicht die Villa bald zurückgeben. Die Oesterreicherin schüttelte noch mehr den Kopf. Sie fand diese Methoden etwas seltsam in einem befreiten Land.

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