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DR. FRANTISEK TOMAŠEK BISCHOF IN DER ,KIRCHE DES SCHWEIGENS‘

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Wer je dem Administrator der Erzdiözese Prag gegenüberstand, hatte das Gefühl, sich einem Mann gegenüber zu sehen, der entweder gar keine Nerven oder Nerven aus Stahl hat.

Daneben strahlt diese große Gestalt mit den klugen Augen nicht nur Güte, sondern auch Optimismus aus.

Dr. Tomašek, geboren 1899, gehörte zu jenen Bischöfen der Tschechoslowakei, die zu Beginn der großen Kirchenverfolgung, die 1949 begann, geheim geweiht wurden. Bevor er Administrator in Prag wurde, war er auf einer kleinen Pfarre in Mähren tätig, ähnlich wie heute Dr. Matoušek, einer de- anderen geheim geweih ten Bischöfe als Pfarrer von St. Adalbert in Prag und der dritte, Dr. Otčenašek, als Pfarrer in Türnitz bei Aussig tätig sind.

Als das Prager Regime 1949 die Kirchenverfolgung begann, holte es sich den Professor der Prager Universität Dr. Hopsa, einen ausgezeichneten Kenner des Kirchenrechts, der dem Regime die rechtlichen Grundlagen für die Kirchenverfolgung lieferte. Nach dem Codex der katholischen Kirche soll nämlich ein Kapitelvikar gewählt werden, wenn es dem Ordinarius nicht einmal schriftlich mehr möglich ist, mit seinen Diözesanen zu verkehren. Man brachte deshalb Erzbischof Beran nicht nur außerhalb seiner Diözese, sondern verhinderte auch, daß er mit seinen Diözesanen schriftlich verkehren konnte. Dem Codex war damit Genüge getan, und der Wahl eines Kapitelvikars stand nichts mehr im Weg. Aber es war natürlich selbstverständlich, daß die Regierung dem Prager Metropolitankapitel mitteilte, wen es als Kapitelvikar zu sehen wünsche.

Es war ein außerordentlich großer Erfolg der vatikanischen Diplomatie, daß es ihr gelang, um den Preis der Ausreise des Erzbischofs Beran die Ablöse des Kapitelvikars und seine Ersetzung durch einen apostolischen Administrator zu erreichen, der außerdem noch ein geheim geweihter

Bischof war. Die Aufgabe, die Dr. Tomašek 1965, als er sein Amt antrat, vorfand, war nicht nur schwer, sondern fast hoffnungslos. Für sechs Diözesen mit rund 9 Millionen Katholiken war er der einzige Bischof. Das Priesterseminar in Leitmeritz dürfen jährlich nur zwanzig ausgeweihte Kandidaten verlassen. Der Religionsunterricht in den Volksschulen wurde so behindert, daß nur ein geringer Teil der Schüler ihn überhaupt besuchen konnte. Es gibt keine Bibel in tschechischer Sprache, keine Katechismen, keine Missale, so daß auch die Eltern keine Hilfsmittel für den Unterricht hatten. Von den Priestern hatten über tausend nicht die Bewilligung, in der Seelsorge zu arbeiten, sondern mußten ihr Leben als Arbeiter fristen, wie zum Beispiel Bischof Trochta von Leitmeritz, der lange Zeit Maurer in Prag war, oder der Prior von Tepi, der Traktorführer in einer Kolchose ist. Bischof Tomašek verzweifelte nicht, , sondern ging langsam an die Arbeit. Vor allem bemühte er sich, die amtsbehinderten Priester wieder der Seelsorge zuführen zu können. Er zeigte sich oft in der Öffentlichkeit, damit diese die Existenz eines katholischen Bischofs zur Kenntnis nehmen mußte. Als Tscheche hatte er außerdem die Fähigkeit, warten zu können. Er wußte, daß einmal wieder ein Frühling kommen würde, und auf den galt es, klug zu warten. Und der Frühling kam …

Wieder zeigte sich die große Klugheit des Administrators von Prag. Er trat nur mit sehr bescheidenen Wünschen an die Öffentlichkeit. Der erste Erfolg, den er erreichte, war, daß der numerus clausus für das Priesterseminar aufgehoben wurde. Die Bemühungen um Rückberufung der amtsbehinderten Priester werden in Kürze Erfolg haben. Die Leitung verschiedener kirchlicher Institutionen konnten wieder mit Vertrauensleuten des Bischofs besetzt werden. Der alte Bischof von Brünn konnte wieder von seiner Diözese Besitz ergreifen. Bald wird wahrscheinlich der erzbischöfliche Stuhl von Olmütz wieder besetzt sein. Die Bestrebungen des Administrators gehen dahin, auch den Religionsunterricht in den Schulen von allen Behinderungen freizubekommen. Die Nachricht dagegen, daß die Kirche ihre Güter zurückverlange, erwies sich als ein böswillig ausgestreutes Gerücht.

Für die Menschen des freien Westens scheint dies alles kein großer Erfolg zu sein. Wer dagegen die Situation in den böhmischen Ländern kannte, weiß, daß diese ersten Schritte bereits ein ungeheurer Fortschritt sind, errungen von einem Mann, der die Situation klug zu nutzen weiß und warten konnte.

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